Kapitel Eins

1155 Worte
Sofias Perspektive „Du bist nichts weiter als eine Spielfigur!“ Lucas verzog höhnisch den Mund, während ich in meinem Hochzeitskleid vor dem gesamten Snowflake-Rudel stand. „Diese Ehe war nur ein Geschäft, nicht mehr. Ich habe dich nie geliebt.“ Er sprach den Satz aus wie einen endgültigen Schlag. Mein Blick wanderte sofort umher; in allen Gesichtern spiegelte sich die gleiche Verwirrung wie in meinem eigenen. Als ich ihn wieder ansah, erkannte ich den Mann vor mir nicht mehr. Er sollte mein Verlobter sein, die Liebe meines Lebens, doch in seinen Augen lag nun eine Kälte, die ich nicht begreifen konnte. „Was soll das? Heute ist unser Hochzeitstag, und du solltest keine so absurden Scherze machen – das ist nicht lustig.“ Meine Augen füllten sich mit Tränen. „Sehe ich so aus, als würde ich scherzen? Ich meine es todernst!“ Seine Stimme war kalt und abweisend. „Was?“ Ich konnte meine Tränen nicht mehr zurückhalten und ließ sie frei fließen. Das durfte nicht an meinem Hochzeitstag passieren. Was war nur aus dem fürsorglichen und liebevollen Gefährten geworden, den ich kannte? Wo war der Mann, der mich vor allen zur Schau stellte, stolz auf mich war und mich nicht aus den Augen ließ – sogar noch vor ein paar Stunden? --- Mit einem breiten Lächeln griff ich nach der Halskette, die mir Lucas vor ein paar Tagen als Hochzeitsgeschenk gegeben hatte. Er hatte gesagt, mein Gesicht sei ihm sofort in den Sinn gekommen, als er die Kette gesehen hatte, und er hätte sie um jeden Preis für mich besorgt. „Du siehst umwerfend aus!“ schwärmte Evelyn. Sie war an diesem Tag meine Trauzeugin, Stylistin und Make-up-Artistin in einer Person. Vor lauter Aufregung lief sie hin und her. Als ich mich im Spiegel sah, konnte ich ihr nur zustimmen. „Natürlich kann ich nicht schlecht aussehen, wenn mich eine Fashionista stylt!“ Ich zwinkerte ihr zu. „Ich glaube, der Alpha ist da!“ flüsterte Evelyn, als die Türklingel läutete. Sie warf einen schnellen Blick durch den Spion und eilte dann zurück zu mir. „Schnell, zieh dich um! Er darf dich nicht im Hochzeitskleid sehen – das bringt Unglück.“ Sie geriet in Panik. „Ach komm, du glaubst doch nicht an so einen Unsinn, Evelyn. Das ist doch nur, um das Paar vor der Hochzeit voneinander fernzuhalten.“ Ich verdrehte die Augen. Sie sah mich erst verlegen an, dann streng. „Du weißt, wie abergläubisch ich bin, und solange ich hier mithelfe, muss alles reibungslos laufen. Also raus aus dem Kleid, und ich verstecke es im Schrank, bevor er reinkommt. Dein Make-up kann er ruhig sehen.“ „Keine Chance“, entgegnete ich. „Du strapazierst meine Geduld, Liebes – und glaub mir, du willst nicht wissen, was passiert, wenn du dich nicht sofort umziehst!“ drohte sie mit gefährlicher Stimme. Da klingelte es erneut, und die Tür öffnete sich. Lucas steckte den Kopf herein. „Wie geht es dir, mon chérie?“ fragte er mit einem Lächeln. „Gut“, erwiderte ich, und schon sein Anblick brachte mein Herz zum Leuchten. Die Vorstellung, dass wir in ein paar Stunden unser Leben miteinander teilen würden, machte mich noch glücklicher. Evelyns Schmollmund verriet mir, dass sie verärgert war, weil ich ihr nicht gefolgt war. „Ich bin so aufgeregt, dass ich etwas Zeit mit der Liebe meines Lebens verbringen kann. Nichts ist erfüllender als das“, flüsterte ich, als er hereinkam und meinen Hals küsste. „Hallo, Evelyn“, begrüßte er sie, woraufhin sie sich verbeugte, eine Ausrede murmelte und den Raum verließ. In meinem Leben hatte ich viel erlebt, aber nichts kam an Lucas’ Liebe heran. Sie war beständig, stark und unerschütterlich. Oft fragte ich mich, womit ich so viel Glück verdient hatte. Er sah mir in die Augen, beugte sich vor und küsste mich. Wie immer flatterten Schmetterlinge in meinem Bauch, und ich konnte die Freude kaum zurückhalten. „Du siehst umwerfend aus. Kann ich dich nicht gleich zum Altar führen?“ scherzte er und warf sich aufs Bett. Ich schob seine Beine weg, um meine Schminksachen zu schützen. „Hab etwas Geduld. Es ist ja nicht so, dass du mich noch nie in einem schönen Outfit gesehen hast.“ Er musterte mich von oben bis unten, seine Augen voller Bewunderung, und zog mich dann in seine Arme, um mich erneut zu küssen. „Das ist etwas anderes. Du bist atemberaubend. Was wäre, wenn wir die Hochzeit sausen lassen und direkt in die Flitterwochen fahren?“ witzelte er. „Nein.“ „Okay...“ Er zog eine kleine Schachtel aus seiner Tasche, öffnete sie und kniete sich erneut vor mich. „Was machst du da?“ fragte ich vorsichtig. „Das ist mein Versprechen an dich“, sagte er mit einem besonderen Lächeln, das nur mir galt. Mein Herz füllte sich mit Glück, und ich sprang in seine Arme. „Vorsicht, wir wollen doch keine Falten in deinem Kleid“, lachte er. Ich hielt ihn so fest, dass ich ihn nicht mehr loslassen wollte, bis er über meine Schulter lachte. „Heute vollenden wir den Paarungsprozess und werden für immer eins“, versprach er. --- Ein Klopfen auf meiner Schulter riss mich zurück in die Gegenwart. Ich versuchte, seinem Blick standzuhalten, doch er wich mir aus. Allein seine Nähe schien ihn zu frustrieren. „Können wir jetzt alle entlassen?“ fragte er. „W–was meinst du? Habe ich etwas getan, womit ich dich verärgert habe?“ fragte ich mit zitternder Stimme. „Sprich mit mir. Sag mir, was ich falsch gemacht habe, und wir werden es beheben. Wir...“ – „Wir können das nicht beheben“, unterbrach er mich. „Das ist nichts, was wir reparieren sollten, und komm mir nicht mit diesem mitleiderregenden Blick!“ Der zuvor stille Saal füllte sich mit Flüstern. Die Leute redeten in kleinen Gruppen und zeigten mit den Fingern auf mich. „Mein Herz gehört einer anderen. Ich will bei einer Frau sein, die schwanger von mir ist – sie wird mir einen Erben schenken“, sagte Lucas und sah mir zum ersten Mal seit dem Gang zum Altar in die Augen. Wie ein endloser Fluss wollten meine Tränen nicht versiegen. Ich war ein einziges Wrack. „W–was?“ stammelte ich. Evelyn deutete hinter mich, und wie auf Kommando hallten Schritte auf dem Boden wider. Ich drehte mich um – und da war mein Brautstrauß, den ich die ganze Zeit gesucht hatte, in den Händen einer hochschwangeren Frau: Vivian. Der Schmerz brannte in meiner Brust, drohte mich zu zerreißen. Ich drehte mich zu dem Mann, den ich für die Liebe meines Lebens gehalten hatte, und flüsterte mit letzter Kraft: „Willst du mich vor all diesen Leuten ablehnen, statt ein Gelübde abzulegen?“ Das Flüstern im Raum verstummte. Die Welt schien stillzustehen, während alle auf Lucas’ Antwort warteten.
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