Dritter Gesang

928 Parole
Dritter GesangDer Eingang bin ich zu der Stadt der Trauer, Der Eingang bin ich zu dem ew'gen Schmerze, Der Eingang bin ich zum verlornen Volke! Gerechtigkeit trieb meinen hohen Schöpfer: Die Allmacht hat der Gottheit mich gegründet, Die höchste Weisheit und die erste Liebe. Vor mir ist nichts Erschaffenes gewesen, Als Ewiges, und auch ich daure ewig. Laßt, die ihr eingeht, jede Hoffnung fahren. – Mit dunkler Farbe sah ich diese Worte Geschrieben an dem Gipfel eines Tores Und sprach drum: ›Meister, hart erscheint ihr Sinn mir.‹ Und er zu mir gleich einem Wohlerfahrnen: »Hier muß man jedes Zweifels sich entschlagen, Und jede Feigheit hier ertötet werden. Wir sind nun an dem Ort, wo ich dir sagte, Du werdest schaun die schmerzenreichen Scharen, Die der Erkenntnis höchstes Gut verloren.« Und da er seine Hand gelegt in meine, Mit heitrem Antlitz, das mich ließ erstarken, Führt' er mich ein in die geheimen Dinge. Geseufz' und Weinen hier und dumpfes Heulen Ertönen durch den sternenlosen Luftkreis, So daß im Anfang drob ich weinen mußte. Gemisch von Sprachen, grauenvolle Reden, Des Schmerzes Worte und des Zornes Laute, Und Stimmen tief und rauh, mit Händeklopfen, Erregten ein Getümmel hier, das immer In diesen endlos schwarzen Lüften kreiset, Dem Sande gleich, wenn Wirbelwinde wehen. Und ich, dem Wahn das Haupt umfangen hatte, Sprach: ›Meister! was ist das, was ich vernehme, Und wer sind die vom Schmerz so Übermannten?‹ Und er zu mir: »Die jammervolle Weise Ist den elenden Seelen jener eigen, Die ohne Lob und ohne Schande lebten; Vermischt sind sie mit jenem feigen Chore Der Engel, welche nicht Empörer waren, Noch Gott getreu, für sich gesondert bleibend. Nicht seinen Glanz zu trüben, stieß der Himmel Sie aus, noch nimmt sie auf die tiefe Hölle, Weil Sünder stolz auf sie doch blicken könnten.« Und ich: ›Was ist wohl ihnen so beschwerlich, Mein Meister, daß sie drob so kläglich jammern?‹ »Ganz kurz,« antwortet' er, »will ich dir's sagen: Des Todes haben diese keine Hoffnung, Und so verächtlich ist ihr dunkles Leben, Daß jedes andre Schicksal sie beneiden. Es läßt die Welt nicht ihren Nachruhm dauern, Gerechtigkeit verschmäht sie und Erbarmen. Nichts mehr davon; schau' hin und geh' vorüber!« Und ich, der hingeblickt, sah eine Fahne, Die wirbelnd so behend vorüberrannte, Daß jede Ruhe sie mir zu verschmähn schien, Und ein so großer Zug des Volkes folgte Ihr nach, daß nimermehr geglaubt ich hätte, Daß ihrer schon der Tod so viel' entseelet. Da einen ich erkannt nun unter ihnen, Schaut' hin ich und erblickte jenes Schatten, Der auf das Groß' aus Feigheit einst Verzicht tat. Sogleich sah ich es ein und ward versichert, Daß dieses sei der Feiggesinnten Rotte, Die Gott mißfällig sind wie seinen Feinden; Die Jämmerlichen, welche nie gelebet, Sie waren nackt und wurden viel gestochen Von Bremsen und von Wespen, die hier schwärmten; Ihr Antlitz netzten ihnen die mit Blute, Das tränenuntermischt zu ihren Füßen Von ekelhaften Würmern ward gesammelt. Und da ich weiter hingeblickt, sah Scharen Ich an dem Ufer eines großen Stromes, Und sprach drum: »Meister, woll'st mir jetzt gewähren, Zu wissen, wer die sind und welche Sitte Sie macht zum Übergang so fertig scheinen, Wie ich erkenne bei dem Dämmerlichte.« Und er zu mir: »Berichtet wird dir alles, Wenn unsern Schritt wir innehalten werden An Acherons trübseligem Gestade.« Drauf mit verschämtem und gesenktem Blicke, Besorgt, es falle lästig ihm mein Reden, Enthielt ich bis zum Flusse mich des Sprechens. Und sieh, es nahte gegen uns zu Schiffe Ein Alter sich, weiß durch die greisen Haare, Laut rufend: »Weh' euch, ihr verruchten Seelen, Hofft nimmermehr den Himmel zu erblicken, Zum Ufer jenseits, komm' ich, euch zu führen, In ew'ge Finsternis, in Frost und Gluten. Und du, was du dort, lebend'ge Seele? Geh' fort von jenen, welche schon gestorben.« Allein nachdem er sah, daß ich nicht fortging: »Durch andre Wege,« sprach er, »andre Buchten, Nicht hier, wirst zu dem Ufer du gelangen; Ein leichtes Schiff muß dich hinüber tragen.« Zu ihm mein Führer: »Nicht gezürnet, Charon, Man will es so an jenem Orte, wo man Auch kann das, was man will, und frag' nicht weiter.« Drauf wurden ruhig die behaarten Wangen Dem Steuermanne auf der bleichen Lache, Der um die Augen Flammenränder hatte. Doch jene Seelen, welche nackt und müde, Verfärbten sich und knirschten mit den Zähnen Stracks, als die grausen Worte sie vernommen. Sie lästerten auf Gott und ihre Eltern, Die Menschheit und den Ort, die Zeit, den Samen, Aus welchem sie erzeuget und geboren. Dann zogen samt und sonders sie vereinet Laut weinend hin zu dem verruchten Strande, Der jedes Menschen harrt, der Gott nicht fürchtet. Charon, der Dämon mit den glüh'nden Augen, Winkt ihnen und versammelt rings sie alle, Schlägt mit dem Ruder jeglichen, der zögert. So wie zur Herbstzeit sich die Blätter lösen, Eins nach dem andern, bis zuletzt die Zweige Der Erd' all' ihren Schmuck zurückgegeben; Auf gleiche Art stürzt Adams schlimmer Same Sich einer nach dem andern von dem Ufer Auf Zeichen, wie ein Vogel auf den Lockruf, So gehen hin sie durch die dunkeln Fluten, Und eh' sie jenseits noch ans Land gestiegen, Versammeln diesseits schon sich neue Scharen. »Mein Sohn,« sprach nun zu mir mein güt'ger Meister, »Sie, die in Gottes Zorn dahingestorben, Versammeln hier sich all' aus jedem Lande Und sind bereit, den Fluß zu überschreiten, Von ewiger Gerechtigkeit gespornet, So, daß die Furcht sich wandelt in Verlangen. Hier geht nie über eine gute Seele; Drum wenn sich Charon über dich beklaget, Magst du wohl wissen, was sein Wort dir tönet« Er schwieg, und rings erzitterten die düstern Gefilde plötzlich so, daß mich der Schrecken, Wenn ich dran denke, noch im Schweiße badet. Vom tränenreichen Land erhob ein Sturm sich, Begleitet von der Blitze rotem Leuchten, Das jeglicher Empfindung mich beraubte, Und nieder fiel ich, wie vom Schlaf umfangen.
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