KAPITEL 2

1009 Worte
Ich starrte in die hasserfüllten Augen meiner Mutter, die mich anfunkelten, während ich mein Handgelenk hielt, das immer noch in der Kühlschranktür eingeklemmt war. „Bist du so verdammt dumm?“, schrie Evelyn. „Ich wollte nur einen Apfel“, sagte ich durch zusammengebissene Zähne. „Du kennst die Regeln. Du lebst hier, das war’s aber auch. Wir unterstützen dich nicht. Wenn du Essen willst, such dir einen verdammten Job. Wenn du Klamotten willst, such dir einen verdammten Job. Komm nicht zu uns wegen irgendwas. So schwer ist das doch nicht“, brüllte sie. Endlich gelang es mir, meine Hand aus der Kühlschranktür zu ziehen, und ich ging Richtung Tür. „Natürlich nicht, Evelyn. Ich würde ja nicht wollen, dass ich dir auch nur irgendwas schulde“, schrie ich zurück, bevor ich die Haustür hinter mir zuschlug. Ich ging die vorderen Treppen hinunter und steuerte direkt in den Wald, um den Abkürzungsweg zur Schule zu nehmen. Es dauerte immer noch eine halbe Stunde, bis ich dort ankam, aber zuerst musste ich durch dieses winzige Kaff, in dem alle Geschäfte an der Hauptstraße lagen und es keine richtigen Wohnviertel gab. Es gab hier so viel Land, dass die Häuser alle ziemlich weit auseinander standen, aber sie konnten sich trotzdem gegenseitig sehen. Sie hatten einfach riesige Gärten. Als ich an der Schule ankam, blieb ich einen Moment lang stehen und betrachtete das winzige Gebäude. Ich holte tief Luft, bevor ich hineinging. Ich ging direkt ins Sekretariat, wo ich meinen Stundenplan und alle Infos zu den außerschulischen Aktivitäten und ähnlichem bekam. Ich war nie wirklich jemand, der Clubs beitrat, also würde das definitiv nicht passieren. Aber ich schätze, sie müssen das jedem neuen Schüler geben. Als ich meinen Spind suchte, bemerkte ich, dass alle mich anstarrten. Ich schätze, sie bekommen hier nicht allzu viele neue Schüler? Warum sollten sie auch? Nicht in einer so kleinen Stadt. Ich begann, meine Sachen in den Spind zu räumen und sortierte die Bücher, die ich für den Vormittag brauchen würde. Plötzlich sah ich ein Mädchen den Flur entlanglaufen, gefolgt von einer ganzen Gruppe anderer Mädchen. Sie liefen nicht neben ihr, sondern direkt hinter ihr. Das Mädchen an der Spitze blieb stehen, sah mich kurz an und kam dann auf mich zu. Ich verdrehte die Augen, sah zurück zu meinen Büchern und machte weiter. „Du musst das neue Mädchen sein“, sagte sie. „Scheint so“, sagte ich, ohne sie anzusehen. „Ich bin Izzy“, sagte sie. „Nova“, erwiderte ich. „Also Nova, es ist wirklich toll, dich hier zu haben. Ich kann mir vorstellen, dass es nicht einfach ist, das neue Mädchen in so einer kleinen Schule zu sein“, sagte sie. Also sah ich sie schließlich an und erkannte, dass der Ausdruck auf ihrem Gesicht so falsch war wie alles andere an ihr. „Es geht schon“, sagte ich. „Hast du schon Freunde gefunden? Jemanden, der dir hier alles zeigt?“, fragte sie. „Alles zeigen?“, fragte ich. „Ja, du weißt schon, das ganze Schülerpolitikkram, wenn man es so nennen will“, sagte sie. „Ne, noch nichts in der Art“, sagte ich. „Na ja, ich würde das wirklich gerne für dich übernehmen“, sagte sie. Als ich schließlich alle Bücher hatte, die ich brauchte, knallte ich den Spind zu. „Ich denke, ich werde schon klarkommen“, sagte ich. Aber sie schaute sich an, wie ich den Spind zugeschlagen hatte und wie ich mich ihr jetzt komplett zuwandte. Sie sah gar nicht beeindruckt aus. „Gut, dann sage ich dir nur eins: Das hier ist meine verdammte Schule. Wenn du hier irgendetwas machen willst, frag gar nicht erst die Lehrer. Du fragst mich um Erlaubnis“, sagte sie und lehnte sich dabei an den Spind neben meinem, während sie mir so nahe wie möglich kam. „Oder du kannst dich einfach verpissen. Ich frage niemanden um Erlaubnis, und ganz sicher nicht dich. Also, verpiss dich und bleib mir gefälligst vom Leib“, sagte ich und drehte mich um, um zu meiner ersten Stunde zu gehen. Ich weiß, an jeder Schule gibt es so jemanden, glaub mir, ich weiß es. Ich war schon auf genug Schulen, um das zu wissen. Aber wenn sie denken, dass ich mich vor einer Möchtegern-Queen-Bee beuge, können sie sich verpissen. Ich verbeuge mich vor niemandem. Als ich in meinen Klassenraum kam, setzte ich mich an einen Tisch ganz hinten im Raum. Es dauerte nicht lange, bis Izzy und ihre Freundinnen hereinkamen. Es ist eine kleine Schule. Es überraschte mich nicht, sie in der gleichen Klasse zu sehen. Aber als sie mich dort sitzen sah, funkelte sie mich böse an und ging mit ihren Freundinnen zu einer Gruppe Schüler, die an den Fenstern saßen. Ich sah, wie sie flüsterten und dann lachten, bevor sie wieder zu mir schauten. So ein verdammtes Kinderspiel. Ich schüttelte nur den Kopf, öffnete mein Notizbuch und begann, auf der ersten Seite zu kritzeln, während ich auf den Lehrer wartete. Sie dachten wohl, sie würden mich damit ärgern, aber sie wussten offensichtlich nicht, was mir an anderen Schulen alles angetan wurde. Von Leuten, die meine Eltern tatsächlich kennengelernt hatten. Was sie taten, war nichts dagegen. Ich fand es lächerlich, dass sie sich immer noch wie kleine Kinder aufführten und dachten, dass mich das wirklich kümmern würde. Doch während ich da saß und in mein Notizbuch zeichnete, spürte ich plötzlich eine Präsenz, die in den Klassenraum trat. Ich blickte auf und sah drei Brüder mit braunen Haaren, glatt rasiert und wirklich groß, mit beeindruckenden Muskeln, die in der Tür standen. Izzy hörte auf, mit ihren Freundinnen zu reden, und rannte zu einem der Drillinge, umarmte ihn kurz und er erwiderte die Umarmung. Doch es war nur ein flüchtiger Moment. Der Drilling schob sie weg, und alle drei drehten sich gleichzeitig zu mir um, fast wie Maschinen. Ihre Blicke blieben an mir haften, und sie hörten nicht auf, mich anzustarren.
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