Kapitel Eins
Der Rauch kringelte sich in einem dünnen, silbrig-grauen Band zur Decke der Hütte der Heilerin hinauf, und die Luft war durchzogen vom Duft nach Kamille, Salbei und trocknendem Kiefernharz. Der kupferne Kessel, der über den Glutresten hing, blubberte leise und stetig und füllte die Stille. Die Bank, auf der ich saß, knarrte jedes Mal, wenn ich versuchte, mich bequemer hinzusetzen. Unter dem Ärmel meines Umhangs war meine Haut kalt, doch meine Handflächen schwitzten, als hätte ich Fieber.
„Atme tiefer, Seraphine“, sagte die Heilerin und legte ihre Hand auf mein Handgelenk. Ihre Haut war trocken, auf ihren Fingern grünliche Flecken – Pflanzensäfte. „Es wird nicht wehtun.“
Ich nickte. Meine Kehle zog sich zusammen. Zum Rauch und den Kräutern hatte sich ein feiner, aber unverkennbarer Geruch gesellt: das Rudel. Auf den Regalen der Hütte standen Glasphiolen, mit Knochen verziert und gefüllt mit dunklen, opalisierenden Flüssigkeiten. Alte Düfte drangen aus den Balken – der Regen draußen, Felle, die klamme Kälte von Steinwänden.
Meine Wölfin war still in mir, aber nicht schlafend. Sie regte sich irgendwo tief, wie ein Wald, der unter Schnee erwacht.
„Hör zu“, flüsterte sie in mir, diese raue, instinktive Stimme, die nicht meine ist und doch zu mir gehört. „Etwas verändert sich.“
„Ich weiß“, antwortete ich in Gedanken, und meine Hand glitt zu meinem Bauch. Der Blick der Heilerin folgte der Bewegung, doch sie sagte nichts. Ihr Gesicht war ruhig, ihre Augen wie dunkles Moorwasser: tief und geduldig.
„War dir in den letzten Wochen schwindlig?“ fragte sie leise. „Morgendliche Übelkeit? Gerüche, die dir früher nie den Magen umgedreht haben?“
„Ja“, brachte ich hervor. „Der Rauch … Braten … sogar frisches Brot ist manchmal zu süß.“
„Verstehe.“ Sie nickte. „Und deine Wölfin?“
„Wachsamer. Beschützender“, gestand ich.
Die Heilerin trat näher; ihre Ohren zuckten kaum merklich – auch sie war eine Wölfin, und in solchen Momenten prüfte sie nicht nur mit den Augen. Ihre Hand schwebte sanft über meinem Bauch; sie berührte mich nicht einmal, und doch spürte ich jede Faser unter meiner Haut zittern unter ihrer Aufmerksamkeit. Die Luft zwischen uns schien eine Nuance dichter zu werden.
„Still“, bedeutete sie. „Hör einfach.“
Ich schloss die Augen. Das Knistern des Feuers kam näher und entfernte sich zugleich, der Rauch legte sich wie ein langer, feiner Schal um meine Schultern. Der Atem der Heilerin wurde sehr leise; meiner passte sich langsam an. Meine Wölfin bewegte sich hinter meinem Brustbein – drängte sich nicht vor, übernahm nicht, legte nur ihre Pfote auf mein Herz, ein wortloses Signal, aufzupassen.
Die Heilerin berührte meine Schläfe mit zwei Fingerspitzen; ihre andere Hand ruhte auf meinem Handgelenk. Blut pochte unter meiner Haut; ich kannte seinen Rhythmus. Doch als ich in der Stille saß, kam etwas unendlich Feines hinzu, kaum wahrnehmbar und doch unbestreitbar – ein zusätzlicher Schlag. Kein zweiter Herzschlag, eher wie wenn zwei Bäche sich im Wald treffen und das Wasser für einen Moment beide Stimmen trägt.
Ich öffnete die Augen. Das Gesicht der Heilerin war glatt geworden; der Mundwinkel zuckte, dann wurde er wieder ernst. Sie sah nicht aus wie jemand, der gerade eine feierliche Nachricht verkünden will. Ich holte tief Luft, und sie nickte.
„In dir ist Leben“, sagte sie schlicht. „Neben deinem eigenen noch ein weiteres. Du bist mit Kind.“
Das Wort „Kind“ schien zu groß für diese schmale Hütte. Die Luft hielt für einen Herzschlag inne. Tief in meinem Bauch löste sich ein Knoten, und an derselben Stelle wurde eine neue, ungewohnte Spannung geboren. Keine Angst – Gewicht. Ein angenehmes, schweres Gewicht.
„Bist du sicher?“ fragte ich, obwohl ich die Antwort schon unter meiner Haut spüren konnte.
„Sicher“, nickte sie. „Die Zeichen deines Körpers sind klar, und deine Wölfin weiß es ebenfalls. Ich habe ihre Reaktion gehört.“
In mir schüttelte sich meine Wölfin wie nach einem Bad. Ein Gedanke pochte durch sie:
„Beschützen.“
Meine Kehle schnürte sich zu. Meine Hand ballte sich unter dem Umhang zur Faust, dann entspannte sie sich langsam. Ich versuchte zu lächeln, doch die Mundwinkel zitterten nur.
„Atme tief“, sagte die Heilerin und nahm ein dünnes Glasfläschchen vom Regal. „Ein Schluck morgens, ein Schluck abends. Es beruhigt deinen Magen und schadet dem Kleinen nicht. Meide unnötige Anstrengung und plötzliche Bewegungen. Ruh dich so viel aus, wie du kannst.“
Bei den Worten „unnötige Anstrengung“ zuckten meine Schultern automatisch. Daran hatte es in den letzten Wochen nicht gefehlt. Robert – mein Alpha – hatte sich verändert. Nicht stürmischer, nicht wilder; im Gegenteil, sein Schweigen war dichter geworden. Ein Schweigen, in dem man seine eigenen Schritte falsch hört. Früher folgte mir sein Blick, seine Stimme wurde warm, wenn er zu mir sprach. Jetzt wandte er den Kopf ab, als lausche er etwas in sich, das ich nicht verstand.
„Alles in Ordnung?“ fragte die Heilerin. Sie sah mich an, und als ich nicht antwortete, neigte sie leicht den Kopf. „Er?“ fragte sie sanft, ohne seinen Namen zu sagen.
„Beschäftigt“, sagte ich kurz. „Rudelsachen …“ Der Satz blieb mir auf der Zunge stecken. Ich wollte mich nicht beklagen. Nicht hier, nicht jetzt, wo diese Nachricht sich wie etwas Reines anfühlte.
„Alphas tragen viele Lasten“, sagte sie, als lese sie meine Gedanken. „Aber diese Lasten dürfen nicht im Weg stehen, wenn es ums Wachen geht. Wenn du mich brauchst, ruf. Auch nachts.“
Ich nickte. Tränen stachen in meinen Augenwinkeln. Ich wandte mich rasch ab und tat, als studierte ich die Kräuterbündel an der Wand. Die Heilerin machte kein Aufheben: Sie bereitete schmale Stoffbeutel vor, mit Tinte beschriftet: „Morgen“, „Abend“, „Übelkeit“, „Ruhe“. Jede Bewegung sicher, wie jemand, der dasselbe tausendmal getan hat und genau weiß, warum er es tut.
„Du musst ordentlich essen“, fuhr sie fort und drückte mir den ersten Beutel in die Hand. „Geflügel, leichte Brühen, Wurzelgemüse. Deine Wölfin wird mehr verlangen“, fügte sie mit einem schwachen Lächeln hinzu. „Hör auf sie. Aber kämpfe nicht, renn nicht und meide unnötige Adrenalinschübe. Wenn dein Körper sich fürchtet, kann deine Wölfin übernehmen. Es ist wichtig, dass sie jetzt versteht: Schutz kann auch leise sein.“
„Ich verstehe“, brummte meine Wölfin in mir zurück. „Wenn nötig, kümmere ich mich um alles.“
„Ruhig“, strich ich ihr innerlich über den Nacken. In meinem Kopf berührten sich unsere Stirnen. „Keine Drohungen. Wir halten Wache.“
Ich erhob mich. Die Bank ächzte. Für einen Herzschlag wurden meine Beine schwer, als wolle die Erde mich festhalten; dann, als ich zur Tür ging, löste die kühle Frische der Luft die Enge in meiner Brust. Die Heilerin rief mir ein wenig zu spät nach:
„Seraphine.“
Ich drehte mich um.
„Was du fühlst, ist echt“, sagte sie. „Keine Einbildung. Auch die Freude ist echt. Bewahre sie. Sie wird auch dich bewahren.“
„Ich werde sie bewahren“, sagte ich, und ich glaube, zum ersten Mal lächelte ich so, wie ich es wirklich fühlte.
Ich trat hinaus in den Nachmittag. Die Wolken zogen in breiten, blassgrauen Streifen, wie eine Wintermähne über dem Rücken eines Tieres. Die Dorfstraße war lebendig: Kinder rannten, jagten einander; aus der Schmiede dröhnte das rhythmische Hämmern; ein Hund bellte. Alles war vertraut. Und doch war es, als hätte sich ein feiner Schleier über diese Vertrautheit gelegt – durchsichtig, warm, schützend.
Meine Hand glitt wie von selbst zu meinem Bauch. Meine Wölfin regte sich – drängte nicht, beugte sich nur, wie eine Wölfin sich über ihr Junges beugt, um seinen Atem zu hören.
„Ich höre es“, brummte sie in mir. „Nicht seine Stimme – seine Präsenz. Es ist da.“
Ich lächelte. Ich fühlte mich so leicht, dass meine Schritte kaum den Boden berührten. Ich drückte das Bündel der Heilerin an meine Brust. Der Weg vom Dorf zum Palast auf dem Hügel zog seine gewohnten Kurven. Der Wind fing mein Haar auf, küsste mein Ohr und lief weiter. Am Tor richteten sich die Wachen auf, als ich näherkam, dann entspannten sie sich, als sie mich erkannten.
„Seraphine“, nickte einer, ein junger Wolf mit noch welpenhafter Neugier in der Nase. „Alles in Ordnung?“
„Alles in Ordnung“, antwortete ich, und erst danach bemerkte ich, wie wahr das war.
Innerhalb der Palastmauern war die Luft kühler. Der Geruch von Stein – altes Wasser, Moos, Eisen – füllte meine Brust. Vom Trainingshof kam der Duft frischer Kratzspuren: Sand, Blut und der bittere Hauch von Schweiß. Meine Wölfin stellte die Ohren in diese Richtung. „Es ist keine Gefahr“, beruhigte ich. „Alles ist vertraut.“
Ich stieg die Stufen des Palastes langsamer hinauf. Mein Körper schützte sich instinktiv: Ich trat etwas bedächtiger, meine Hand verweilte länger am Geländer als sonst. Die Diener glitten durch die Korridore, im stillen Einklang mit den Steinen. An den Wänden alte Schnitzereien – Wölfe und Monde, Wälder und Blut. Unsere eigenen Geschichten. Und doch spürte ich, dass zwischen diese alten Bilder eine neue Linie gezogen werden würde, dünn und unauslöschlich.
Mein Zimmer empfing mich still. Gedämpftes Licht fiel durch schwere Vorhänge, die Glut im Kamin glomm. Ich legte meinen Umhang ab und hing ihn über einen Stuhl. Ich sah auf meinen Bauch, als könnte man schon etwas sehen – natürlich noch nicht. Trotzdem begann ich, mit ihm zu sprechen.
„Du bist da“, flüsterte ich. „Kannst du mich hören?“
Meine eigene Stimme wurde weicher, und meine Wölfin rückte mit einem unzufriedenen Knurren näher, das zugleich tadelte – „mach deine Stimme nicht klein; du bist stark!“ – und Zärtlichkeit war. Ich lächelte.
Ich stellte die kleinen Stoffbeutel der Heilerin auf die Kommode. Die Buchstaben, die sie darauf geschrieben hatte, waren schwarz, gerade Striche: Morgen, Abend, Übelkeit, Ruhe. „Ordnung“, dachte ich, und das Wort beruhigte mich. Ich setzte mich auf die Bettkante und schloss einen Moment die Augen. Hinter der Dunkelheit flackerten kurze helle Bilder: kleine Hände, die meine suchten; weicher Atem an meinem Hals; zwei Farben – meine und seine – in einem Blick.
Roberts Gesicht tauchte ebenfalls auf, aber es war von etwas verschwommen, das ich nicht abschütteln konnte: In letzter Zeit hatte ich mich in seinen Augen weniger gesehen. Als lebte sein Blick immer in der Ferne, auf einem Punkt, zu dem ich nicht eingeladen war.
„Er hat sich verändert“, gab ich mir endlich ehrlich zu, ohne Ausreden. Meine Wölfin schnaubte leise.
„Wenn er dich nicht ansieht, sehe ich dich“, sagte sie. „Ich bin immer da.“
Es machte es nicht leichter, aber klarer. Dann berührte mich ein Gedanke: Vielleicht würde diese Nachricht die alte Wärme zwischen uns zurückbringen. Das Junge würde auch seines sein. Die Zukunft eines Rudels lebt in seinen Jungen, in der Fortsetzung unseres Blutes, in der ungebrochenen Kette. Wie könnte er sich davon abwenden?
Ich stand auf und ging zum Fenster. Im Hof wechselte die Wache; Schritte schlugen einen sicheren Rhythmus auf den Steinen. Die Luft trug den Geruch von Brot und Zwiebeln aus den Küchen, und von fern die Kühle der Kiefern. Meine Hand lag auf der kalten Fensterbank; meine Haut drückte sich gegen den Stein. In mir erhob sich meine Wölfin und blickte in meinem Körper umher, um sicherzugehen, dass alles in Ordnung war.
„Ich werde stark sein“, sagte ich – nicht nur zu ihr, sondern zu mir selbst. „Für dich auch.“
„Für uns“, korrigierte sie. „Zusammen.“
Das Wort füllte sich wieder mit Bedeutung: „zusammen“. Nicht nur ich und meine Wölfin, sondern auch der, der in mir Gestalt annahm. Und – so hoffte ich – wieder mit Robert. Der Gedanke klopfte sanft zurück, wie ein leises Anklopfen an einer Tür.
Die Sonne sank tiefer, und das Licht zog sich länger über die Wände. Ich nahm einen Schluck des Tees, den mir die Heilerin gegeben hatte: Ein bitterer, tiefer Geschmack blieb in meinem Mund, doch mein Magen beruhigte sich dankbar. Ich setzte mich auf das Fell am Kamin und ließ die Wärme meine Beine hinaufsteigen. Meine Gedanken zerstreuten sich nicht mehr. Sie ordneten sich: Morgen werde ich früh aufstehen, zum Markt gehen, frischen Heilsalbei holen, wie die Heilerin geraten hat, eine leichte Brühe für mich kochen. Wenn Robert Zeit hat, werde ich an der Tür der großen Halle warten, und wenn er heraustritt, werde ich es ihm sagen, im Luftzug, der an seinem Umhang zerrt. Kein Drama, kein Flehen – einfach sagen. Die Tatsache. In einer Stimme, die er respektiert.
Meine Wölfin schnurrte – das ist das menschlichste Wort dafür. „Es wird gut.“ In ihrer Stimme war kein Zweifel. „Wenn er nicht aufpasst, sorge ich dafür, dass er es tut.“
Ich lachte leise, ein einziger Atemzug. „Keine Drohungen, erinnerst du dich?“
„Nein. Nur Präsenz“, schoss sie zurück. „Unsere Präsenz ist stark.“
Ein Funke knackte; Glut sprühte auf und starb. Von draußen drang der Ruf einer Eule herein. Mein Körper wurde angenehm schwer; nicht diese Erschöpfung, die erdrückt, sondern wie wenn wandernde Rudel endlich Wasser finden und einen Moment wirklicher Ruhe geschenkt bekommen.
Im Bett legte ich meine Hand noch einmal auf meinen Bauch. Ich flehte nicht; ich versprach nichts. Ich hörte nur. In der Stille – die nicht leer war – hörte ich wieder diesen kaum wahrnehmbaren zusätzlichen Schlag, wie das Geräusch zweier Bäche für einen flüchtigen Moment. Meine Wölfin atmete mit mir, langsam und tief.
„Wir sind hier“, sagte sie schließlich. „Und von jetzt an machen wir alles anders. Nicht schwächer. Klüger.“
„So wird es sein“, antwortete ich.
Am Rande des Schlafs blitzte eine Erinnerung auf: Roberts altes Lächeln, als er sich zu meiner Schulter neigte und flüsterte: „Halt den Kopf höher, Kleine.“ Das Wort – „Kleine“ – war früher warm gewesen; jetzt war es kälter. Aber ich wich nicht davor zurück. Ich stellte Geduld daneben. Und zwischen sie – zwischen uns – stellte ich dieses neue Leben.
Die Dunkelheit schloss mich nicht ein. Sie deckte mich zu. Die Worte der Heilerin – „Die Freude ist echt“ – blieben in meinem Ohr. Die meiner Wölfin – „Beschützen“ – in meiner Brust. Dazwischen, irgendwo sehr tief, bewegte sich etwas, sanft.
Ich kann nicht alles bis morgen verändern. Aber heute, in dieser ersten reinen Stille, begann ich anders zu atmen. Und manchmal reicht das, um Geschichten in eine neue Richtung zu schicken. Unsere beginnt hier. Und obwohl jenseits des Waldes Schatten ziehen – weil sie immer ziehen –, fürchte ich sie zum ersten Mal nicht. An der Stelle, an der Angst lebte, hat etwas anderes Platz gefunden. Etwas, das stärker ist als das Geräusch.
Etwas, das Leben ist.