Frisch geduscht und rasiert stand ich, nur in einen Bademantel gehüllt, vor meinem Kleiderschrank und war kurz davor zu verzweifeln. Mrs Clingfort hatte mir ausdrücklich gesagt, dass ich nur schwarz tragen durfte. Und natürlich am besten wäre ein schwarzes Kleid. Nur hatte ich kein schönes schwarzes Kleid!
Verzweifelt begann ich, in meinem Kleiderschrank zu graben. Ganz vorne lagen die ganzen Sommerklamotten und hinter diesen verstaute ich meine Wintersachen. All meine Kleider, Röcke und Blusen hingen darüber an Kleiderhacken. Meine letzte Hoffnung war, dass sich vielleicht zu meinen Wintersachen ein Kleid gemischt hatte. Ich schob meine kurzärmligen T-Shirts zur Seite und erblickte dahinter eine Schachtel. Verwirrt runzelte ich die Stirn und holte sie heraus. Und erst jetzt wurde mir bewusst, was das für eine Schachtel war. Darin befand sich das Lieblingskleid meiner Mutter. Sie hatte es so oft wie nur möglich getragen. Auf Familienfeiern, wenn wir schick essen gingen oder einfach wenn sie Lust darauf hatte. Sie sah darin einfach so schön aus. Ihre dunkelbraunen Haare passten einfach perfekt zu dem samtschwarzen Kleid. Automatisch musste ich bei dem Gedanken lächeln. Vorsichtig öffnete ich die Schachtel und erblickte den weichen, mit Spitze überzogenen Stoff. Ohne groß darüber nachzudenken, nahm ich es aus dem Karton und hielt es in die Höhe. Es sah immer noch genauso schön aus wie früher. Schnell entledigte ich mich meines Bademantels, zog mir schöne schwarze Unterwäsche an und schlüpfte dann in das Kleid meiner Mutter. Der weiche Stoff floss an meinem Körper hinunter und ich fühlte mich ihr augenblicklich näher, so als wäre sie bei mir. Lächelnd drehte ich mich um und stellte mich vor den Ganzkörperspiegel. Das Kleid reichte mir bis kurz über die Knie. Es hatte einen schwarzen Unterrock mit einem Herzausschnitt, welcher bis zur Taille eng anlag und dann in leichten Wellen wegging. Darüber war eine Schicht Spitze, die den gesamten schwarzen Stoff und auch mein gesamtes Dekolletee bedeckte. Den Abschluss machten zwei schöne Ärmel, bei denen aber die Schultern frei blieben und die eigentlich nur an einer kleinen Stelle meinen Oberarm bedeckten. Alles in allem war es wunderschön. Ich ließ meine Haare offen, so dass sie mir in leichten braunen Locken über die Schultern fielen. Dann trug ich noch ein bisschen Mascara auf, um meine grünen Augen mehr zu betonen und fuhr meine Lippen mit einem roten Lippenstift nach. Voilà! Nachdem ich mich von Luke verabschiedet hatte, nahm ich meine Handtasche, zog meine Schuhe an und ging los.
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Nach fast einer halben Stunde erreichte ich den Buckingham Palace. Diesmal waren die Eisentore nicht alle geschlossen. Eins stand offen, wurde jedoch von vier Soldaten auf jeder Seite bewacht. Die hineinfahrenden Autos wurden strengstens kontrolliert, genauso wie die Personen, die ein und aus gingen. Nervös ging ich auf die bewaffneten Männer zu. Der zweite von Links bemerkte mich zuerst und kam in zügigen Schritten auf mich zu. Vor mir blieb er stehen und fragte:,, Name?"
Ich war für ein paar Sekunden überrascht von seinem mürrischen Tonfall. ,,Victoria Prinsloo."
Der Wache schaute kurz auf sein Handy und nickte dann:,, Kommen Sie mit."
Er führte mich zu einem seiner Kollegen, der als Einziger nicht bewaffnet war:,, Ich brauche einen Ausweis von Ihnen und dann zeigen Sie uns bitte den Inhalt ihrer Tasche."
Ich tat was mir gesagt wurde. Der Soldat kontrollierte meinen Ausweis und meine Tasche und trat dann an mich heran. Er hatte einen Metalldetektor in der Hand und fuhr damit an meinem Körper entlang. Als er nichts auffälliges entdeckte, trat er von mir weg und erlaubte mir weiterzugehen. Dank Mrs Clingforts Beschreibung wusste ich genau wo ich hingehen musste. Ich folgte einem kleinen mit Kies bedeckten Weg um das Schloss herum und kam dann im großen Schlossgarten an. Hier herrschte schon ein reges Treiben. Fasziniert schaute ich mich um. Der Garten war riesig, so wie es auch nicht anders zu erwarten gewesen war. Weiter hinten im Garten wurde ein kleines Podest aufgebaut und davor erstreckten sich Reihen von Tischen, die gerade von Unmengen von Personal gedeckt wurden. Noch dazu war der Garten geschmückt mit Blumen und allen möglichen anderen Sachen.
Plötzlich sah ich Mrs Clingfort auf mich zueilen:,, Auf die Minute pünktlich Ms Prinsloo. So sehe ich es gerne. Ich habe aber nicht allzu lange Zeit für Sie. Hier."
Sie reichte mir einen kleinen Korb der mit Besteck und Tellern gefüllt war:,, Gehen Sie zu Mrs Mischingen und helfen sie ihr die Tische zu decken."
Völlig perplex nahm ich den Korb entgegen. Die ältere Frau sah mich streng an und meinte:,, Auf was warten Sie denn noch? Wir haben keine Zeit zu verlieren."
Und so tat ich was man mir gesagt hatte. Mrs Mischingen fand ich recht schnell. Sie war eine Frau um die 50 Jahre, war für ihr Alter aber noch sehr modern angezogen. Sie nahm mich sofort unter ihre Fittiche und zeigte mir im Schnelldurchlauf alles. Daraufhin war ich erst einmal eine halbe Stunde damit beschäftig die restlichen Tische zu decken und danach half ich einem etwas jüngeren Mädchen bei der Dekoration. Durch sie erfuhr ich dann auch, dass die ganzen Gäste sich zuerst im Blauen Saal versammelten und dann erst in den Garten zum Dinner geführt wurden. Der Prinz und der König würden als Letzte eintreffen.
Als alles vorbereitet war, wurden wir alle ins Innere des Palastes gescheucht. Unsere Aufgabe bestand den restlichen Abend nur noch darin, zu servieren und bedienen. Nun hieß es warten, bis sich die ganzen Adligen im Garten eingefunden hatten und wir losgeschickt werden konnten. Und so verlief dann auch die nächste Stunde. Ich eilte von der Küche in den Garten, nahm Bestellungen und Wünsche auf und rannte dann wieder zurück in die Küche. Und dann das selbe wieder von vorne.
Ich hielt mich gar nicht so schlecht, wenn man dem jüngeren Mädchen, welchem ich geholfen hatte zu dekorieren, welches übrigens Maria hieß, Glauben schenken konnte. Ich war erstaunt was für unterschiedliche Menschen ich traf. Es gab die egoistischen Leute, die mich behandelten als wäre ich nur ein lästiges Insekt und dann gab es wiederum die, die mich als echten Menschen ansahen und mich nicht nur wie Luft behandelten.
Gerade nahm ich den Getränkewunsch einer sehr netten älteren Dame auf, als eine Glocke erklang. Ich nahm sie nur so am Rande war und hätte sie auch nicht weiters beachtet, wenn es nicht plötzlich mucksmäuschenstill gewesen wäre.