XII. Der Weg nach GolgathaZwanzig bis dreißig Sekunden vergingen. Veronika war allein. Die Stricke schnitten sie ins Fleisch. Das Eisengeländer des Balkons stieß an ihre Stirn. Der Knebel ließ sie fast ersticken. Die am Rücken festgebundenen Unterschenkel mußten die ganze Last ihres Körpers tragen. Es war ein furchtbares Martyrium. Sie litt, hatte aber doch kein deutliches Empfinden dieses Leidens. Ihre physische Qual kam ihr nicht zum Bewußtsein nach all der seelischen Pein, die sie erduldet hatte. Sie konnte keinen Gedanken mehr fassen. Sie wollte sterben und genoß bereits im voraus die Ruhe des Nichts, wie man bei einer stürmischen Seefahrt im voraus die Ruhe des Hafens genießt. Das Schicksal ihres Sohnes beschäftigte sie kaum. Sie hoffte auf ein Wunder. Alle Geräusche im Hause: das

