Kapitel13

866 Worte
Kapitel 13 Ethans Sicht „Maurice“, sagte ich bestimmt, aber ruhig. „Atme tief durch.“ „Ich kann nicht.“ Sie presste die Fäuste an ihre Brust. „Ich kriege keine Luft … ich kann nicht …“ Sie verlor das Gleichgewicht und sank gegen mich. Ich fing sie auf, bevor sie auf den Boden aufschlug. Ihre Stirn presste sich gegen meine Schulter, und sie klammerte sich verzweifelt an mein Hemd. „Alles wird gut“, flüsterte ich. „Ich bin da.“ Sie zitterte heftiger. „Bitte lass sie mich nicht finden.“ „Niemand weiß, dass du hier bist.“ Ihr Atem ging stoßweise und schmerzhaft. Ich legte einen Arm um ihren Rücken und stützte sie. Sie wich nicht zurück; sie weinte nur; erst leise, dann, als ob der Damm endlich gebrochen wäre. Jeder Schluchzer fühlte sich an wie eine Geschichte, die sie viel zu lange in sich getragen hatte. „Ich schicke dich nicht weg“, sagte ich. „Ich lasse niemanden an dich heran.“ Sie klammerte sich fester an mich, zitternd, ihre Stimme bebte. „Alles ist weg, alles.“ Ich drängte sie nicht, etwas zu erklären; sie hielt sich nur mit Mühe zusammen. „Du bist hier sicher“, wiederholte ich, diesmal langsamer, um sicherzugehen, dass sie jedes Wort verstand. „Darauf kannst du dich verlassen.“ Sie senkte den Kopf, und ihre Tränen trafen mein Schlüsselbein. Ich rührte mich nicht, ich hielt sie einfach nur fest, während sie weinte und ihr erlaubte, all das herauszulassen, was sie seit dem Tag, an dem ich sie im Meer gefunden hatte, still mit sich herumgetragen hatte. Nach einer Weile verlangsamte ihr Weinen sogar ihren Atem ein wenig. Es ging ihr nicht gut. Ganz im Gegenteil, aber sie ertrank nicht mehr. „Du zitterst“, sagte ich sanft. „Es tut mir leid“, flüsterte sie leise. „Ich wollte nicht, dass du mich so siehst.“ „Du brauchst dich nicht zu entschuldigen.“ Sie wischte sich mit dem Handrücken übers Gesicht, doch die Tränen wollten nicht ganz versiegen. Ihre Augen waren geschwollen und rot. „Du solltest dich ausruhen“, sagte ich. Sie schüttelte den Kopf. „Wenn ich schlafe, kommt es wieder.“ „Der Albtraum?“, fragte ich, und sie nickte. Ich holte tief Luft. „Was hast du gesehen?“ Ihre Lippen öffneten sich, doch sie zögerte. Die Erinnerung war offensichtlich schmerzhaft. „Es ist jede Nacht dasselbe“, sagte sie schließlich. „Das Wasser, ihre Gesichter.“ Ihre Stimme wurde leiser. „Und die Stimmen, die mir sagten, ich hätte es verdient.“ Mein Kiefer verkrampfte sich. „Du hast nichts davon verdient.“ Sie umarmte wieder ihre Knie und krümmte sich zusammen. „Es hat sich real angefühlt.“ „Jetzt ist es nicht mehr real“, sagte ich. „Du bist hier, du hast überlebt.“ Sie blinzelte verwirrt, fast so, als hätte sie nicht erwartet, dass jemand das sagte. Bevor ich noch etwas sagen konnte, schwang die Tür auf. „Alpha-“ Ryan erstarrte, als er uns sah. Sein Blick huschte von mir zu Maurice. „Entschuldigung“, sagte er schnell. „Aber wir haben einen Notfall.“ Ich stand langsam auf und half Maurice, sich wieder ans Bett zu setzen. „Was ist passiert?“, fragte ich. Ryans Gesichtsausdruck wurde ernst. „An der Westgrenze haben die Wachen mehr verdächtige Bewegungen als sonst festgestellt. Es sieht organisiert aus.“ Maurice erstarrte augenblicklich, ihr ganzer Körper verkrampfte sich, als hätte das Wort „Verbrecher“ einen Schalter in ihr umgelegt. Ich bemerkte es, Ryan bemerkte es, aber keiner von uns sagte etwas. „Wie viele?“, fragte ich. „Sie zählen noch“, antwortete Ryan. „Aber es ist kein Zufall, sie testen etwas.“ Maurices Atem ging wieder schneller, und sie starrte auf den Boden, ihre Finger krallten sich in die Decke. Ich trat näher an sie heran. „Alles in Ordnung“, sagte ich leise. Aber sie entspannte sich nicht, nicht ein bisschen. Die Angst in ihren Augen war scharf, echt und tief – zu tief, als dass ein normaler Angriff eines Verbrechers sie hätte auslösen können. Irgendetwas an den Grenzen, irgendetwas an dem Wort „Verbrecher“ – es traf sie wie ein Messerstich. „Maurice.“ Ich ging leicht in die Hocke, um ihr Gesicht zu sehen. „Du bist hier sicher, niemand wird dich holen.“ Ihre Lippen öffneten sich, aber kein Laut kam heraus. Es war, als wüsste sie etwas, was wir nicht wussten. Ryan warf mir einen Blick zu. „Alpha, wir müssen gehen.“ Ich nickte, wandte aber den Blick nicht von Maurice ab. „Wir kümmern uns darum“, sagte ich zu ihr. „Niemand wird dieses Gebiet betreten.“ Doch sie entspannte sich immer noch nicht, ihre Schultern zitterten und ihr Blick blieb starr auf den Boden gerichtet. Und zum ersten Mal seit ihrer Ankunft war Angst nicht die einzige Emotion, die ich in ihr sah. Ich erkannte, was sich da nahe der Grenze bewegte, und sie wusste etwas darüber. Und damit änderte sich der Tag.
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