Kapital 1

2827 Parole
Kapital Eins »Der Teufel ist dabei, mein Lebenswerk in Pornokram zu verwandeln.« Ich werfe meinem Zwilling einen flehenden Blick zu. »Du musst mir beibringen, wie man Schlösser knackt.« Gia blinzelt mich an. »Wovon zum Teufel redest du?« »Schlösser knacken. Bring es mir bei.« Sie schüttelt den Kopf, als wolle sie ihn frei bekommen, dann öffnet sie die Tür weiter. »Komm rein und erklär es mir.« »Gut.« Da ich die Bazillenphobie meiner Schwester respektiere, umgehe ich Umarmungen und Küsse, während ich behutsam das Brownstone-Haus betrete, das sie mit ihren Millionen Mitbewohnern teilt. Sie führt mich in ihr Zimmer, und während wir gehen, kämpfe ich gegen die Versuchung an, die Unordnung rundherum zu beseitigen. »Setz dich.« Sie zeigt auf einen Stuhl in der Ecke, neben einer Schaufensterpuppe. Ist sie verrückt? Der Stuhl hat vier Beine und ist damit einer von der schlimmsten Sorte. Ich bevorzuge Bürostühle, da sie meist fünf Beine haben, oder Barhocker, da sie eher eines oder drei haben. Wie würde es ihr gefallen, wenn ich sie bitten würde, eine Haltestange in der U-Bahn abzulecken? Ein verschmitztes Grinsen umspielt ihren dunkel geschminkten Mund. »Mein Fehler. Keine Primzahl von Beinen. Was habe ich mir nur dabei gedacht? Dein Gehirn hätte explodieren können.« Ich verberge mein Augenrollen, gehe an einem Kartenspiel und anderem Zauberzubehör vorbei, das überall auf den Flächen rundherum verstreut ist, und bleibe erst stehen, als ich neben einem beinlosen Sitzsack stehe. »Darf ich …?« Achselzuckend holt Gia ein Kartenspiel aus ihrer Tasche und reicht es mir mit den Fingerspitzen. »Würdest du dich wohler fühlen, wenn ich dir dieses Kartenspiel zum Sortieren geben würde?« Ich lasse mich in den Stuhl fallen und blicke auf die Karten. »Zweiundfünfzig?« Mit einem Seufzer wirft sie eine der Karten auf einen Schreibtisch in der Nähe – als ob er nicht schon vollkommen unordentlich wäre. »Jetzt einundfünfzig.« »Einundfünfzig ist keine Primzahl.« Sie blickt auf das Deck. »Ist sie nicht?« »Dreimal siebzehn ist einundfünfzig. Wie bist du durch die vierte Klasse gekommen?« »Wahrscheinlich hast du dich als mich ausgegeben, um die Mathearbeit zu bestehen.« Sie lässt vier weitere Karten auf den Tisch fallen. »Ist siebenundvierzig besser?« »Danke.« Ich nehme die Karten vorsichtig – Gott bewahre, dass ich ihre hygienische Majestät mit meinen Krankheitserregern berühre. »Was sollte ich denn erklären, bevor du mich unterrichtest?« »Fang mit dem Teil des Lebenswerkes an.« Sie setzt sich auf die Abscheulichkeit mit der unpassenden Anzahl an Beinen. »Ich wusste nicht, dass du eines hast. Ist es das virtuelle Haustierzeug, das du mir immer zeigst?« »So in der Art.« Ich beginne, die Karten auf die offensichtlich logische Weise zu sortieren: Zahlenkarten, die Primzahlen sind, zuerst, gefolgt von den restlichen. »Ich hatte keine Gelegenheit, es dir vorher zu sagen, aber ich arbeite seit einiger Zeit mit der Kinderstation des NYU-Langone-Krankenhauses zusammen. Wenn sie hören, dass ich in Pornokram verwickelt bin …« »Halt. Wie genau arbeitest du mit ihnen?« »Ich habe mein VR-Haustierprojekt als eine Art Therapie für Kinder in Langzeitpflege getestet.« Ich schaue von meinen Karten auf, in ein Gesicht, das identisch ist mit dem, das ich jeden Tag im Spiegel sehe: oval geformt mit scharfen Wangenknochen, einer kräftigen Nase und großen blauen Augen. Natürlich sind meine Haare, im Gegensatz zu meiner Entertainer-Schwester, von Natur aus rotblond, während sie ihre dunkler als ein schwarzes Loch gefärbt hat. Ich trage auch nicht so viel Make-up. Ihre rauchigen Augen würden einen Waschbären scharf werden lassen, und ihre Foundation ist blass genug für eine Vampir-Geisha. »Die Idee ist, den Schmerz und die Angst der Kinder zu reduzieren«, fahre ich fort, während sie zustimmend nickt. »Das ist nicht schlecht als Lebenswerk. Und wie passt der Teufelsporno dazu?« Ich werfe einen Blick auf das Chaos um mich herum. »Darf ich …?« Gia seufzt. »Wenn es dich schneller zum Reden bringt, nur zu.« Als ich aufstehe und mit dem Aufräumen beginne, bin ich ruhig genug, um meine Gedanken zu artikulieren. »Ich habe dir das auch noch nicht erzählt, aber meine Firma ist vor einiger Zeit in finanzielle Schwierigkeiten geraten, und die Morpheus Group hat uns gekauft.« Sie rümpft die Nase. »Noch nie von denen gehört.« Ich hebe einen Zylinder auf, aus dem das Kaninchen eines Zauberers herausspringen könnte – nicht, dass Gia es jemals riskieren würde, etwas zu berühren, was gerne seine eigenen Fäkalien frisst. »Das hatte ich auch nicht, bis sie uns akquiriert haben. Ich glaube, sie wurde kurz vor der Übernahme gegründet.« Ich lege den Hut neben Gias Stirnband und kennzeichne die Stelle gedanklich als den Platz für Kopfbedeckungen. »Zuerst fragten sie nach den Spezifikationen von unserem VR-Headset und den Handschuhen, und dann verschwanden sie und ließen uns weitermachen, als ob sich nichts geändert hätte. Aber wir haben gerade erfahren, dass sie planen, das Headset und die Handschuhe in einen speziellen Anzug zu integrieren, den sie entwickelt haben, der dafür gedacht ist, deinen ganzen Körper in VR fühlen zu lassen.« Sie sieht fasziniert aus. »Sowas wie s*x fühlen zu lassen?« »Das sind die Gerüchte, die im Büro herumgehen.« Ich hebe etwas auf, was wie ein falscher Daumen aussieht, lege es auf ein Regal neben ihre Handschuhe und ordne der Stelle alle Dinge zu, die mit Körperteilen zu tun haben. »Hmm.« Sie kratzt sich am Kinn. »Sex in VR. Keine Keime. Keine Berührungen. Keine Komplikationen. Kann ich einen dieser Anzüge bekommen?« »Du solltest dir einen richtigen Mann suchen«, sage ich und bereue es sofort – das Letzte, was ich will, ist, wie Mom zu klingen. Gia wölbt ihre dunklen Augenbrauen und ahmt den britischen Akzent nach, den ich mir nach meinem Auslandsstudium abgewöhnen musste. »Wie man in deinem geliebten England sagen würde, da redet der Topf über den Tiegel.« Sie hat recht. Ich bin keine Expertin, wenn es um Männer oder s*x geht – meine einzige richtige Beziehung war mit einem Mann, der sich später als schwul geoutet hat. Mein Gesichtsausdruck muss meine Gedanken widerspiegeln, denn sie sagt: »Sorry, Holly. Ich wollte gar nicht in diese Richtung gehen. Als Nächstes werde ich voll zur Octomom und sage dir, wie sehr du dich nach einer sexuellen Vereinigung sehnen solltest.« Ich zucke zusammen. Ich hasse den Spitznamen, den sie für unsere Mutter benutzt. Den Respekt vor den Älteren zu verlieren, ist einfach nicht richtig. Mom brachte uns beide zur Welt, gefolgt von unseren Sechslingsschwestern. Ein passender Name wäre entweder Bimom – oder ist es Zwimom? – oder Sexamom … obwohl, zugegeben, auch das klingt nicht gut. Natürlich, wenn ich ehrlich bin, ist der Hauptgrund, warum ich das Octo-Präfix nicht mag, dass es eine Erinnerung daran ist, dass wir acht Schwestern sind, im Gegensatz zu einer normalen Anzahl, wie sieben, fünf oder elf. »Du brauchst etwas gute, altmodische Liebe«, sagt Gia in ihrer besten Imitation von Moms Stimme, als ich mich wieder auf sie konzentriere. Grinsend versuche ich mich an meiner eigenen Imitation unserer peinlichen Elterneinheit. »Orgasmen mindern Stress, helfen bei Schlaflosigkeit, lindern Schmerzen, lassen dich länger leben, stimulieren dein Gehirn, lassen dich jünger aussehen … Oh, und können den Weltfrieden bringen.« Hat sie bemerkt, dass ich sieben Punkte auf die Liste gesetzt habe? Gia erschaudert. »Vergiss nicht, wie hilfreich Orgasmen sind, wenn man versucht, ein Schwein zu schwängern.« Igitt, ja. Auch wenn ich nicht so zimperlich bin wie Gia, haben mich Mamas prahlerische Geschichten über ihre Fähigkeiten als Ehefrau traumatisiert. Einmal sagte Mama, dass sie Petunia – ein Schwein, das wie ein Haustier für uns war, als wir aufwuchsen – während einer künstlichen Befruchtung zum Orgasmus gebracht hatte. Ja. Nicht das Bild, das man im Kopf haben will, wenn man Speck sieht. Als ich merke, dass wir vom Thema abgekommen sind, blicke ich meine Schwester eindringlich an. »Kannst du mir also beibringen, was ich brauche, oder nicht?« Sie trommelt mit ihren schwarz lackierten Nägeln auf ihren Oberschenkel. »Du hast immer noch nicht die ganze Teufelssache erklärt.« Ah. Das. Ich hebe ein Buch über Kartentricks auf und stecke es in einen zufälligen leeren Platz in ihrem Bücherregal – wenn ich versuche, ihre Bibliothek nach Erscheinungsjahr zu sortieren, wird sie wieder wütend und weigert sich, mir zu helfen. »Laut weiteren Gerüchten im Büro«, sage ich, »sind die neuen Besitzer Bruder und Schwester. Anscheinend ist ihr Nachname Chortsky.« »Anscheinend? Haben sie sich nicht vorgestellt?« Ich hebe eine glänzende Magiertasse auf und stelle sie neben einen leeren Kaffeebecher auf den Schreibtisch. »Nein. Ich habe per E-Mail mit einem Typen namens Robert Jellyheim zusammengearbeitet. Wie auch immer, als ich online nach Leuten namens Chortsky suchte, fand ich einen Vlad Chortsky, der eine Softwarefirma besitzt, und einen Alex Chortsky, der eine Videospielfirma besitzt. Es wurde keine Schwester erwähnt, es gab keine Bilder von beiden Männern und keine Präsenz in den Sozialen Medien. Das einzig Nützliche, was ich gelernt habe, ist, dass die Bezeichnung chort – der Wortstamm ihres Familiennamens – auf Russisch der Teufel oder Dämon bedeutet.« »Ah«, sagt Gia. »Also ist ›der Teufel‹ nur dein Spitzname für denjenigen, der zufällig der schwer fassbare Besitzer der Morpheus Group ist. Was hat das Knacken von Schlössern damit zu tun? Willst du deinen Keuschheitsgürtel aufbekommen?« Mein Herzschlag beschleunigt sich bei dem Gedanken an das Knacken eines Schlosses, und ich räume schneller auf, um mich zu beruhigen. »Es gibt ein Büro auf meiner Etage, wohin die integrierten VR-Anzüge gestern geliefert wurden.« Ich hebe drei metallene Verbindungsringe auf und lege sie auf den Couchtisch neben ihren Schlüsselbund. »Es ist verschlossen, aber ich möchte hineingehen und nachsehen, ob die Gerüchte stimmen.« Sie runzelt die Stirn. »Warum?« »Damit ich etwas dagegen tun kann … wenn ich muss.« Ihr Stirnrunzeln vertieft sich. »Was tun?« Ich nehme einen USB-Stick aus meiner Tasche. »Die Gerüchteküche behauptet, dass sich die Besitzer in ein paar Tagen mit einer großen Risikokapitalfirma treffen werden, um die Arbeit zu demonstrieren, die sie geleistet haben. Sie brauchen wohl eine neue Finanzierung. Meine Hoffnung ist, dass, wenn ein Computervirus diese Demo ruiniert, es das Pornoprojekt zum Stillstand bringt und ich in der Lage bin, meine Vereinbarung mit dem Krankenhaus zu beenden, bevor der Teufel eine andere Geldquelle findet.« »Du willst also einbrechen, um Firmensabotage zu begehen?« Ich drücke den USB-Stick in meiner Handfläche zusammen. »Kaum. Ich arbeite dort.« »Aber du hast vor, einen Virus freizusetzen. Ist das nicht ein Verbrechen?« Ich stecke den USB-Stick ein. »Ich habe mir ein paar Werkzeuge von Papa geliehen. Wenn ich erwischt werde, kann ich behaupten, ich hätte unsere Sicherheit getestet.« Unser Vater ist ein Penetrationstester – was nicht das ist, wonach es klingt. Er simuliert Cyberangriffe auf Unternehmen, die das möchten, um die Schwächen und Stärken ihrer Systeme zu identifizieren. Gia betrachtet mich mit einem besorgten Blick. »Du bist eine miese Lügnerin.« »Ich plane, die Kameras im Büro zu deaktivieren. Niemand wird jemals erfahren, was passiert ist.« Sie springt auf. »Ich weiß nicht. Vielleicht sollte ich diesen Wahnsinn nicht noch unterstützen.« »Wenn du nicht hilfst, gehe ich mit einer Brechstange rein.« Ihre Augen wandern über mich. »Das ist ein Bluff. Du hasst Gewalt.« Ich setze eine entschlossene Miene auf. »Ich kann eine verfluchte Tür verletzen, wenn ich muss.« Sie kaut auf ihrer Lippe, dann seufzt sie. »Das wird dich was kosten.« Ja! Wenn sie feilscht, dann wird das passieren. »Was willst du?«, frage ich und zügele meinen ach so einfach auszunutzenden Enthusiasmus zu spät. Sie setzt sich wieder hin. »Du wirst aufhören, Marie Kondō mit meinen Sachen zu spielen.« »Erledigt.« Widerwillig lasse ich ihren phallusförmigen Zauberstab zurück auf das Durcheinander von Gegenständen auf dem Schreibtisch fallen. Ich weiß sowieso nicht, wie ich ihn katalogisieren soll – abgesehen davon, ihn neben einen Dildo zu stellen. »Und du wirst mir in Zukunft zwei Gefallen schulden, ohne Fragen zu stellen.« Fast greife ich wieder nach dem Zauberstab, halte mich aber rechtzeitig zurück. »Willst du auch die Schlüssel zu meiner Wohnung? Oder vielleicht einen Blankoscheck?« Sie zuckt mit den Schultern. »Wenn unsere Rollen vertauscht wären, würdest du noch mehr verlangen.« Das ist so was von unzutreffend, aber zu widersprechen wäre zwecklos. »Wie wäre es, wenn du mir sagst, was die Gefallen sind, damit ich sehen kann, ob es mir das wert ist?« »Abgelehnt. Wie wäre es, wenn wir sie aufteilen? Einen Gefallen für jetzt, einen zu einem späteren Zeitpunkt.« Verdammt, sie hat ein gutes Pokerface. »Was ist der Gefallen für ›jetzt‹?« »Hattest du schon dein Mittagessen mit unseren Eltern?« Ich beiße die Zähne zusammen. »Ja.« Es ist offensichtlich, was sie will. Unsere Eltern sind in der Stadt und wollen natürlich nicht abreisen, bevor sie ihren beiden ältesten Töchtern einen schmerzvollen Vortrag über die Gefahren des Jungferndaseins gehalten haben. »Du wirst dich als ich verkleiden und meinen Platz beim Mittagessen einnehmen«, sagt Gia und bestätigt meinen Verdacht. »Und du wirst nicht alle s*x-Tipps, die du bekommst, weitergeben.« Das geht mir auf die Eier, ähm, so ein Mist, meinte ich natürlich. Ich hatte gehofft, dass sie mich in einem Zaubertrick benutzen würde – einen Zwilling zu haben ist ziemlich hilfreich, wenn man Teleportationskräfte und Ähnliches vorführen will. »Wann ist das Mittagessen?«, frage ich. Sie sieht für meinen Geschmack zu vergnügt aus, als sie mir die Details verrät. Die Uhrzeit des Essens liegt genau in meiner mittäglichen Zahnpflege, aber so sehr ich Unterbrechungen in meinem Zeitplan hasse, erhebe ich keine Einwände. Gia hätte kein Verständnis dafür. »Was ist der andere Gefallen?«, frage ich und fürchte mich schon davor. Sie schmunzelt. »Netter Versuch. Das werde ich dir sagen, wenn ich es selbst weiß.« »Gut. Wir haben eine Abmachung – vorausgesetzt, du kannst mir tatsächlich beibringen, wie man ein Schloss knackt.« Sie steht auf. »Können die Sechslinge sogar Gandhi zur Gewalt treiben?« Oh ja, das können sie. Die Abscheu vor Gewalt ist der Grund, warum ich meinen Kontakt mit dem Wurf des Bösen in Grenzen halte. Ich liebe meine Schwestern natürlich innig, aber zusammen sind sie zu viel für meine Psyche. Ich beneide und bemitleide Gia dafür, dass sie sich außerhalb der Familienferien mit ihnen trifft. Ich bin bei weitem nicht so mutig. Sie steht auf, kramt in einer Schublade und holt ein Paar Handschuhe, ein Lederetui und eine Sammlung von Schlössern heraus. »Zieh die an.« Sie reicht mir die Handschuhe. Ich ziehe sie mit einem Augenrollen an. »So. Jetzt werde ich keine Keime auf deiner wertvollen Ausrüstung hinterlassen.« Sie drückt mir den Lederkoffer in die Hand. »Ich gebe dir Handschuhe, damit du lernst, wie man ein Schloss knackt, während du sie trägst. Oder willst du deine Abdrücke überall am Tatort hinterlassen?« Ich öffne den Reißverschluss des Koffers und starre auf die Werkzeuge darin. Wenn ich den gefürchteten Advanced-Artificial-Intelligence-Kurs in Cambridge bestehen konnte, kann ich das hier auch. Hoffentlich. »Zuerst erkläre ich dir, wie ein Stiftzuhaltungsschloss funktioniert«, sagt Gia und deutet auf ein Schloss aus Glas, bei dem die Stifte und andere Teile freigelegt sind. Sie öffnet das Schloss sowohl mit dem Schlüssel als auch mit ihrem Werkzeug und lässt es leicht aussehen. »Das hier ist ein Spannschlüssel.« Sie reicht mir ein Metallding und erklärt mir, was ich damit machen soll. Dann gibt sie mir einen Pickel und erklärt, wie man ihn benutzt. »Klingt logisch«, sage ich, als der Vortrag endlich zu Ende ist. »Lass es mich versuchen.« Sie grinst teuflisch. »Okay.« Ich bin berühmt für meine Akribie, wenn es darum geht, Anweisungen jeglicher Art zu befolgen, also führe ich Gias Anweisungen wie ein Roboter buchstabengetreu aus. Doch mein Versuch scheitert, sehr zur Freude meines Zwillings. Grr. Ein Schloss zu knacken scheint eher eine Kunst als eine Wissenschaft zu sein. Zwei Stunden und dutzende abfällige Kommentare von Gia später, werde ich besser, obwohl ich noch nicht zuversichtlich genug für den Einbruch bin. Schließlich sagt Gia: »Ich glaube, du hast es verstanden. Zumindest gibt es nicht mehr viel, was ich dir beibringen kann. Geh nach Hause und spiel alleine mit den Schlössern.« »Okay.« Ich packe die Werkzeuge meines neu erworbenen Handwerks ein. »Ich rufe an, wenn ich noch Fragen habe.« Zu meiner Überraschung räumt sie tatsächlich die Schlösser weg, die wir benutzt haben, anstatt sie auf den bereits überfüllten Schreibtisch zu werfen. »Überleg dir, ob du das Ganze nicht abblasen willst, ja? Lass dich nicht vom Minimalismus des Gefängnislebens verführen.« »Das werde ich«, lüge ich, als wir aus ihrem Zimmer treten. »Und schreib mir Updates.« Sie führt mich an dem unordentlichen Wohnzimmer vorbei zur Eingangstür. »Ruf mich auch an, wenn ich eine Kaution hinterlegen soll.« »Cheers«, sage ich – nur um meinen Fehler zu erkennen, als Gias Grinsen sich auf das des Jokers ausdehnt. »Tis my pleasure, guv’nor«, sagt sie mit einem dicken Cockney-Akzent. »Vergiss nicht den Lunch mit Mama und Papa.« »Das werde ich nicht«, grummele ich. »Jolly good.« Sie winkt auf königliche Weise mit ihrer Hand. »Tada!« »Thank you and goodbye«, erwidere ich mit einem perfekten amerikanischen Akzent. Sie schließt die Tür ab, und ich höre sie dahinter glucksen. Ich kann nicht glauben, dass von all meinen Geschwistern sie das kleinere Übel ist. Zu Hause angekommen, übe ich bis tief in die Nacht das Knacken von Schlössern, und als ich einschlafe, träume ich davon. Am Montagmorgen fühle ich mich so bereit, wie nur möglich. Es ist so weit. Ich werde zur Arbeit gehen, warten, bis alle weg sind, und mit der Operation Einbruch fortfahren.
Lettura gratuita per i nuovi utenti
Scansiona per scaricare l'app
Facebookexpand_more
  • author-avatar
    Scrittore
  • chap_listIndice
  • likeAGGIUNGI