Kapitel 1-1

1403 Parole
Kapitel Eins Zwei Jahre nach der Invasion. Ich konnte nicht glauben, dass schon zwei Jahre seit der Invasion vergangen waren und wir immer noch fast nichts über die Außerirdischen wussten, die sich auf der Erde niedergelassen hatten. Frustriert nahm ich die Brille ab und rieb mir die Augen, die müde davon waren, den ganzen Tag auf den Computerbildschirm zu starren. In den letzten zwei Wochen, seit ich mich dazu entschieden hatte, mich zu beweisen, indem ich einen aufschlussreichen Artikel über die Eindringlinge schreibe, habe ich nach einer Menge Informationen im Internet geforscht, aber alles, was ich bis jetzt hatte, waren Gerüchte, eine Reihe unzuverlässiger Augenzeugenberichte, einige pixelige YouTube-Videos und so viele unbeantwortete Fragen wie zuvor. Zwei Jahre nach dem K-Day waren die Krinar fast so geheimnisvoll wie damals, als sie ankamen. Mein Computer gab das Geräusch einer eingehenden Mail von sich und lenkte mich von meinen Gedanken ab. Als ich auf den Bildschirm blickte, sah ich, dass es eine E-Mail von meinem Redakteur war. Richard Gable wollte wissen, wann ich den Artikel über die zusammengewachsenen Welpenzwillinge für ihn parat haben würde. Zumindest war es nicht wieder eine dieser Der-Himmel-stürzt-ein-E-Mails von meiner Mutter. Seufzend rieb ich mir wieder die Augen und schob die Gedanken über meine verrückten Eltern, die mich ablenkten, beiseite. Es war schon schlimm genug, dass meine Karriere noch nicht begonnen hatte. Ich hatte keine Ahnung, warum alle anspruchslosen Artikel auf meinem Schreibtisch landeten. So war es schon, seit ich vor drei Jahren bei der Zeitung angefangen hatte, und ich hatte es satt. Im Alter von vierundzwanzig Jahren hatte ich ungefähr so viel Erfahrung damit, über echte Neuigkeiten zu schreiben, wie ein Praktikant. Jetzt reichte es, hatte ich letzten Monat entschieden. Wenn Gable mir keine echte Arbeit zuweisen würde, würde ich selbst eine Geschichte finden. Und was könnte interessanter oder umstrittener sein als die mysteriösen Wesen, die die Erde erobert hatten und nun inmitten der Menschen lebten? Wenn ich etwas – irgendetwas – Wissenswertes über die Krinar aufdecken könnte, wäre das ein entscheidender Beweis dafür gewesen, dass ich in der Lage war, größere Geschichten zu bewältigen. Ich setzte meine Brille wieder auf und schrieb schnell eine E-Mail an Gable, in der ich um ein paar zusätzliche Tage bat, um den Welpenartikel fertigzustellen. Meine Ausrede war, dass ich den Tierarzt interviewen wollte und Schwierigkeiten hatte, ihn zu erreichen. Das war natürlich eine Lüge; ich hatte sowohl den Tierarzt als auch den Besitzer interviewt, sobald ich den Auftrag erhalten hatte, aber ich wollte für ein paar Tage keinen weiteren seichten Artikel bekommen. Die Pause würde mir Zeit geben, ein interessantes Thema zu erforschen, auf das ich heute während meiner Nachforschungen gestoßen war: die sogenannten X-Klubs. »Hey, Kleine, irgendwelche Pläne für heute Abend?« Ich blickte zur vertrauten Stimme auf und grinste Jay an, meinen Kollegen und besten Freund, der gerade in mein winziges Büro gekommen war. »Nein«, sagte ich fröhlich. »Ich werde etwas Arbeit nachholen und dann auf meiner Couch rumhängen.« Er seufzte dramatisch und warf mir einen gespielt vorwurfsvollen Blick zu. »Amy, Amy, Amy … Was machen wir nur mit dir? Es ist Freitagabend, und du bleibst zu Hause?« »Ich erhole mich immer noch vom letzten Wochenende«, erwiderte ich, und mein Grinsen wurde breiter. »Also denk nicht, dass du mich so schnell wieder rauszerren kannst. Eine Nacht pro Monat im Jay-Stil feiern zu gehen reicht mir.« Party im Jay-Stil war ein unvergleichliches Erlebnis, das sich aus mehreren Wodka-Shots am frühen Abend, gefolgt von mehreren Stunden Klub-Hopping und einem Abendessen sowie Frühstück in einem koreanischen 24-Stunden-Diner zusammensetzte. Ich hatte nicht gelogen, als ich sagte, dass ich mich immer noch erhole – die Kombination aus Wodka und koreanischem Essen hatte mir einen Kater beschert, der sich eher wie ein schlimmer Fall von Lebensmittelvergiftung anfühlte. Ich konnte am Montag kaum aus dem Bett kriechen, um zur Arbeit zu gehen. »Ach, komm schon«, bat er, und seine braunen Augen ähnelten denen eines Welpen. Mit seinen dichten Wimpern, dem lockigen braunen Haar und den feinen Gesichtszügen war Jay für einen Mann fast zu hübsch. Ohne seinen muskulösen Körperbau hätte er feminin gewirkt. Doch so zog er Frauen und Männer gleichermaßen an – und genoss beide mit gleicher Begeisterung. »Tut mir leid, Jay. Vielleicht an einem anderen Wochenende.« Worauf ich mich jetzt konzentrieren musste, war mein Artikel über die Krinar … und die geheimnisvollen Klubs, die sie angeblich führten. Jay seufzte noch einmal. »In Ordnung, wie du willst. Woran arbeitest du gerade? Am Welpenartikel?« Ich zögerte. Ich hatte Jay noch nichts von meinem Projekt erzählt, vor allem deshalb nicht, weil ich nicht dumm wirken wollte, sollte ich keine gute Geschichte finden. Jay bekam auch nicht viele anspruchsvolle Aufträge, aber es machte ihm nicht so viel aus wie mir. Sein Ziel im Leben war es, sich zu amüsieren, und alles andere – seine Journalistenkarriere eingeschlossen – kam danach. Er dachte, Ehrgeiz sei etwas, was nur in Maßen nützlich sei, und setzte ihn nicht mehr als nötig ein. »Ich will einfach kein kompletter Versager für meine Eltern sein«, hatte er mir einmal erklärt, und diese Aussage fasste seine Einstellung zur Arbeit perfekt zusammen. Ich hingegen wollte mehr als kein Versager sein. Es störte mich, dass der Redakteur einen Blick auf meine erdbeerblonden Haare und puppenartigen Gesichtszüge geworfen und mich dauerhaft im Land der seichten Reportagen angesiedelt hatte. Ich hätte gedacht, dass Gable sexistisch ist, aber er hat das Gleiche mit Jay gemacht. Unser Redakteur hat keine Frauen diskriminiert, er hat nur Annahmen über die Fähigkeiten der Menschen aufgrund ihres Aussehens getroffen. Ich beschloss, mich endlich meinem Freund anzuvertrauen, und sagte: »Nein, nicht der Welpenartikel. Ich habe ein eigenes Projekt recherchiert.« Jay zog seine perfekt geformten Augenbrauen hoch. »Ach?« »Hast du schon mal von X-Klubs gehört?« Ich blickte mich kurz um, um sicherzustellen, dass wir nicht belauscht wurden. Glücklicherweise waren die Büros um mich herum weitgehend leer, und nur ein Praktikant arbeitete auf der anderen Seite der Etage. Es war fast 16 Uhr an einem Freitag, und die meisten Leute hatten eine Ausrede gefunden, um an diesem sommerlichen Nachmittag früher zu gehen. Jays Augen wurden groß. »X-Klubs? Wie in Xeno-Klubs?« »Ja.« Mein Herzschlag beschleunigte sich. »Hast du von ihnen gehört?« »Sind das nicht die Orte, an denen diese Leute, die verrückt nach Außerirdischen sind, sich mit den Krinar treffen?« »Genau die.« Ich grinste ihn an. »Ich habe heute erst von ihnen erfahren. Kennst du jemanden, der in einem war?« Jay runzelte die Stirn, ein Gesichtsausdruck, der auf seinem normalerweise fröhlichen Gesicht fehl am Platz aussah. »Nein, nicht wirklich. Ich meine, es gibt immer diesen ›Freund eines Freundes eines Freundes eines Freundes‹, aber niemanden, den ich persönlich kenne.« Ich nickte. »Genau. Und du kennst halb Manhattan, also sind diese Klubs, wenn sie existieren, ein streng gehütetes Geheimnis. Kannst du dir die Story vorstellen?« Mit meiner besten Sprecherstimme kündigte ich dramatisch an: »Alien-Klubs im Herzen von New York City? Die neuesten Nachrichten über die Krinar vom The New York Herald!« »Bist du dir da sicher?« Mein Freund sah skeptisch aus. »Ich habe gehört, dass diese Klubs in der Nähe der Siedlungen der Krinar sind. Willst du etwa sagen, dass es in New York City welche gibt?« »Das denke ich. Es gibt einige Gerüchte im Internet über einen Klub in Manhattan. Ich will ihn finden und sehen, was es damit auf sich hat.« »Amy … Ich weiß nicht, ob das eine so tolle Idee ist.« Zu meiner Überraschung schien Jay mehr beunruhigt als aufgeregt zu sein, und sein untypisches Stirnrunzeln vertiefte sich. »Du willst dich nicht mit den Krinar anlegen.« »Niemand will sich mit ihnen anlegen – deshalb wissen wir ja immer noch nichts über sie.« Meine frühere Frustration kehrte zurück. Es störte mich, dass alle noch so eingeschüchtert von den Eindringlingen waren. »Alles, was ich tun will, ist, einen sachlichen Artikel über sie zu schreiben. Konkret … über einige Orte, die sie angeblich häufig besuchen. Das wird ja wohl erlaubt sein. Wir haben in diesem Land immer noch Pressefreiheit, oder nicht?« »Vielleicht«, antwortete Jay. »Oder vielleicht auch nicht. Ich persönlich denke, dass sie alle Informationen löschen, die sie nicht veröffentlicht haben wollen. Früher war es so, dass wenn eine Sache im Internet war, sie für immer da war, aber das ist nicht mehr so.« »Glaubst du, sie könnten meinen Artikel irgendwie unterbinden?«, fragte ich besorgt, und Jay zuckte mit den Achseln. »Ich habe keine Ahnung, aber wenn ich du wäre, würde ich mich auf den Welpenartikel konzentrieren und die Krinar vergessen.«
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