Kapitel 6

1122 Worte
GIOVANNIS PERSPEKTIVE Am nächsten Morgen öffnete ich die Augen und fand Gray noch immer neben mir, seinen Arm um meine Taille gelegt, als hätte er nicht die Absicht, mich loszulassen. Mein Brustkorb schnürte sich bei diesem Anblick zusamme – er war die ganze Nacht bei mir geblieben. Keine einzige Sekunde hatte er mich verlassen. Trotz meines gestrigen Widerstands und meiner Angst vor allem, was er verkörperte, war er geblieben. Er war durch meine Furcht, durch meine Mauern hindurch bei mir… und jetzt hielt er mich, als ob ich wirklich von Bedeutung wäre. Allein dieser Gedanke schnürte mir die Kehle zu. Gerade wollte ich aus dem Bett schlüpfen, da zog er mich sanft zurück. „Bist du fertig damit, mich anzustarren?“ murmelte er, seine Stimme tief und neckend. „Kannst du das nicht noch ein bisschen länger tun?“ Meine Augen weiteten sich – er war also die ganze Zeit wach gewesen und hatte es zugelassen, dass ich ihn in Stille bewunderte. Hitze schoss mir ins Gesicht, und ich wandte mich hastig ab, beschämt. Er küsste sanft meine Stirn. „Hast du gut geschlafen?“ Ich zögerte einen Moment und nickte dann. Niemand hatte mich je so einfach und dennoch so fürsorglich etwas gefragt. „Ich sollte mich waschen“,flüsterte ich, unfähig, die Schwere des Moments auszuhalten. Er lachte leise und zog seinen Arm fester um mich. „Willst du jetzt schon vor mir fliehen?“ „Ich fliehe nicht“, log ich mit leiser Stimme. „Ich brauche nur ein Bad.“ Schließlich ließ er mich los, ein wissendes Lächeln auf den Lippen. „Heute habe ich ein Dinner mit einigen Geschäftspartnern“, sagte er. „Komm mit.“ Ich erstarrte. „Ist das nicht… ein wenig zu früh?“ fragte ich vorsichtig. „Schon deine Leute zu treffen?“ „Ich werde dich bald heiraten“, erwiderte er ohne Zögern. „Warum sollte ich warten, dich zu zeigen?“ Seine Entschlossenheit überrumpelte mich. Warum jetzt? Warum machte er plötzlich alles so neu, so anders? „Du hast gerade erst deine Verlobung gelöst, und ich habe mich gerade scheiden lassen“, sagte ich vorsichtig. „Alles so zu überstürzen… fühlt sich das für dich nicht seltsam an?“ Er erhob sich vom Bett, kam näher und sah mir direkt in die Augen. „Ich verstehe, was du meinst“,sagte er ruhig, aber bestimmt. „Aber ich kann dich nicht hierlassen, während mein Vater draußen ist. Ich hätte keine einzige ruhige Minute.“ Ich wollte widersprechen, doch das Gewicht seiner Worte drang tief in mich ein. Er drängte nicht nur – er hatte Angst um mich. „Mir wird es gut gehen“, flüsterte ich, auch wenn ich selbst nicht daran glaubte. Er musterte mich einen Moment lang, dann nickte er langsam. „Na gut.“ Ein schwaches Lächeln milderte den Ernst in seinem Blick. --- Wir saßen gerade beim Frühstück, als Mitchell hereinkam. „Mitchell“, rief ich überrascht. Wie konnte ich nur vergessen haben, heute Morgen nach ihr zu fragen, nachdem sie gestern ihr Leben riskiert hatte, um mich zu schützen? „Guten Morgen, Frau Giovanni. Guten Morgen, Herr Blackwood“,grüßte sie mit einer leichten Verbeugung. Ich antwortete, doch Gray schwieg. Verwundert sah ich ihn an. „Es tut mir leid, Sir. Ich konnte sie nicht beschützen. Ich wurde niedergeschlagen“,entschuldigte sie sich. „Schon gut“,sagte er knapp, als würde ihm das Wort auf der Zunge brennen. Sie nickte und wandte sich dann zu mir. „Frau Giovanni, das Telefon, das Sie gesucht haben – es wurde im Auto gefunden.“ Sie reichte es mir. Meine Augen leuchteten auf. Endlich – mein Handy. So vieles war darauf gespeichert: Notizen, Kontakte… und meine Songaufnahmen. „Vielen Dank, Mitchell. Ich liebe dich“, sagte ich fast atemlos. Als ich es entsperrte, sah ich Dutzende verpasste Anrufe und Nachrichten – vor allem von meiner Mutter. „Ich muss sofort zu meiner Mutter. Sie macht sich bestimmt Sorgen“, sagte ich und scrollte durch die Nachrichten. „Ich komme mit“, bot er an. Ich schüttelte sofort den Kopf. „Nein, das musst du nicht. Es reicht, wenn ich allein gehe. Dich meiner Mutter so früh vorzustellen… klingt irgendwie falsch. Ich habe mich doch erst vor ein paar Tagen scheiden lassen.“ „In Ordnung“, sagte er, doch seine Augen sprachen eine andere Sprache. „Aber geh mit genügend Männern.“ „Mir wird nichts passieren. Ich gehe nur zu meiner Mama“, erwiderte ich mit einem schwachen Lächeln. „Allein darfst du nicht. Ich vertraue zu vielen Menschen nicht – besonders nicht meinem Vater. Nimm meine Männer mit“, befahl er und wandte sich an Mitchell. „Wenn etwas passiert und du mich nicht sofort informierst, wirst du große Probleme bekommen.“ Seine Stimme war scharf und kalt. Warum war er mir gegenüber so beschützend… aber gegenüber allen anderen so abweisend? „Verstanden, Sir“, antwortete Mitchell leise. --- Als wir beim Haus ankamen, verteilten sich die Männer sofort. Einer eilte vor und öffnete mir die Tür. Ich wollte ablehnen – doch ich wusste, Gray würde es nicht gutheißen. Also ließ ich sie ihre Arbeit tun. Ich trat ein, Mitchell ging dicht neben mir her. Drinnen sah ich meine Mutter, wie sie Zeitung las, während Eric auf sein Handy starrte. „Giovanni“, rief meine Mutter sofort, als sie mich sah. Ich erkannte die Sorge in ihrem Gesicht – wahrscheinlich wegen all der unbeantworteten Nachrichten. Auch Eric erhob sich, als sich unsere Blicke trafen. Ich ging auf meine Mutter zu, erwartete eine Umarmung. Doch anstatt mich zu umarmen… schlug sie mir ins Gesicht. Der Schmerz brannte sofort auf meiner Wange, und ich hielt sie fassungslos fest. Mein Brustkorb zog sich zusammen. Ich verstand nicht, womit ich das verdient hatte. „Also hast du die Scheidung verlangt, weil du schon jemand anderen hast?“ sagte sie hastig und scharf. „Und nicht nur das – er ist ins Haus eingedrungen, hat Mark verprügelt und ihn verschleppt! Eric hat mir alles erzählt. Du hast die Scheidung unterschrieben, gut – aber musstest du wirklich so weit gehen?“ Ich sah zu Eric. Der Hass in seinen Augen schnitt tief. „Warum sollte ich Mark mitnehmen?“ fragte ich, meine Stimme bebte. „Ich wusste nicht einmal—“ Doch sie packte meine Kleidung, wütend. Mitchell bewegte sich, bereit, mich zu verteidigen, aber ich hielt sie zurück. Es war immer noch meine Mutter. Dann wandte sie sich an Mitchell. „Mitchell“, sagte sie kalt. Ich erstarrte. Woher kannte sie ihren Namen? Dann schnellte ihr Blick zurück zu mir. „Ist es Gray Blackwood?“
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