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Sara
Tränen aus Panik und bitterer Frustration laufen über mein Gesicht, als die Räder des Jets von der Landebahn abheben und die Lichter des kleinen Flughafens in der tiefschwarzen Dunkelheit verblassen. In einiger Entfernung sehe ich das Lichtermeer Chicagos und seiner Vororte, aber nach kurzer Zeit verschwinden auch diese und lassen mich mit dem vernichtenden Wissen zurück, dass mein altes Leben verschwunden ist.
Ich habe meine Familie, meine Freunde, meine Karriere und meine Freiheit verloren.
Mein Magen ist vor Übelkeit ganz aufgewühlt, während Scherben meine Schläfen durchbohren, und meine Kopfschmerzen werden durch das verschlimmert, was Peter mir gespritzt hat, um mich zu betäuben. Am schlimmsten ist aber das erdrückende Gefühl in meiner Brust, das schreckliche Gefühl, dass ich nicht genug Luft bekommen kann. Ich atme tief ein, um dagegen anzukämpfen, aber es wird nur schlimmer. Die Decke ist wie eine Zwangsjacke, die meine Arme an meine Seiten fesselt, wodurch ich nicht genug Luft in meine Lungen bekommen kann.
Mein Peiniger hat seine Drohung wahrgemacht.
Er hat mich entführt, und vielleicht sehe ich mein Zuhause nie wieder.
Er ist jetzt nicht neben mir – sobald wir abgehoben waren, ist er aufgestanden und im hinteren Teil der Passagierkabine verschwunden, wo zwei seiner Männer sitzen – und ich bin froh. Ich kann es nicht ertragen, ihn anzuschauen, zu wissen, dass ich dumm genug war, um ihn zu warnen, als er alles schon wusste.
Als er diese Spritze bereitliegen hatte und mit mir spielte.
Wie konnte er es wissen? Gab es Kameras und Abhörgeräte in der Umkleidekabine des Krankenhauses, in der Karen mit mir gesprochen hat? Oder haben die Männer, die Peter darauf angesetzt hatte, mir zu folgen, meine FBI-Beschattung bemerkt und ihm davon erzählt? Oder vielleicht hat er Verbindungen zum FBI, genau wie der eine Kontakt von ihm Verbindungen zum CIA hatte? Ist das möglich oder gehe ich zu weit? Jetzt ist das sowieso egal; der Punkt ist, dass er es wusste.
Er wusste es, aber er hat so getan, als wisse er es nicht und mit meinen Gefühlen gespielt, während er darauf gewartet hat, dass ich zerbreche.
Gott, wie konnte ich nur so doof sein? Wie konnte ich ihn warnen, obwohl ich wusste, dass so etwas passieren könnte? Wie konnte ich nach Hause gehen, wenn ich vermutet habe – nein, wenn ich wusste –, was mein Stalker wahrscheinlich tun würde, wenn er von der bevorstehenden Gefahr erfahren würde? Ich hätte Karen alles erzählen sollen, als ich die Chance dazu hatte, hätte sie die Beamten zu mir nach Hause senden lassen sollen, während das FBI mich in Schutzhaft genommen hätte. Ja, Peter hätte immer noch entkommen können, aber er hätte mich nicht mit sich genommen – nicht jetzt zumindest. Ich hätte mehr Zeit zum Planen gehabt, hätte den besten Weg finden können, wie meine Eltern und ich in Sicherheit bleiben könnten. Er wäre höchstwahrscheinlich für mich zurückgekommen, aber es bestand zumindest die Möglichkeit, dass das FBI uns beschützt hätte.
Stattdessen tappe ich direkt in Peters Falle. Ich bin nach Hause gegangen und habe mich anlügen lassen. Ich habe mir von ihm vorspielen lassen, dass es in ihm etwas Menschliches gibt – etwas Gutes. »Ich liebe dich«, hat er gesagt, und ich bin darauf hereingefallen, habe ihm die Illusion abgekauft, dass wir etwas Echtes hätten, dass seine Zärtlichkeit bedeutete, dass ich ihm wirklich etwas bedeute.
Ich habe mich von meiner irrationalen Verbindung zu dem Mörder meines Mannes über die Realität dessen, was wirklich ist, täuschen lassen, und alles verloren.
Das Engegefühl in meiner Brust wächst, und meine Lungen ziehen sich zusammen, bis jeder Atemzug ein Kampf ist. Wut und Verzweiflung vermischen sich, bis ich schreien will, aber alles, was ich herausbekomme, ist ein gequältes Keuchen, da die Decke um meinen Körper so erstickend ist wie eine Schlinge um einen Hals. Mir ist zu heiß, ich fühle mich zu eingeengt, und mein Herz schlägt zu schnell. Ich fühle mich, als würde ich ersticken, sterben, und ich möchte meinen Hals umklammern, ihn aufreißen, damit ich Luft einsaugen kann.
»Hey, alles ist in Ordnung.« Peter kauert vor mir, auch wenn ich nicht gesehen habe, dass er überhaupt zurückgekommen ist. Seine starken Hände lockern die Decke und streichen meine Haare aus meinem schweißnassen Gesicht. Ich zittere und keuche, da ich gerade eine ausgewachsene Panikattacke habe, aber seine Berührung ist eigenartig beruhigend und nimmt mir einen Großteil des Gefühls, zu ersticken.
»Atme, Ptichka«, drängt er mich, und das tue ich auch, da meine Lungen genauso sehr auf ihn hören, wie sie sich mir verweigern. Meine Brust weitet sich für einen vollen Atemzug, danach für einem weiteren, bis ich halbwegs normal atme, da sich mein enger Hals öffnet, um den kostbaren Sauerstoff hereinzulassen. Ich schwitze und zittere immer noch, aber mein Puls wird langsamer, und die Angst, zu ersticken, verschwindet, als Peter meine Arme aus der Decke befreit und mir ein schwarzes Herren-T-Shirt reicht.
»Es tut mir leid. Ich hatte keine Chance, einige deiner Sachen einzupacken«, sagt er, während er mir hilft, das riesige T-Shirt über meinen Kopf zu ziehen. »Zum Glück hatte Anton Wechselklamotten im Kofferraum. Hier, du kannst auch diese Hose anziehen.« Er steckt meine zitternden Füße in schwarze Herrenjeans, hilft mir dabei, ein Paar schwarze Socken anzuziehen, und nimmt die Decke komplett von mir herunter, um sie auf den Tisch neben uns zu werfen.
Die Hose ist genau wie das T-Shirt zu groß für mich, aber sie hat einen Gürtel, den Peter fest um meine Hüften zieht, bevor er ihn vor meinem Bauch verknotet und die Beine hochrollt.
»So«, sagt er und schaut zufrieden seine Kreation an. »Das sollte für den Flug genügen, und danach werde ich dir eine brandneue Garderobe besorgen.«
Ich schließe meine Augen und blende ihn aus. Ich kann es nicht ertragen, sein hübsches, exotisches Gesicht anzuschauen, kann die Wärme in diesen stahlgrauen Augen nicht tolerieren. Das ist alles eine Lüge, eine Illusion. Ich bin ihm nicht wichtig, nicht wirklich. Besessenheit ist nicht Liebe, und genau das ist es, was er für mich empfindet: eine dunkle, schreckliche Besessenheit, die ruiniert und zerstört.
Er hat mein Leben bereits auf so viele Arten zerstört.
Ich höre ihn seufzen, bevor seine großen Hände sich um meine kalten Handflächen legen.
»Sara ...« Seine tiefe Stimme mit dem leichten Akzent fühlt sich auf meiner Haut wie ein Streicheln an. »Wir bekommen das hin, Ptichka, das verspreche ich. Es wird nicht so schlimm werden, wie du es dir vorstellst. Und jetzt sag mir bitte ... möchtest du deine Eltern anrufen und ihnen alles erklären?«
Meine Eltern? Überrascht öffne ich meine Augen und starre ihn an. Dann wird mir klar, dass er es schon einmal gesagt hat, ich es aber einfach nicht aufgenommen habe. »Du lässt mich meine Eltern anrufen?«
Mein Entführer nickt, ein kleines Lächeln umspielt seine geschwungenen Lippen, und seine Hände drücken sanft meine, während er weiterhin vor mir knien bleibt. »Natürlich. Ich weiß, dass du nicht möchtest, dass sie sich Sorgen machen, gerade wegen des Herzens deines Vaters.«
Oh Gott. Das Herz meines Vaters. Meine Kopfschmerzen verstärken sich nach dieser Erinnerung. Mit seinen 87 Jahren ist mein Vater bemerkenswert gesund für sein Alter, aber vor einigen Jahren hatte er eine dreifache Bypass-Operation und muss Stress vermeiden. Und ich kann mir nichts vorstellen, was mehr Stress auslöst als ... »Denkst du, das FBI hat schon mit ihnen gesprochen?«, frage ich ihn entsetzt. »Haben sie meinen Eltern gesagt, dass ich entführt wurde?«
»Ich bezweifle, dass sie die Zeit dazu gehabt haben.« Peter drückt meine Hände beruhigend, bevor er sie loslässt und sich hinstellt. Er greift in seine Tasche, zieht ein Smartphone hervor und reicht es mir. »Ruf sie an, damit sie zuerst deine Version der Geschichte hören.«
»Meine Version der Geschichte? Und was für eine Version ist das?« Das Telefon fühlt sich in meiner Hand wie ein Ziegelstein an, da sein Gewicht durch das Wissen vervielfacht wird, dass ich tatsächlich meinen Vater umbringen würde, wenn ich das Falsche sage. »Was kann ich ihnen sagen, was diese Situation hier auch nur ansatzweise akzeptabel macht?«
Mein Ton ist ätzend, aber meine Frage ist ehrlich. Mir fällt nichts ein, was ich sagen kann, um die Panik meiner Eltern über mein Verschwinden zu besänftigen, wie ich erklären kann, was das FBI ihnen sagen wird – besonders deshalb nicht, weil ich nicht weiß, was die Beamten alles enthüllen werden.
Das Flugzeug gerät genau in diesem Moment in Turbulenzen, und Peter setzt sich neben mich. »Sag ihnen, dass du einen Mann getroffen hast ... einen Mann, in den du dich verliebt hast.« Er bedeckt mein Knie mit seiner warmen Handfläche, und sein metallischer Blick ist hypnotisierend intensiv. »Sag ihnen, dass du zum ersten Mal in deinem Leben beschlossen hast, etwas Verrücktes und Unverantwortliches zu tun. Dass es dir gut geht, aber dass du in den nächsten Wochen mit deinem Freund um die Welt reisen wirst.«
»Die nächsten Wochen?« Eine wilde Hoffnung erblüht in mir. »Meinst du ...«
»Nein. Du wirst nicht in einigen Wochen zurück sein. Aber das müssen sie ja noch nicht wissen.«
Die Hoffnung verwelkt und stirbt, und die vernichtende Verzweiflung kehrt zurück. »Ich werde sie niemals wiedersehen, stimmt’s?«
»Doch, das wirst du.« Seine Hand drückt mein Knie. »Irgendwann, wenn es sicher ist.«
»Und wann wird das sein?«
»Ich weiß es nicht, aber wir werden es herausfinden.«
»Wir?« Ein bitteres Lachen entweicht meinem Mund. »Hast du den Eindruck, dass das hier eine Art Partnerschaft ist? Dass wir mich zusammen entführt haben?«
Peters Blick verhärtet sich. »Es kann eine Partnerschaft sein, Sara. Wenn du das möchtest.«
»Ach wirklich?« Ich schiebe seine Hand von meinem Knie. »Dann dreh das verdammte Flugzeug um, Partner. Ich will nach Hause gehen.«
»Das ist unmöglich, und du weißt das.« Sein durch Bartstoppeln dunkles Kinn spannt sich an.
»Ist es das? Warum? Weil du es liebst, mich zu ficken? Oder weil du mich verdammt nochmal liebst?« Meine Stimme wird lauter, als ich mit meinen an den Seiten zu Fäusten geballten Händen aufspringe. Ich kann seine Männer in den Sitzen hinter uns sehen, wie sie mit steinigen Gesichtern aus dem Fenster schauen und so tun, als würden sie nicht zuhören, aber das ist mir egal. Ich habe Verlegenheit und Schamgefühl bereits hinter mir gelassen; alles, was ich spüre, ist Wut.
Ich wollte noch nie einer lebenden Person so sehr wehtun wie Peter in diesem Moment.
Der Blick meines Peinigers ist dunkel, und sein Gesichtsausdruck hart, als er aufsteht. »Setz dich hin, Sara«, sagt er fest, während er sich nach mir ausstreckt, als das Flugzeug ein weiteres Mal durchgeschüttelt wird und ich mich an der Wand mit dem Fenster festhalte, um nicht hinzufallen. »Das ist nicht sicher.« Er nimmt meinen Arm, um mich in den Sitz zurückzudrücken, und meine andere Hand reagiert aus eigenem Antrieb.
Ich halte das Telefon immer noch fest in meiner Hand, als ich aushole – und ihn nicht verfehle, weil in diesem Moment das Flugzeug erneut wackelt und wir die Balance verlieren. Mit einem hörbaren Aufschlag trifft das Telefon auf Peters Gesicht, und der Aufprall erschüttert mich bis in die Knochen, während sein Kopf zur Seite geschleudert wird.
Ich weiß nicht, wer schockierter darüber ist, dass ich es geschafft habe, ihn zu treffen, ich oder Peters Männer.
Ich kann ihre ungläubigen Blicke sehen, als Peter langsam und sehr bewusst meinen Arm loslässt und sich das Blut abwischt, das seine Wange herunterläuft. Das Metallgehäuse des Telefons muss in seine Haut geschnitten haben; das oder die unerwarteten Turbulenzen haben meinem Schlag mehr Schwung verliehen, die Kraft hinter ihm verstärkt.
Unsere Blicke treffen sich, und mein Herz schlägt mir bis zum Hals, als ich diese eisige Wut in den silbrigen Tiefen sehe. Ich ziehe mich vorsichtig zurück, und das Telefon rutscht aus meinen tauben Fingern und schlägt mit einem metallischen Scheppern auf dem Boden auf.
Ich habe nicht vergessen, wozu Peter in der Lage ist, was er mir angetan hat, als wir uns kennengelernt haben.
Ich kann nur zwei Schritte gehen, bevor mein Rücken sich gegen die Wand der Pilotenkabine drückt und meinen Rückzug beendet. Ich kann in diesem Flugzeug nirgendwohin flüchten, mich nirgendwo verstecken, und mein Magen zieht sich vor Angst zusammen, als sein wütender Blick mich in seinem Bann hält, während er seine Handflächen rechts und links neben meinem Kopf an die Wand legt, wodurch ich zwischen seinen muskulösen Armen eingesperrt werde.