Kapitel 2

1616 Mots
Kapitel Zwei Es ist ein Wunder, dass ich mein Stöhnen unterdrücken kann – ein Wunder, das einen weiteren Oscar verdient hat. Alle Frauen, die einen Orgasmus vortäuschen, sollten den umgekehrten Weg versuchen. Es ist schwieriger, als ich es mir vorgestellt hatte. Die große Frage ist: hat er es in meinem Gesicht gesehen? Der letzte Krampf deaktiviert die Kugeln, so bleibt mir wenigstens eine Wiederholung erspart. Ein lautes Bellen ertönt irgendwo im Park. Wir blicken beide auf unsere Schützlinge herab – ich vermute, weil wir sichergehen wollen, dass sie nicht auf einmal ihre Stimmen über weite Entfernungen projizieren – ein Kunststück, zu dem selbst ich, eine geübte Bauchrednerin, nicht fähig bin. Boners Nase zeigt in die Richtung des entfernten Bellen, und sein Schwanz wedelt mit aufgeregter Neugier. »Ma chérie, ich glaube, der Hund hat gebellt, weil dort ein Eichhörnchen in Béchamelsauce ist. Können wir bitte, bitte dort hingehen? Bitte!« Im Gegensatz zu Boner kauert sich die Bärin jämmerlich zusammen, die riesigen flauschigen Ohren hängen herab, und der dreihundertfünfzig Kilogramm schwere Körper zittert wie pelziges braunes Espenlaub. Mist. Jetzt tut mir die Bärin leid, aber ich fühle mich auch im Recht. Wer ist jetzt der größere Hund? Der Fremde summt etwas Beruhigendes in seiner Sprache und streichelt den Kopf der Bärin, woraufhin das Tier aus seiner Panik erwacht. Mit einem kleinen Schwanzwedeln dreht sie ihre Schnauze in Richtung Boner und schnuppert gründlich an ihm. Boner vergisst den anderen Hund, schaut zu der Bärin auf und hält die Nase ebenfalls schnüffelnd in die Luft. Der Fremde sagt wieder etwas in dieser russisch anmutenden Sprache und zerrt die Bärin weg, ohne mir die Chance zu geben, mich über die Feigheit seines echten Hundes lustig zu machen. Boner beäugt sehnsüchtig das Hinterteil der Bärin. »Ma chérie, das ist eine Menge Hintern zum Schnüffeln. Was für eine tragédie.« »Ich fühle deinen Schmerz«, flüstere ich, und mein Blick wandert über den straffen, muskulösen Hintern, der von der Jeans des lästigen Fremden umrissen wird – ein Hintern, der im Nachglühen des Orgasmus besonders verlockend aussieht. »Ich bin mir nicht sicher, ob ich an ihm schnüffeln möchte, aber ich denke, dass es ein Verlust für die Frauenwelt ist, dass dieser Hintern mit diesem Gehirn verbunden ist.« Wir setzen unseren Spaziergang fort, und jedes Mal, wenn Boner anhält, um an etwas zu schnuppern, werfe ich einen Blick auf den lästigen Fremden und achte darauf, nicht aus Versehen wieder die Liebeskugeln zu drücken. Er bringt die Bärin zu Boners Lieblingsplatz, einem Hundespielplatz – obwohl ich gelegentlich auch schon menschliche Kleinkinder auf diesen Rampen gesehen habe. Klasse. Jetzt können wir dort nicht mehr hingehen. Es sei denn, dass wir sollten? Nein. Ich sollte den Kerl vergessen. Leider merke ich auf unserem weiteren Weg, dass es schwer ist, ihn zu vergessen, vor allem angesichts der Wärme, die immer noch in meinem Inneren pulsiert. Warum muss das Universum so unfair sein? Ich treffe so selten auf Typen, zu denen ich mich hingezogen fühle, und wenn ich endlich einen finde, entpuppt er sich als ein Arschloch. Andererseits könnte die bloße Tatsache, dass ich mich zu jemandem hingezogen fühle, angesichts meiner vergangenen Beziehungen ein Alarmsignal sein. Laut meiner Freundin Xenia bin ich ein Arschloch-Magnet. Ein Beispiel dafür ist mein Ex. Es gibt einen Grund, warum ich meine Sexspielzeuge echten Männern vorziehe. Ein sechster Sinn reißt mich gerade noch rechtzeitig aus meinen Tagträumen, um Boner an einer Schnecke auf dem Boden schnüffeln zu sehen. »Nein!«, rufe ich, als er die Schnecke – völlig unüberraschend – in sein Maul nimmt. »Spuck sie aus.« Er schaut mit arglosem Blick zu mir auf. »Warum? Es ist eine escargot.« Ich lege Gewicht auf meine Eigenschaft als das Alphatier in unserer kleinen Beziehung. »Spuck sie aus. Du könntest den französischen Herzwurm bekommen.« Mit zerknirschtem Blick spuckt Boner das Geschöpf aus und beobachtet, wie es unbeeindruckt von dem Hundesabber davonkriecht. »Französischer Herzwurm klingt wie meine Art von Herzwurm.« Ich werfe ihm noch ein Leckerli zu. »Guter Junge. Ich wette, die Bärin ist nicht annähernd so gut trainiert. Sie würde sofort einen Parasiten bekommen, aber du nicht.« »Touché.« Mit hängenden Ohren nimmt er seinen Weg wieder auf. Der arme Kerl. Erst konnte er nicht an einer Bärin schnüffeln, jetzt darf er keine Schnecke essen. Ich kann es nachvollziehen. Mir selbst wurde auch gerade mein Premiumschokoladenmann verwehrt. Ich führe Boner zu einem Hydranten und beobachte, wie er all seine Sorgen vergisst, während er sein Bein unmöglich weit hochhebt und in einer Höhe pinkelt, die eigentlich nur ein großer Hund erreichen kann. Wenn nur mein Schlüssel zum Glück so einfach wäre – ich würde sofort mein Bein hochreißen. Nun, nicht in diesem Moment – meine Kugeln würden herausfallen. Zufrieden mit seinem Werk, trottet Boner weiter. Nicht zum ersten Mal frage ich mich, warum er solche Ambitionen hat, wenn es um seinen Urin geht. Ist es Teil einer Wahnvorstellung, in der er denkt, dass er ein viel, viel größerer Hund ist? Oder könnte es sein, dass alle Hunde nach den Sternen greifen wollen, und dass es Boner hilft, klein und gelenkig zu sein, damit er nicht umkippt, wenn er sein Bein höher als seinen Kopf hebt? Boner bleibt stehen und schaut wehmütig in Richtung Spielplatz. Da die Bärin immer noch da ist, sage ich: »Wie wäre es, wenn wir zuerst John etwas zu essen bringen?« Bei Johns Namen wedelt Boner erfreut mit dem Schwanz. John hat entweder kein Zuhause oder einen anderen Grund, warum er nie badet – was ihn für einen Hund zu einem sehr interessant riechenden Menschen macht. Auf halbem Weg zu Johns Bank kreuzt eine schwarze Katze unseren Weg. Da die Katze größer ist als Boner, tut er so, als würde er sie nicht sehen. Ich hingegen bleibe stehen und drücke fast schon wieder zu fest auf die Kugeln. Zum Glück sind meine Brüder nicht hier, um mich zu verspotten. Eine schwarze Katze, die die Straße überquert, ist ein gewichtiger russischer Aberglaube, den ich nur schwer ignorieren kann. Die Ingenieurin samt MIT-Abschluss in mir kann sich nicht vorstellen, wie das Pech der Katze überhaupt funktionieren soll, dennoch stehe ich weiter da und hoffe, dass jemand den Weg der Katze kreuzt und das damit verbundene Pech auf sich nimmt. Mit dem geschäftlichen Unterfangen, das ich gerade starte, kann ich kein Pech riskieren. Ein Eichhörnchen flitzt plötzlich direkt über den verhexten Pfad. Da es nicht größer als er ist, versucht Boner, es zu jagen, aber ich halte ihn gerade noch rechtzeitig zurück. Puh. Das Eichhörnchen wird nun das Pech bekommen, und nicht ich oder eine nette alte Dame. Als wir den Spaziergang fortsetzen, kommt ein Königspudel auf uns zu. Ich grinse. Mit dem Löwenhaarschnitt sieht dieser Hund viel französischer aus als meiner – nicht, dass Boner irgendetwas Französisches an sich hat, außer seinem Namen und seiner Seele. Er sieht tatsächlich so aus, als könnte er in der ¡Yo quiero Taco Bell!-Werbung mitspielen. Und bei seiner mexikanischen Abstammung ist es ein Rätsel, warum er keinen hispanischen Akzent hat, wenn ich mir vorstelle, dass er mit mir spricht. Boner versucht, nett zu dem Pudel zu sein. Der größere Hund fletscht die Zähne und knurrt. Boner bleibt stehen und schaut mich an. »Wie impoli!« Ich werfe der Besitzerin einen bösen Blick zu. Sie zuckt schuldbewusst mit den Schultern und eilt an uns vorbei. Der Rest des Weges zu John verläuft ereignislos, und als wir bei der Bank ankommen, ist er wie immer da und starrt ausdruckslos in die Ferne. Ich schiebe Boners Leine unter meine Achselhöhle und hole das Sandwich, das ich für John gemacht habe, aus meiner Handtasche. »Hi.« »Großartig. Die Kommunistin ist zurück«, grummelt John, bevor er sich bückt, um Boner zu streicheln. Ich werfe ihm das Sandwich zu. »Ich wurde geboren, nachdem die Sowjetunion bereits zusammengebrochen war, und ich kam in dieses Land, als ich fünf Jahre alt war, also bin ich viel eher ein amerikanisches Kapitalistenschwein als eine Kommunistin.« John runzelt die Stirn über das Sandwich. »Einmal Kommunist, immer Kommunist.« Ich denke, das ist fair. Nach dem, was ich weiß, ist John ein Vietnam-Veteran und hat somit eine berechtigte Meinung über die Kommunisten. Er ist auch zu stolz, um Almosen anzunehmen, also gehe ich wie immer vorsichtig vor. »Das ist aus dem Restaurant meiner Eltern«, sage ich und nicke in Richtung des Sandwiches. »Sie haben mir wieder zu viel Essen mitgegeben, und in der russischen Kultur gilt es als Unglück, Brot wegzuwerfen.« Der letzte Teil stimmt tatsächlich, weshalb ich es nur gefroren kaufe. John murmelt etwas über dummen Kommunisten-Aberglauben, schnappt sich das Sandwich und beginnt, es zu verschlingen. So. Im Laufe der Zeit habe ich gelernt, wie man diese Transaktion ziemlich reibungslos abwickeln kann. Als ich ihn das erste Mal traf, war John ungesund dünn, aber jetzt ist er … Die Leine rutscht aus meiner Achselhöhle, als Boner plötzlich nach vorne torpediert. Mist. »Bis später, John«, rufe ich über meine Schulter, während ich loslaufe. »Ich muss ihn einfangen!« Ich höre nicht, was John sagt, aber ich sehe, worauf Boner hinauswill. Den Spielplatz. »Boner, bleib stehen!«, schreie ich. Das tut er nicht. So viel zu der Hundeschule. Während ich meine Geschwindigkeit erhöhe, verfluche ich mich für meinen ständigen Wunsch nach Multitasking. Obwohl ich mir beigebracht habe, mein Handy zu Hause zu lassen, um mich nicht durch geschäftliche E-Mails ablenken zu lassen, musste ich auf diesem Spaziergang einfach die Liebeskugeln testen. Ich drücke meine Beckenmuskeln mit aller Kraft zusammen und beschleunige noch mehr. Das Jonglieren mit Kugeln hat nichts damit zu tun, sie beim Sprinten im Körper zu behalten. Boner springt die Rampe direkt neben der Bärin hoch. Nein. Er kann nicht vorhaben … Aber das tut er. Den Höhenvorteil der Rampe zu Hilfe nehmend, besteigt mein Chihuahua die Bärin und beginnt, sie zu bumsen.
Lecture gratuite pour les nouveaux utilisateurs
Scanner pour télécharger l’application
Facebookexpand_more
  • author-avatar
    Écrivain
  • chap_listCatalogue
  • likeAJOUTER