Ich blickte wütend und mit zusammengebissen Zähnen hoch zu dem Blonden vor mir, der mich wortwörtlich gerade nach draußen geschleppt hatte. ,,Mach das noch einmal und ich verliere mich!", drohte ich ihm beinahe flüsternd, aber bestimmend. Er seufzte und sah an mir vorbei. ,,Hör zu, du hast noch dein ganzes Leben vor dir. Du willst hier nicht arbeiten, du willst hier nicht hineingeraten und du willst nicht für Jayden arbeiten. Schlag dir das lieber aus dem Kopf, denn bei ihm hast du keine Chance. Er würde dich nie aufnehmen. Such dir lieber etwas anderes und zerstöre dir dein Leben nicht." Nun lächelte er mich aufmunternd an. ,,Ich weiß, was ich tue!", zischte ich verärgert und spuckte ihm schon fast ins Gesicht, bevor ich mich umdrehte und zu meinem Fahrrad lief. ,,Soll ich dich fahren?", fragte er nun leicht schmunzelnd und deutete auf mein Fahrrad hin. Macht er sich gerade etwa über mein treues Transportmittel lustig? Ich schenkte ihm ein vernichtenden Blick während ich mich auf den Sattel setzte. Wenn McAllen mich bald aufnimmt, werde ich mir auch ein Auto leisten können. Ich fuhr mit einer hohen Geschwindigkeit los und konzentrierte mich nur noch auf die unzähligen Gedanken in meinem Kopf. Vielleicht meinte dieser Adam es nur nett, aber ihn gehen meine Entscheidungen nichts an. Und außerdem wusste er doch rein gar nichts. Ich werde es aber nicht aufgeben. Spätestens wenn ich seinen Hintern rette, wird er mich aufnehmen. Ein Grinsen schlich sich über meine Lippen. Er wird mich nicht so schnell los werden und ich habe auch schon den Plan dazu. Jedoch spürte ich immer noch diese seltsame Kälte, die durch den Blick in diese unfassbar blauen Augen verursacht wurde. Ich konnte mich nicht entscheiden, ob sie pure Wut oder doch die endlose Leere ausstrahlten. Sie waren so unglaublich. So versunken in meiner Welt wie ich war, war ich auch schon vor der Haustür des gigantischen Wohnblocks. Theo würde mich jetzt sicherlich mit Fragen attackieren und was werde ich tun? Ich werde ihn anlügen müssen. Schon wieder. Ich weiß nicht, wie lange er noch leben wird und trotzdem lügte ich ihn an und missbilligte seine einzige Bitte. Mich von Jayden McAllen fernzuhalten. Doch ich tat dies doch nur, um ihm und mir ein besseres Leben verschaffen zu können. Wir hätten genug Geld für regelmäßige Arztbesuche und meine Mundwinkel sprangen ja schon fast in die Höhe, wenn ich daran denke vielleicht auch genug Geld für eine Chemotherapie zu haben. Mittlerweile öffnete ich schon die Haustür und rief nach Theo, während ich meine Schuhe auszog und in sein Zimmer lief. Er lag auf seinem Bett, stand aber langsam auf und fing an breit zu lächeln, als er mich sah. Ich erwiederte das Lächeln, umarmte ihn fest und setzte mich zu ihm. ,,Los erzähl!", forderte er neugierig und stupste mich leicht in die Seite. ,,Ich muss abwarten. Er wird mir bestimmt morgen berichten, ob er mich nun jetzt einstellt oder nicht." Ja, ich muss jetzt erst einmal hoffen, dass mein Plan morgen auch funktioniert. Er seufzte. ,,Was glaubst du? Wie wirkte er auf dich?", fragte er und ging sich einmal durch seine farblosen Haare. Er dachte anscheinend, dass die Chance eher sehr niedrig ist, aber er müsste doch wissen, dass ich es schaffen werde. ,,Ich bin mir sicher, dass er mich einstellt. Auch wenn er ziemlich merkwürdig wirkte." Den letzten Teil murmelte ich und hoffte, dass er es nicht verstanden hatte. ,,Wenn das nicht klappt Cassie, kannst du dir doch auch etwas anderes suchen, oder etwa nicht?", fragte er und sah mich stirnrunzelnd an. Er wusste, dass ich ihm zu viel verschwieg. Er fühlte es. Er fühlte den Kloß in meinem Hals und sah die Nervösität in meinen Augen. Ich schüttelte meinen Kopf und lächelte gekonnt gespielt, während ich die Schweißtropfen, die sich nun an meiner Stirn gebildet hatten, wegwischte. ,,Nein.. Ich möchte dort arbeiten. Und das werde ich auch. Der Chef wirkte zwar merkwürdig, aber auf einer guten und netten Art und Weise.", log ich nun wieder, um ihn von falschen Gedanken wegzutreiben. Dass ich nicht lache! Ich sprach nicht viel mit ihm heute, aber ich hatte genug gesehen und gehört. Er ist alles, aber ganz bestimmt nicht nett. Ich konnte diesen Kerl nicht leiden. Er dachte, dass er alles und jedem Angst einjagte. Und er dachte, dass er mit jedem das tun kann, was er möchte. Das alles konnte ich aus unserem überaus kurzen und unangenehmen Gespräch heute erschließen. Ich konnte ihn nicht leiden, aber trotzdem würde ich mein Leben riskieren, nur um für ihn arbeiten zu können. Mir war bewusst, dass ich viele Risiken eingehen würde. Mir war bewusst, dass ich auch alles verlieren könnte und in einer Zelle landen würde. Aber um diese Risiken kümmerte ich mich nicht, da ich es nicht anders durch Theo kenne. Natürlich ist die Chance erwischt zu werden viel höher, wenn ich für einer der bekanntesten Kriminellen New Yorks arbeiten würde, doch was man nicht alles für Geld tut.. Theo hatte es nur mit einfachen Tauschen zu tun, welche aber reichten, um nach so vielen Jahren endlich wieder einen Dach über dem Kopf zu kriegen. Es reichte, um uns genug Nahrung zu besorgen und auf Betten schlafen zu können. Es reichte, bis Theo alles aufgeben musste. Um Theo etwas Ruhe zu geben, verließ ich sein kleines Zimmer und legte mich auf mein Bett. Noch ein letztes Mal ging ich meinen brillianten Plan für morgen durch, bevor ich endgültig einschlief.