Ruhige Schritte nähern sich dem Ausgang des Terminals. Ruhig lässt sie ihren Blick über die Empfangshalle gleiten und ihre schwarzen Augen bleiben an einem Schild hängen. Auf dem Schild steht ihr Name. Sie nimmt ihr Handy und schreibt eine Textnachricht an den Minister Wu. „Minister Wu, haben sie jemanden zum Flughafen geschickt, der mich abholen soll?“ Fast umgehend bekommt sie eine Antwort, liest sie und steckt dann ihr Handy weg. Mit ruhigen Schritten, einen Rucksack auf dem Rücken, geht sie auf den Mann zu und sieht hoch, „Hallo, Minister Wu sagt sie sind hier um mich abzuholen?“ All dies sagt sie in perfektem Mandarin. Der Mann sieht auf sie herunter und nickt, er kratzt sich am Kopf und erwidert, „Minister Wu hat gesagt ich soll eine außergewöhnliche Persönlichkeit abholen. Das kannst doch nicht du sein? Du bist ein Kind.“ Das Mädchen legt den Kopf etwas seitlich und antwortet ohne eine Regung im Gesicht, „Das bin ich.“ Der Mann lacht und macht eine Armbewegung, um sie an die Seite zu schieben. „Geh weg. Keine Scherze.“ Das Mädchen holt ruhig das Handy heraus und wählt diesmal die Telefonnummer von Minister Wu. Sie hält das Handy ans Ohr und sagt kalt, „Minister Wu – bitte schicken sie mir die Adresse. Ich werde ein Taxi nehmen. Die von ihnen gesendete Person ist nicht überzeugt, dass ich bin wer ich bin. Vielen Dank“ Damit legt sie auf und geht an dem Mann vorbei. Das Handy des Mannes klingelt und sofort geht er ran. Das Mädchen kann einen wütenden Schwall von Worten entnehmen, dass Minister Wu nicht glücklich ist. Aber das hat nichts mit ihr zu tun. Langsam geht sie zum Ausgang. Auf dem Weg dorthin sieht sie wie eine alte Frau plötzlich zusammenbricht. Die Menschen bilden sofort einen Kreis und das Mädchen nutzt die Gelegenheit und schlüpft durch die Beine der Schaulustigen. Sie kniet neben der alten Frau und nutzt die Gelegenheit den Puls der alten Frau zu fühlen. Ein Mann versucht sie wegzuzerren und ruft, „Mädchen, das ist hier kein Kindergarten.“ Das Mädchen greift in ihren Rucksack und holt etwas heraus. Sie hebt es hoch und alle können deutlich einen Ausweis sehen…die Berechtigung als wandernder Doktor Patienten zu behandeln. Der Ausweis ist etwas, was der Minister ihr vor ihrer Reise zukommen ließ. Dieser Ausweis berechtigt sie überall in China Menschen zu behandeln. Die Menschen um sie herum sind erstaunt. Und plötzlich legt sich Schweigen über die Menge. Das Mädchen kümmert sich nicht um die anderen. Schnell holt sie einen kleinen Kasten aus dem Rucksack und entnimmt diesem einige Nadeln. Sie desinfiziert die Nadeln und beginnt schnell und effizient die alte Patientin zu behandeln. Als sie die letzte Nadel aus der Patientin zieht, runzelt die alte Frau die Stirn und kurz darauf schlägt die Frau die Augen auf. Sie stöhnt leise und will versuchen sich aufzusetzen. Das Mädchen drückt sie aber wieder in die liegende Position und sagt mit klarer, kalten Stimme, „Sie hatten einen kleinen Schlaganfall. Bitte nehmen sie dieses Medikament, dann wird es ihnen bessergehen.“ Das Mädchen wendet den Kopf und ihr Blick wirft auf den Mann, der vorher versucht hatte sie an der Behandlung zu hindern, „Bitte rufen sie einen Krankenwagen. Es ist dennoch gut, wenn die Dame sich noch einmal von einem Mediziner ihrer Wahl untersuchen lässt.“ Das Mädchen holt eine kleine Porzellanflasche aus dem Rucksack. Sie öffnet den Verschluss und schüttelt die Flasche ein bisschen. Eine Tablette rutscht aus der Flasche und das Mädchen reicht der alte Frau die Tablette. Die Frau nickt, nimmt die Tablette und fühlt sich sofort besser. Sie macht große Augen und fragt, „Mädchen, was ist das für eine Tablette? Ich fühle mich so viel besser.“ Die alte Frau richtet sich auf und bald steht sie und sagt zu dem Mann, „Bitte, rufen sie keinen Krankenwagen. Ich habe einen persönlichen Arzt. Den werde ich anrufen.“ Der Mann nickt. Der Blick der Frau fällt auf das Mädchen und sie sagt, „Vielen Dank kleiner Arzt.“ Das Mädchen räumt alles wieder in den Rucksack, nickt und sagt, „Ich verabschiede mich. Nachdem sie meine Tablette genommen haben, sollte ihr Herzproblem geheilt sein.“ Das Mädchen verbeugt sich kurz, dann wendet es sich um und macht sich auf den Weg nach draußen, um dort ein Taxi zu suchen. Die alte Frau ruft ihr hinterher, „Halt! Warte, ich kenne deinen Namen nicht…“ Aber das Mädchen reagiert nicht. Mit einem geraden aufrechten Rücken geht sie nach draußen.“ Als sie durch die Tür geht, sieht sie einen Pulk an Leuten auf sich zu rennen. Ohne weiter darüber nachzudenken, geht sie dennoch weiter und passiert diese Leute bevor sie die Tür erreichen und stellt sich dann an die Seite. Ohne sich weiter darum zu kümmern, steigt sie in das erste Taxi und nennt dem Fahrer eine Adresse. Kurz darauf verlassen sie den Flughafen und das Taxi fährt in die Stadt. Das Mädchen betrachtet die Gegend sie denkt, „Wie schön, jetzt bin ich hier und kann anfangen herauszufinden wo meine Wurzeln herkommen.“ Ihrem Gesicht kann man allerdings keine Regung entnehmen. Es dauert doch eine ganze Zeit, bis sie bei der Adresse ankommen. Das Mädchen steigt aus, zahlt und gibt ein großzügiges Trinkgeld. Dann dreht sie sich zum Eingangstor um und betätigt die Klingel. Es dauert eine Weile – aber dann hört es Kies knirschen und kurz darauf öffnet sich das Tor. Ein alter Mann steht da, gekleidet mit einem Anzug und sieht von oben auf das Mädchen herunter. Das Mädchen zeigt keine Regung, stattdessen reicht es dem Mann eine Einladungskarte. Diese hatte es vom Minister erhalten und sollte diese Karte vorzeigen, wenn sie ankommt. Der Mann wirft einen Blick auf die Karte, dann auf das Mädchen und zieht die Augenbraue hoch. Er sagt, „Bitte warten sie hier.“ Das Mädchen nickt und er schließt die Tür wieder. Allerdings hat sie deutlich mitbekommen, wie der Mann seinen Blick über sie hat gleiten lassen. Um nicht aufzufallen hatte das Mädchen das übliche angezogen. Eine schwarze Jeans und ein schwarzes Shirt. Beides hatte sie zwar speziell für sich anfertigen lassen, aber das wusste ja keiner. Sie ist immerhin gerade erst hier angekommen und auch wenn sie schon 14 Jahre alt war – vom Aussehen her konnte sie sehr gut für 10 oder 12 durchgehen. Sie war so dünn, dass jede Rippe deutlich zu sehen war und das hatte zweierlei Gründe.