„Iris, was sollen wir denn jetzt machen? Ich breche die Schule ab und fange in einem Café an oder so“, sagte der siebzehnjährige Isaac Hansley.
„Ja, wir werden alle Geld verdienen. Wir werden dir nicht zur Last fallen“, ergänzte Isaacs Zwillingsbruder Ivan.
Iris, ihre ältere Schwester, seufzte schwer. „Bitte brich die Schule nicht ab. Das ist dein letztes Jahr. Keine Sorge, ich schaffe das schon.“ Sie zwang sich zu einem Lächeln, um die beiden zu trösten, obwohl sie keine Ahnung hatte, wie sie ihnen in dieser Situation helfen sollte. Der Tod ihrer Tante Claudia Bennett vor einer Woche hatte sie zutiefst erschüttert. Doch Iris war entschlossen, durchzuhalten. Mit zwanzig wusste sie nur zu gut, was es bedeutete, die Schule im letzten Jahr abbrechen zu müssen – sie selbst hatte vor vier Jahren aufgegeben, als ihre Mutter Lydia Hansley starb.
Die Tür öffnete sich, und Roselyn Ford betrat die bescheidene Einzimmerwohnung in Pico Union, Los Angeles – Iris’ Zuhause seit vier Jahren. „Hey, ratet mal! Ich habe gute Neuigkeiten!“
Isaac und Ivan stöhnten und verließen die Wohnung, sodass Iris und ihre beste Freundin allein zurückblieben.
Iris warf Roselyn einen Blick zu, teilte deren Begeisterung aber nicht. „Welche guten Neuigkeiten, Rose? Ich brauche dringend einen gut bezahlten Job, um die Ausbildung der Zwillinge zu finanzieren. Ich kann es mir nicht leisten, dass sie die Schule abbrechen. Mama wäre so enttäuscht von mir gewesen, wenn sie noch leben würde.“ Tränen brannten in ihren Augen, doch sie weigerte sich, sie herauszulassen.
Roselyn setzte sich neben sie auf das abgenutzte Sofa. „Es ist vielleicht nicht die Art von Arbeit, die du suchst, aber es ist ein gut bezahlter Job, Iris. Hast du schon mal von dem Eliteclub Escapades in Downtown LA gehört?“
Iris’ Augen weiteten sich vor Besorgnis. Niemals hätte sie sich vorstellen können, an einem so luxuriösen Ort zu arbeiten. Warum sollte ein exklusiver Laden wie dieser sie mit ihrem angeschlagenen Ruf einstellen? „Bitte, Rose, ich habe nicht die nötigen Qualifikationen. Mein Praktikum im Federal Café zählt in so einem Laden nicht.“
„Entspann dich, Iris. Sie expandieren und brauchen dringend Mitarbeiter. Ich weiß, es ist nicht dein Traumjob als Köchin, aber die Bezahlung ist ordentlich.“
Iris starrte ihre Freundin an. „Was genau ist die Stelle? Was muss ich tun?“ Sie wusste, wofür Escapades stand – ein elitärer Club für berüchtigte Milliardäre, die dort regelmäßig einkehrten, um sich zu amüsieren. Sie würde sich niemals für Geld so tief erniedrigen.
„Es ist nicht so, wie du denkst. Du wirst im Reinigungsteam arbeiten und für Sauberkeit sorgen. Niemand kennt dich und Tante Lydia dort. Also ganz ruhig!“
Iris dachte über den Vorschlag nach. Roselyn hatte Recht. Ihre Mutter hatte als Haushälterin in einem privaten Anwesen gearbeitet – umgeben von reichen, snobistischen Leuten, die ihr Unrecht getan und schließlich ihren Tod verursacht hatten. Wenn Iris doch nur das Geld hätte, die Familie zu verklagen, für die ihre Mutter gearbeitet hatte.
Wie hießen sie noch gleich? Laurier. Ja, Eric und Evangeline Laurier. Wie konnte sie sie nur vergessen?
„Gut. Ich fahre morgen früh hin.“
Am nächsten Morgen erreichte Iris die Flower Street und blickte auf den Clubkomplex auf der anderen Straßenseite. Selbst zu dieser späten Stunde herrschte dort reges Treiben: Luxusautos fuhren vor, Gäste gingen ein und aus. Kein Wunder, dass Personalmangel herrschte. Sie hatte keine Ahnung, wie sie dort einen Job bekommen sollte. Ihr Lebenslauf war alles andere als beeindruckend, und auch die nötige Berufserfahrung fehlte ihr.
Es war ein ferner Traum. Aber sie hatte keine andere Wahl, als die Herausforderung anzunehmen.
Sie nahm all ihren Mut zusammen, richtete ihren abgetragenen schwarzen Bleistiftrock und die hellblaue Bluse mit langen Ärmeln und betrat die Lobby. Sie war riesig, viel größer als erwartet, und ein prächtiges Arrangement exotischer violetter Blumen schmückte einen runden Mahagonitisch. Drei Rezeptionistinnen in schwarzen Anzügen standen links hinter den dunklen Schreibtischen.
Iris ging auf eine von ihnen zu. „Entschuldigen Sie, ich bin Iris Hansley. Nehmen Sie hier Bewerbungen für eine Haushälterin entgegen?“
Die Frau lächelte und deutete nach rechts. „Ja. Gehen Sie den Flur entlang zum Housekeeping-Büro. Das Vorstellungsgespräch beginnt.“
Iris bedankte sich und eilte los. Sie konnte ihr Glück kaum fassen. Es war zwar nicht ihr Traumjob, aber besser als nichts. Vielleicht würde sie ihr ganzes Leben lang das machen müssen. Ohne Schulabschluss konnte sie nie eine Ausbildung zur Köchin beginnen.
Im Housekeeping-Büro war die Schlange endlos, und sie wartete geduldig, bis sie an der Reihe war. Bei so vielen Bewerbungen würde es den ganzen Tag dauern. Sie warf einen Blick auf die anderen Bewerberinnen und dann auf sich selbst. Sie schien die Unscheinbarste zu sein – ein hässliches Entlein unter ihnen. Die anderen waren fast schon umwerfend gekleidet, da hatte sie kaum eine Chance.
Seltsamerweise kicherten die meisten Frauen, als sie aus dem Büro des Managers kamen. Iris kaute nervös auf ihrer Lippe. Wenn sie es nicht schafften, wie sollte es dann bei ihr klappen?
Die Frau neben ihr verdrehte die Augen. „Das ist die zwanzigste Absage heute! Ich dachte, die bräuchten dringend Personal.“
Die Frau gegenüber stimmte zu. „Suchen die etwa einen Manager oder was? Warum dauert das so lange?“
„Sie stellen ein exklusives Team zusammen, das den VIP-Bereich im Obergeschoss reinigt und betreut. Dazu gehört auch die Suite des Eigentümers.“
„Ich wünschte, sie würden mich nehmen. Ich bin schon ganz verknallt in ML.“ Die Frau zwinkerte Iris zu und stand auf, um hineinzugehen. „Drückt mir die Daumen!“ Niemand tat es.
Iris kaute nervös auf ihrer Lippe. Wer war ML? Jetzt war sie sich sicher, dass sie keine Chance hatte. Der VIP-Bereich brauchte bestimmt erfahrenes Personal, nicht so eine Anfängerin wie sie.
Die Tür des Managers öffnete sich, und die Frau trat heraus – blass und völlig aufgelöst. Sie konnte niemandem in die Augen sehen und verschwand eilig.
„Sie haben sie wohl nicht genommen. Sind Sie die Nächste?“, fragte die Frau neben Iris.
Die Assistentin des Managers geleitete sie in das elegante Büro mit einem riesigen Mahagonischreibtisch am anderen Ende. Ein Mann in einem dunkelblauen Anzug saß mit dem Rücken zur Tür. „Sir, Iris Hansley.“
Keine Antwort. War der Manager taub? Die Assistentin ging hinaus und schloss die Tür hinter ihr. Iris stand unbeholfen da und wartete darauf, dass der Mann sie interviewte.
„Was machen Sie hier, Ms. Hansley?“ Seine tiefe Baritonstimme jagte ihr einen Schauer über den Rücken. Dann drehte er sich zu ihr um, und ihr stockte der Atem. Sie starrte den durchtrainierten Mann vor sich an, gebannt von seinen olivgrünen Augen, die sie festhielten. Mit seinem wilden, leicht längeren, braunschwarzen Haar wirkte er gefährlich umwerfend.
„Ich bin wegen der Stelle als Haushälterin hier, Sir.“ Ihre Stimme zitterte, denn sie ahnte, was ihr bevorstand.
„Wir haben heute bereits fast dreißig Mitarbeiter eingestellt. Was können Sie denn sonst noch tun?“ Sein Blick bohrte sich in ihren, und sie stammelte nervös.
„Ähm … hier ist mein Lebenslauf, Sir. Ich habe nicht genügend Berufserfahrung, lerne aber schnell.“ Sie blickte auf und begegnete seinem intensiven Blick. Wie konnte jemand nur so unglaublich gut aussehen?
Er war eindeutig älter und zehnmal attraktiver als alle anderen Männer auf der Welt. Seine Kinnlinie war so scharf, dass Iris schwören konnte, man könnte darauf Zucchini rasieren. Und dann war da noch sein perfekt gestylter Bart, der eher nach Photoshop als echt aussah.
„Schnell gelernt, was?“, grinste er. Iris war zu naiv, um seine Andeutung zu verstehen. „Dann will ich dich, Iris Hansley.“
Ihre Augen weiteten sich vor Verwirrung. „Sie wollen mich, Sir? Aber Sie sagten, es gäbe keine freie Stelle im Reinigungsteam.“ Sie sah ihn verlegen an. Wollte er sie wegen des Jobs oder aus einem anderen Grund?
„Wann können Sie anfangen?“ Seine Augen funkelten, während ihre sich vor Besorgnis noch weiter weiteten.
„Womit anfangen, Sir?“, flüsterte sie, bereit, die Flucht zu ergreifen. Sie war sich nun sicher, dass der Manager von Escapades ein widerlicher Kerl war. Wusste der Besitzer das etwa nicht?
„Fangen Sie an, für mich zu arbeiten. Was denn sonst? Ich habe beschlossen, Sie einzustellen. Können Sie kochen, Wäsche waschen und putzen?“ Er erhob sich, und Iris schluckte angesichts der immensen Macht, die er ausstrahlte. Er hatte einen Körper wie aus dem Bilderbuch.
„Ja, das kann ich. Würden Sie mich hier in der Küche einstellen? Es war schon immer mein Traum, einmal Köchin zu werden.“ Sie konnte ihr Glück kaum fassen.
Er blieb direkt vor ihr stehen, seine Augen ruhten auf ihrem verwirrten Blick. „Nein, nicht hier. Ich möchte, dass du als meine persönliche Zofe arbeitest, Iris.“
Iris stand wie versteinert vor ihm, ihr Körper reagierte auf die Wärme, die von jeder Zelle seines Körpers ausging. Hatte er diese Stelle auch allen anderen angeboten? Waren sie deshalb gegangen? „Wie bitte? Warum sollte ich Ihre persönliche Zofe sein wollen?“
Er musterte sie eindringlich. „Weil ich Ihnen das Vierfache Ihres Gehalts hier zahlen werde.“
Ihre Kinnlade klappte herunter. „Ich möchte nicht, dass Sie Ihr ganzes Gehalt für mich verschwenden, Herr Manager.“ Sie hatte nicht erwartet, dass er ihr so viel bieten würde. Alles war so verdammt verwirrend. Was war nur mit dem Manager los? Warum führte er in seinem Betrieb ein Vorstellungsgespräch mit einer persönlichen Haushälterin?
Der Besitzer müsste es doch wissen. Aber wo war der Besitzer?
In diesem Moment öffnete sich die Tür, und ein aufgeregter junger Mann trat ein. „Es tut mir leid, dass ich Sie warten ließ, Sir. Ich habe die von Ihnen gewünschten Kandidatinnen ausgewählt.“
Mr. Gorgeous lächelte, und Iris’ Herz machte einen Sprung. „Nicht nötig, Terence. Ich habe sie eingestellt. Darf ich vorstellen: Iris Hansley, meine neue Haushälterin.“
Der Mann wirkte erleichtert. „Endlich! Ich hatte die Hoffnung schon fast aufgegeben, Sir.“ Er wandte sich Iris zu, die ihn mit großen Augen ansah. „Guten Tag, Ms. Hansley! Ich bin Terence Greene, der Leiter des Reinigungsteams hier.“
Iris war zu geschockt, um zu antworten. Wenn er der Leiter war, wer war dann ihr Interviewer? Für wen würde sie arbeiten?
„Das reicht, Terence. Lassen Sie Ms. Hansley den Vertrag unterschreiben und schicken Sie sie in meine Suite.“ Der Mann verließ das Büro, als gehöre es ihm.