Teufelsverschlinger 1

4471 Words
Am Anfang ist es nur ein leichtes Kribbeln, das wie tausend kleine Ameisen von seiner Schulter zu seinen Fingerspitzen wandert. Direkt dahinter kommt die Wärme, die seinen Verstand benebelt und jede Faser in seinem Körper entzündet bis sie eine alles verschlingende Hitze wird. Sein Rücken krümmt sich nach hinten, als er den Druck ausgleicht, kaum dass sich die gewaltige Feuersäule von seinen Fingern löst und in Richtung des Gesichts seines Gegenübers giert. Dieses Grinsen soll es verzehren und zu einer Fratze des Grauens machen. Er riecht das verbrannte Fleisch. Ein Lächeln legt sich auf seine Lippen, das jedoch jung stirbt. Vor seinen Augen schält sich das Gesicht seines Gegners ab, wirft die verkohlte Haut und damit den Gestank von sich, um erneut breit zu grinsen. Ein, zwei, drei Schritte kommt er auf ihn zu. Hochmut und Stolz durchziehen die grünen Augen, kaum dass er einladend die Arme von sich streckt. „Ist das Alles, was der berüchtigte Feuerteufel kann? So ein kleines Flämmchen? Dass ich nicht lache! Soll ich dir mal wahres Feuer zeigen?“ Man wartet nicht auf eine Antwort, sondern sein Gegner holt tief Luft. Den Oberkörper leicht nach hintengebeugt, um mehr Platz zu haben. Dann rast sie schon auf ihn zu. Eine gewaltige Wand aus alles verzehrenden schwarzen Feuer. Schützend hebt er die Arme vor sein Gesicht. Schmerz frisst sich durch seine Glieder und entzündet jeden Nerv, sodass er keine andere Information mehr weitergibt. Der Geruch nach verbrannten Fleisch kehrt zurück, doch dieses Mal bleibt er und trägt als Nachgeschmack einen endgültigen Tod in sich. „Merk dir eines? Niemand schlägt das schwarze Feuer der wahren Feuerteufel. Du bist nur ein kleiner Brandstifter und wirst nie zu uns gehören. Also, hör auf, dich als solcher auszugeben. Mit deinen roten Flammen bist du ein Nichts und wirst niemals etwas werden. Verstanden?“ Die Worte dringen durch den Nebel aus Schmerz nur gedämpft zu ihm durch, doch dann verschwindet das Gefühl der Hitze und zurück bleibt nur die Erinnerung an diese. Leicht pocht die Pein noch nach, aber sie findet keine Heimat mehr und zieht ebenfalls von dannen. Erst jetzt wagt er es, sich aufzurichten. Sein Körper ist unversehrt. Ohne jegliche Spur der Flammen, die ihn verschlangen. Nur die Erinnerung bleibt und frisst sich tiefer in seinen Geist, als das Kribbeln seines eigenen Feuers zurückkommt und seine Hand leicht zittert. Wo ist meine Macht hin? Ich habe mich doch so stark gefühlt. Nun ist alles weg. Ich bin ein Nichts. Ein Niemand, wie ich es vorher war. Derweil wollte ich die Welt verändern und Arschlöcher wie ihn in ihre Schranken weisen. Aber jetzt... Jetzt merke ich, dass ich meine Kraft falsch eingeschätzt habe. Wie erbärmlich. Das Kribbeln verändert sich. Aus der einstigen Wärme wird eine Kälte, die sich vom Herzen aus in seinem ganzen Körper ausbreitet. Sie kriecht bis in seine Zehen und Fingerspitzen. Sogar seine Ohren. Rauben die Hitze, die ihn seit diesem einen schicksalhaften Tag begleitet hat, und geben ihn etwas Neues. Blaue Flammen umspielen seine Finger, aber statt Wärme strahlen sie eine Kälte aus, die ihn frösteln lässt. Sie kriechen langsam seinem Arm empor und züngeln nach seinen schwarzen Haaren, ohne sie zu ergreifen, sondern bleiben stehen und warten. Warten auf einen Befehl. Er legt seine Hand auf dem Boden und das Feuer breitet sich um ihn herum aus. Die Leute in seiner Nähe schreien erschrocken auf, doch das Knistern der Flammen fängt den Großteil ihrer Laute ab. Selbst wenn nicht. Ihm sind sie egal. Er starrt fasziniert auf diesen kleinen Flammenkreis, der durch seinen Willen zu einer Mauer wird, die ihn vor allem versteckt. Aber auch jetzt dringt keine Wärme zu ihm durch. Nichts von der verschlingenden Hitze, die sich unbarmherzig über seinen Körper zog, als ihn das schwarze Feuer befiel. Er erhebt sich und kaum bricht der Kontakt ab, erlöschen die Flammen um ihn herum. Die an seinem Arm bleiben. Mit gemächlichen Schritten schreitet er durch die Straße. Ohne Ziel oder gar einem Gedanken, was er tun will. Treiben lassen. Er will sich treiben lassen. Die Passanten weichen vor ihm zurück und ihre Hände zittern, wenn sie auf ihn deuten. Die Gesichter sind kreidebleich und die Lippen beben, kaum dass sie ein Wort formen: „Teufel.“ Oh, nein. Das bin ich nicht. Ich bin nicht, wie dieser Widerling, der mich mit seinem schwarzen Flammen fast verbrannt hat. Mein Feuer raubt Wärme. Es verzerrt sie und wird auch ihm seine nehmen. Ich bin ein Teufelverschlinger. „Mama! Mama! Schau mal! Ich kann Feuer machen! Jetzt müssen wir im Winter nie wieder frieren!“ Seine kleinen Hände waren von Flammen umgeben, die sich an ihn klammerten, aber seine Haut nicht verbrannten. So oft hatte er im kalten Bett gelegen und sich nach Wärme gesehnt. Endlich wurde sein Flehen erhört. Sie war aus seinem Herzen gekommen und hatte seinen Arm entzündet, doch ohne ihn zu verbrennen, sondern nur um die Kälte zu vertreiben. Jetzt konnte er nützlich sein und seine Familie musste nicht mehr frieren. Egal, ob sie Feuerholz hatten oder nicht. Allerdings blieb die Freude, die er erwartete, aus. Das Gesicht seiner Mutter wurde kreidebleich und ihre Augen waren noch nie so groß gewesen. Sie versuchte, nach seiner Hand zu greifen, doch zuckte zurück, kaum dass ihre Haut von den Flammen verbrannt wurde. Der Geruch krallte sich in seine Nase und verewigte sich in seinem Geist als sein ewiger Begleiter. „Warum verbrennst du nicht? Hast du einen Pakt mit dem Teufel geschlossen?“, hauchte sie fassungslos und starrte ihn weiter an. Er überlegte kurz und dann erinnerte er sich: „Da war kein Teufel. Nur ein kleines, schwarzes Männlein mit spitzen Ohren und roten Streifen. Es hatte einen langen, sehr dünnen Schwanz, weswegen ich nicht sich bin, ob es wirklich ein Männlein war und nicht ein Tier. Ich sollte ihm nur böse Seelen bringen, und dann würde es mir die Macht verleihen euch zu wärmen.“ Er sah auf seine Hände, die immer noch von dem sanften Feuer umschlossen waren, und lächelte dann traurig, bevor er fortfuhr: „Ich dachte, das wäre okay. Es gibt ja viele böse Menschen und die können ruhig sterben. Ich will nur auch mal helfen. Papa ist doch schon ganz wütend, weil ich nur Essen wegfresse und nichts tue.“ Tränen stiegen in seine Augen und die Hilflosigkeit, die er sonst immer nur unter der Decke wahrnahm, kehrte zurück in sein Herz. Er schluchzte leise, als die erste salzige Perle über seine Wange glitt und wischte sie sofort wieder weg. Sie verdampfte zischend in den Flammen auf seinen Händen und seine Mutter ging vor ihm auf die Knie. „Es... es ist okay. Aber dein Feuer darf niemand sehen. Auch Papa nicht. Kannst du es verschwinden lassen?“ Sie berührte ihn sanft mit ihren Fingern am Unterarm und lächelte liebevoll. Selbst wenn es die Sorge und die Trauer nicht aus ihren Augen vertreiben konnte, beruhigte es ihn. Doch er zuckte mit den Schultern und sah ratlos auf die Flammen. „Ich weiß es nicht. Hab es noch nicht probiert.“ Er konzentrierte sich auf die Wärme, die sich beim Feuer sammelte und versuchte, sie zurückzuholen. Tiefer in sich hinein. Es funktionierte. Die Flammen um seine Hände wurden immer kleiner und seine Mutter stöhnte erleichtert auf. Umschloss einen Arm komplett, um ihn Kraft zu geben. „Ja, du schaffst es. Nur noch ein bisschen, dann-.“ Das Krachen der Tür unterbrach sie und schwere Schritte kamen näher. Ihre Hände zitterten leicht und er wusste, was das bedeutete. Instinktiv versuchte er sich zu beeilen, doch die Wärme entglitt ihm immer wieder. Der Griff seiner Mutter wurde stärker. Schon fast schmerzhaft, als sie ihn mit Blicken zur Eile drängte. „Ich bin zuhause, Weib. Wo ist das-?“ Die dunkle Stimme stockte und die Kälte, die sich im Raum ausbreitete, verschlang den letzten Rest der Flammen, doch zu spät. Seine Mutter zerrte ihn sofort schützend hinter sich und stellte sich dem bulligen Mann in den Weg. „Geh zur Seite, Weib!“ Es war keine Bitte, sondern ein eiskalter Befehl, den sie verweigerte. „Nein, er ist ein Kind. Unser Kind.“ Ein Schnauben war die einzige Antwort, dann wurde sie von ihm weggerissen. Krachend riss sie die Stühle, gegen die sie fiel, mit sich zu Boden und war er schon da. Baute sich über ihn auf und verschlang all den Stolz, den er vorher zwecks des Feuers verspürt hatte. „Du bist mit dem Teufel im Bunde! Wir können keinen Teufelsbraten brauchen! Ich wusste schon immer, dass du nur Unheil bringst! Ich hätte dich gleich in der Wiege erschlagen sollen!“ Jedes Wort kam gepresst und mit so viel Zorn über die bärtigen Lippen, dass sie sich unaufhaltsam in seine Seele bohrten. Zerrissen sein gesamtes Sein und hinterließen nur ein Feld puren Chaos und Leids. „Ich... ich kann uns wärmen. Wir... wir müssen nicht... nicht mehr frieren“, stotterte er und holte erneut das Feuer hervor. Es war warm und nahm ihn die Kälte, die der Erwachsene in ihm hinterließ. „Teufelskind! Hier hast du kein Zuhause! Wir sind ein frommes Haus! Der Satan darf hier nicht bleiben!“ Sein Vater packte ihn hart am Kragen und zerrte ihn in Richtung Tür. Verzweifelt suchte er Halt, doch seine nackten Füße fanden keinen auf dem kalten Boden und ein Nagel riss ihm ein, als er sich an eine leicht erhobene Holzlatte mit den Zehen kurz festkrallte. Du musst mir nur hin und wieder eine böse Seele verbrennen, dann kannst du das Feuer für immer behalten. Die Worte hallten in seinem Kopf wieder und schon ergriff er den Arm seines Vaters. Sofort züngelte das Feuer nach der Kleidung des Mannes und verbiss sich darin. Kroch höher und verzerrte alles, was ihm im Weg stand. Dort war erneut der Geruch von verbranntem Fleisch, der dieses Mal kein Bedauern, sondern ein euphorisierendes Glücksgefühl in ihm auslöste. Sein Vater ließ von ihm ab und taumelte unter Schmerzen schreiend einige Schritte zurück. Hektisch versuchte er, das Feuer auf seinem Körper auszuklopfen, bevor er sich über den Boden rollte. Aber nichts half. Die Flammen blieben und ergriffen von dem gesamten Leib besitzt, um mit dem Leben auch die Schreie zu ersticken und zu verzerren. Als nur noch vereinzelte Stellen brannten, tauchte sein Paktpartner auf und trat an den schwarzen Leichnam. Ein weißer Schimmer erschien, den das kleine Wesen begierig in sich aufsaugte und dann genüsslich schmatzte, bevor es sich mit seiner roten, klauenbesetzten Hand über den Mund strich. „Die Seele war köstlich. Du hast es also verstanden, Junge. Das freut mich. Liefere mir mehr von ihnen und dein Feuer wird niemals erlöschen.“ Es kicherte zum Schluss und verpuffte in einer kurzen Flamme. Durch ein Stöhnen hinter ihm drehte er sich hektisch um und eilte zu seiner Mutter. Sie hielt beim Aufrichten ihren Kopf und die Augen waren eng zusammen gekniffen. Das Feuer an seinen Händen hatte er wieder in seinen Körper zurückgeholt, sodass er sie ohne Bedenken berühren und ihr beim Aufstehen helfen konnte. „Ist alles okay, Mama?“, fragte er sie besorgt. Außer einer leichten Platzwunde an der linken Stirn konnte er keine Verletzungen entdecken und ihr Nicken bestätigte seine Vermutung. Erleichterung zauberte ein Lächeln auf seine Lippen und er umarmte sie kurz. Doch sie drückte ihn nach zwei Sekunden weg und ging auf den Leichnam ihres Mannes zu. „Was hast du getan? Was... was hast du nur getan?“ Ihre Stimme zitterte und konnte allein durch die Stille in dem Haus bestehen, doch er verstand ihre Reaktion dennoch nicht. „Ich habe uns von Papa befreit. Jetzt kann er uns nicht mehr wehtun.“ Sie fiel neben ihn auf die Knie und weinte bitterlich, als sie ihn in ihre Arme zog. Er verstand es nicht. Wieso ist sie nicht stolz auf mich? Ich habe uns gerettet. Er wollte mich wegbringen und uns trennen. Ich habe uns doch endlich befreit. Jetzt kann er uns nie wieder wehtun. Wieso weint sie um ihn? Er war ein schlechter Mensch. Das hat auch das Männlein gesagt. Solche Menschen muss ich ihm bringen und um solche weint man aber nicht. Er näherte sich ihr und berührte sie mit seiner Hand an der Schulter. „Ich... er wollte mich wegbringen. Er hat mir weh getan. Wir sind jetzt frei, Mama. Er kann uns nicht mehr weh tun.“ Noch einmal umarmte er sie, doch es kam keine Erwiderung. Nur das Schluchzen und die Tränen, die seine Leinenkleidung tränkten. Wieso hört sie nicht auf zu weinen? Ja, ich bin ja auch traurig. Ich habe jetzt keinen Papa mehr. Aber Papa war immer schlecht zu mir und hat uns oft weh getan. Er hat uns nicht geliebt. Seine Umarmung blieb. Er hielt sie weiter fest. Solange bis sie ihn endgültig von sich stieß und er alleine auf dieser Welt wandelte. Nur er und das schwarz-rote Männlein. „Der Kontakt mit dem schwarzen Feuer war das Beste, was dir passieren konnte. Es hat den passenden Hass in dein Herz gepflanzt und nun kannst du mir die richtig bösen Seelen bringen. Das wird ein Spaß, sag ich dir.“ Das Männlein sitzt auf seiner Schulter und klatscht voller Vorfreude in die Hände. „Aber, sind das nicht Leute, wie ich?“ Er versucht zu verstehen, ob er am Ende sich selbst jagen soll, oder ob ihn noch etwas anderes von seiner Beute unterscheidet als nur das Feuer, das sie in sich tragen. „Nein, es sind flüchtige Dämonen, die sich gerne als Teufel ausgeben, aber an sich so viel mit ihm gemeinsam haben, wie jeder andere. Der Boss hätte sie am liebsten wieder bei sich in der Hölle, um ihren Hochmut vernünftig bestrafen zu können, und da kommst du ins Spiel. Wenn du sie mit deinem Feuer verbrennst, kann ich ihre Seelen einsammeln und abliefern“, erklärt sein Begleiter die neuen Umstände, aber er versteht es nicht ganz. „Was passiert mit mir, wenn alle Seelen gefangen sind?“ Angst schwingt in seiner Stimme mit und lässt sie leicht zittern, doch sie wird abgewunken und mit einem kurzen Zischen abgetan. „Das passiert nicht. Dämonen sind ein sündiges Volk. Immer wieder brechen welche aus. Der Nachschub ist gesichert und so auch dein Arbeitsplatz an meiner Seite. Mach dir da keine Sorgen. Solange du gute Arbeit leistest und dich nicht selbst als Teufel bezeichnest, passt alles.“ Er schaut auf seine Hand, die auf einen kurzen Gedanken hin von blauem Feuer umschlossen wird. Es fühlt sich anders an. Kälter, aber auch erbarmungsloser. Mit einem kurzen mentalen Befehl erlischt es wieder und er sieht, wie ein normaler Mensch aus, der unbehelligt durch die Welt wandern kann. „Und was bist du dann? Auch ein Dämon?“ Die Stille zwischen ihnen wirkt falsch und an sich hatte er diese schon öfters gestellt, aber nie eine richtige Antwort bekommen. Nur, dass die Zeit dafür nicht reif war. Vielleicht ist sie das ja jetzt? „Ich bin ein so genanntes Irrlicht. Ein Spross des Teufels, wenn man so will. Ich kann in den Herzen von intelligenten Leben den Funken erwecken, wie ich es bei dir getan habe, um damit dann auf Seelenjagd für den Teufel zu gehen. Das Fegefeuer ist nämlich kein Vorort der Hölle, sondern das sind wir. Das Feuer, das alle Sünder irgendwann holen und direkt in die Hölle schicken wird.“ Ehrfurcht fährt durch seinen Körper und lässt ihn leicht erschaudern. Solch eine Macht soll ich haben? Das ist doch Irrsinn. Wie konnte er einen Jungen zu solch einer Waffe machen? Ist er des Wahnsinns? Als hätte das kleine Wesen seine Gedanken gelesen, antwortet es ihm sofort darauf: „Du hattest die nötige Motivation und den Ehrgeiz. Ich habe in dein Herz gesehen, dass du eine reine Seele hast, die perfekt für so eine Aufgabe ist.“ „Aber der Teufel darf doch keine reinen Seelen in Besitz nehmen.“ Es verwirrt ihn, dass dies scheinbar das einzige Kriterium für solch eine Stelle sei. Das Irrlicht auf seiner Schulter schüttelt erneut den Kopf und sieht ihn an, als wäre er dumm. „Deine Seele ist ja auch nicht im Besitz des Teufels. Wir sind sozusagen Partner. Sie gehört ganz alleine dir und solange sie rein bleibt, ist alles Tutti.“ Sein Magen verknotet sich bei dem letzten Satz und der Tragweite, die ihm mit jedem Atemzug stärker bewusst wird. Der Knoten wird größer und macht ihm seine Atmung schwer, verdrängt alles aus seinen Gedanken und macht diese träge. Sein Körper sinkt unter dem Gewicht leicht ein. „Was passiert mit mir, wenn meine Seele nicht mehr rein ist?“ Die Frage ist nur ein Hauch, doch sie wiegt schwer und legt sich wie Blei über die beiden Partner, die so ungleich durch die Welt ziehen. Es verhallt in dem Dickicht des Waldes, der ihr nächstes Ziel schützend umschließt. „Dann löst sich unser Pakt auf und-.“ Das Irrlicht bricht ab und lauscht in die Stille um sie herum. Er selbst kann nur die normalen Geräusche wahrnehmen, doch dann zieht etwas in seinem Inneren und er weicht instinktiv einen Schritt zurück. Der schwarze Feuerball versengt ihn seine Augenbraue und erfüllt die Luft mit dem Geruch verbrannter Haare. Die Kühle des Waldes schickt einen kurzen Schauer durch seinen Körper, kaum dass die Hitze des Angriffes verschwindet. „Du hast es doch tatsächlich überlebt.“ Ein kehliges Lachen erklingt und zwischen dem Geäst tritt die Gestalt hervor, die sein Antrieb ist. Diese grünen Augen sind immer noch voller Stolz und lassen die Galle in ihm aufsteigen, die er bitter schluckt. „Aber das ist kein gutes Zeichen. Vor allem nicht dieser Idiot von Irrlicht Azrael auf deiner Schulter. Wie viele hast du schon verschlungen?“ „Drei.“ Seine Antwort ist kühl und er strafft seinen Körper, streckt die Brust heraus und spürt das Kribbeln der Flammen in seinen Fingern. Ihn will er haben. Er soll brennen. Ganz langsam vergehen und dabei soll dieser Hochmut in diesen widerlichen Augen sterben, wie bei all denen vor ihm. Diese Seele wird er mit Freuden zurück in die Hölle befördern. „Junge, pass auf deine Gedanken auf“, ermahnt ihn sein Partner, der immer noch auf seiner Schulter sitzt und ihm dann sanft an die Schläfe fasst. „Lass dich von ihm nicht verderben.“ „Asmodeus, du weißt nur allzu gut, was passieren kann, wenn dein schwarzes Feuer einen Feuerträger trifft. Deine Überraschung ist also nicht gerade überzeugend, aber auch du sollst zurückkehren. Diabolus hat deinem Tun lange genug zugeschaut“, wendet sich Azrael an den Dämon vor ihnen, der jedoch nur ein Lachen für ihn übrig hat. „Der alte Knacker kann mich mal. Hier oben macht es viel mehr Spaß. Kannst ihm ausrichten, dass ich keinen Bock habe, zurückzukommen. Ich versau lieber hier ein paar Seelen.“ Schwarzes Feuer ummantelt erneut die Hand des Dämons und löst sich als Feuerball von dieser. Er stoppt den Angriff mit einer gewaltigen Wand aus blauem Flammen. „Du hättest lieber darauf achten sollen, dass ich wirklich tot bin. Ich werde dich mit Vergnügen zurück in die Hölle schicken!“ Das Feuer bleibt an seiner Hand, bevor es sich begierig von dieser löst und nach dem Körper des Dämons züngelt. Da es nur nach fleischlichen Leben trachtet, erlöschen die Flammen beim Kontakt mit Holz und anderen Pflanzen nach wenigen Sekunden von selbst. Sie haben kein Interesse an diesen leblosen Objekten. „Oh je, hast du das gehört, Azrael? Das klingt aber nicht nach einer reinen Seele. Ein Verschlinger, der Spaß an der Jagd hat? Scheinbar war es doch kein Fehler dich das Feuer überleben zu lassen.“ Asmodeus fängt die Flammen ab, die sich aber an seinen Körper haften und beginnen ihn zu verbrennen. Der Geruch von verbranntem Fleisch dringt in seine Nase, doch das überhebliche Grinsen verschwindet nicht von dem Gesicht des Dämons. Er fixiert weiter seinen Gegenüber und Azrael wird auf seiner Seite unruhig. Er rutscht hin und her, berührt noch einmal die Schläfe seines Partners. „Achte auf deine Gedanken. Ich weiß, dass du ihn hasst und seinen Tod willst, doch es ist nur ein Dämon und wenn du dich darin verlierst, dann-.“ Erneut bricht Azrael ab. Das Feuer beginnt sich anders anzufühlen. Sich zu verwandeln. Die Kühle weicht einer Hitze, die er so nicht kennt und die sich tiefer in sein Herz gräbt, als es die Kälte je tat. Sie nährt sich an dem Hass, der in ihm tobt und das helle Blau des Feuers wird immer dunkler. Stirb! Er soll sterben! Dafür, dass er mich wie mein Vater ansieht. Diese Verachtung, der Spott und der Blick von oben herab! Er soll dafür verbrennen! Niemand darf mich so ansehen! Ich bin ein Teufelverschlinger! Alle müssen vor mir niederknien und Angst haben! Ich kann sie alle verbrennen und mit ihm fange ich an. Mit diesem überheblichen Grinsen, das ich ihm aus seinem Gesicht brennen werde. „Nein, bitte. Denk daran, warum du damit angefangen hast! Du wolltest deine Mutter wärmen und nützlich für deine Familie sein. All die schlechten Menschen bestrafen, die anderen Unrecht tun. Asmodeus hat viel Leid verursacht. Mit seinen Flüstern die Sterblichen zu Dingen bewegt, die Familien, Beziehungen und Leben zerstört haben. Töte ihn deswegen. Verbrenne ihn mit diesen Gedanken und nicht, weil er dich zu dem gemacht hat, der du bestimmt bist zu sein.“ Nur langsam dringen die Worte von Azrael in seine Gedanken ein und er stockt. Sein Feuer versiegt. Dort ist seine Mutter, die ihn erschrocken ansieht und ihn darum bittet, dass er seine Fähigkeit versteckt. Sein Vater, der ihn eiskalt vor die Tür setzen will und dann das Feuer, das von endlosen Tränen erstickt wird. Die Hitze verschwindet aus seinem Herzen und jeder weitere Schlag wird schwerfälliger als der davor. Sein Arm sinkt und das Feuer erlischt. Nur die kleine Hand von Azrael bleibt auf seiner Schläfe und das enttäuschte Schnauben, das die Stille durchbricht. „Tz, wie kann man nur so ein Idiot sein? Du hättest unendliche Macht bekommen! Die ganze Welt wäre dir zu Füßen gelegen! Wir hätten so viel Spaß zusammen haben können. Frauen verführen. Männer mit Zorn erfüllen. Alles, was dein Herz begehrte, wäre dein gewesen.“ „Nein, mein Herz begehrt nur eines.“ Die Worte sind leise, doch der sanfte Wind trägt sie in die Welt hinaus. „Ich will die Erde von allen bösen Seelen befreien. Menschen, wie meine Mutter, sollen ohne Angst leben können und Glück finden in den Armen, die sie lieben.“ Das blaue Feuer, das bis eben nur den Arm von Asmodeus befallen hat, breitet sich weiter aus und Schmerz durchzuckt das Gesicht des Dämons. Das Lächeln gefriert gänzlich und weicht einer Maske des Zorns, als er erst mit kräftigen Schlägen und Klopfen versucht, das Feuer zu löschen, bevor er dann sein eigenes schwarzes zu den Jungen schickt. Es wird von den blauen Flammen erdrückt und verschlungen, so wie es immer mehr von dem Körper des Dämons einnimmt und der beißende Geruch von verbranntem Fleisch die Aromen des Waldes überschattet. „So einfach wirst du nicht gewinnen, Junge. Ich bin Asmodeus! Einer der stärksten Dämonen! Dein Feuer ist zu schwach! Du kriegst mich nicht!“ Mit diesen Worten hüllt er sich komplett in seine schwarzen Flammen und verschwindet vor ihren Augen in diesen. Suchend züngelt die blaue Glut über die versengte Stelle, aber dann erlischt sie gänzlich. „Das war knapp und die Begegnung wird er nicht so schnell vergessen“, lacht Azrael auf seiner Schulter, doch der Groll krallt sich in das Herz des Verschlingers. „Er ist entkommen. Seine Seele hätte dir bestimmt geschmeckt. Ich hätte ihn schneller verbrennen müssen.“ „Ach, mach dir da keinen Kopf, Maldiel. Wenn wir ihn das nächste Mal sehen, dann wird er uns nicht entkommen. Wir haben Zeit. Ganz viel Zeit. Ich bin nur froh, dass du dich noch einmal besonnen hast.“ Dort ist wieder seine Leichtigkeit, die das kleine Wesen auf seiner Schulter so sympathisch macht. „Was wäre denn passiert, wenn ich mich diesem Hass hingegeben hätte?“ Neugier trieft aus seiner Stimme, aber er bekommt von Azrael nur ein sanftes Lachen zurück. „Ach, das ist nicht wichtig. Wir achten einfach darauf, dass das nicht mehr geschieht, okay?“ Die Antwort stellt ihn nicht zufrieden, doch das leise, glückliche Summen von seinem Begleiter zeigt ihm, dass er keine andere bekommen wird. Zumindest jetzt nicht, aber er kann diese Hitze nicht vergessen, wie sie alles in ihn verschlang und nur noch den Zorn zurückließ. Er ballt seine Hand zur Faust und sie entzündet sich mit blauem Feuer, das sich kühl, wie der sanfte Wind an einem heißen Sommertag, anfühlt. Langsam wandern die Flammen auf seinen gedanklichen Befehl höher, bis sie bei seiner Schulter sind. „Bist du eine gute Seele, Azrael? Gibt es unter Dämonen überhaupt gute Seelen?“ Das Summen neben seinem Ohr verstummt und die Leichtigkeit der Situation zerreißt unter der stummen Drohung, die in seinen Worten liegt. „Wie meinst du das? Was... was hast du vor?“ Die Stimme von Azrael zittert leicht und er kommt ins Stocken, kaum dass die blauen Flammen über die Brust des Jungen zu ihm herüber wandern und nach seinen kleinen Füßen züngeln. „Spinnst du?! Wir sind Partner! Natürlich bin ich eine gute Dämonenseele. Ich jage die Schlechten! Wir gehören zusammen! Du darfst mich nicht verbrennen!“ „Aber du bist doch auch ein Teufel oder nicht?“ Die Kühle bleibt in seiner Stimme und die Augen des kleinen Irrlichts weiteten sich voller Angst. Sie tanzen zwischen seinem Profil und den blauen Flammen hin und her. „Nein, ich bin ein Irrlicht. Das sind die Boten des Teufels, so wie die Engel, die Gesandten von Gott sind. Wir-.“ „Aber alles, was vom Teufel kommt, ist böse oder nicht?“, unterbricht der Jüngling das kleine Wesen, das zu stottern beginnt: „Ja, aber nein, aber ja. Das ist nicht so einfach. Aber vertrau mir, Maldiel, mich zu verbrennen ist eine ganz dumme Idee. Du wirst dann deine Fähigkeit als Verschlinger verlieren und das willst du doch nicht, oder? Du willst doch Asmodeus und all seine Kameraden läutern, oder nicht? Jetzt, komm schon, Maldiel, lösch dein Feuer und lass uns die nächste böse Seele finden, ja?“ Nur langsam ziehen sich die blauen Flammen zurück, über die Schulter, den Arm hinunter, in die Hand und verschwinden dort. Azrael atmet erleichtert aus und entspannt sich wieder. Sein Lächeln wirkt leicht gequält, doch er versucht, es mit hohlen Sätzen zu überspielen: „Das war die richtige Entscheidung. Los, lass uns ins Dorf gehen. Ich bekomm allmählich Hunger und vielleicht finden wir dort ja eine böse Seele.“ Maldiel nickt ihm zu, doch der Zweifel an seinem Kameraden bleibt in seinem Herzen und nistet sich dort ein, um langsam zu wachsen und zu gedeihen. Gibt es überhaupt gute Dämonen?
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