Kapitel Drei

2815 Worte
Zuerst war die Dunkelheit nur warm und lautlos. Dann tropfte etwas Kaltes in die Stille: das dünne Pfeifen eines Luftzugs aus dem Korridor, das leise Knistern der Glut, das Tropfen einer Kerze, als fiele langsamer Regen auf Stein. Doch mein Körper wollte nicht zurückkehren. Jeder Teil von mir lebte sein eigenes Leben, und jeder sagte Nein zur Bewegung. Die Kühle der Steine biss mir in den Rücken. Ein scharfer, schneidender Schmerz saß an meinen Rippen; in meinem Bauch pochte ein dumpfer, unerbittlicher Krampf. Meine Kehle brannte – das Nachkratzen eines trockenen, mahlenden Griffs – und jeder Atemzug ritzte sie von innen, als klebte ein raues Seil daran. Ich versuchte, den Kopf zu heben, doch das Düsternis wurde dichter und zog mich wieder hinab. „Atme“, knurrte meine Wölfin in mir. Sie bat nicht. Sie befahl. „Langsam. Mit mir.“ Ich gehorchte. Die Luft war bitter, voller Rauch und Eisen. Lichter trieben unter meinen Lidern, und als ich sie endlich öffnete, war die Welt zugleich zu scharf und zu fern. Das Bein des umgestürzten Tisches zeigte zur Decke, Suppe hatte sich als dunkler Fleck über den Stein ergossen, und die Scherben zerbrochener Teller glitzerten im Kerzenlicht wie Splitter von Knochen. Ein langer, nachbräunender Streifen lief die Wand hinab – ich wollte nicht wissen, ob er der meine war. Robert war nirgends. Einen Moment lang zuckte Erleichterung durch mich, doch sofort folgte Panik. Wenn er nicht hier war, konnte er zurückkommen. Und wenn er zurückkam, würde er mich so finden. Die Ohren meiner Wölfin zuckten in mir; sie lauschte, roch in die Luft, als wäre meine Brust ein Wald, in dem der Wind Nachrichten hin- und herträgt. „Jetzt“, flüsterte sie. „Solange er nicht hier ist.“ Ich bewegte mich, und mein Körper heulte. Instinktiv flogen meine Hände zu meinem Bauch. Die Haut unter meiner Handfläche war warm und gespannt, doch dieses feine, geheime Summen, das ich seit Tagen gespürt hatte – jener zusätzliche Schlag, von dem die Heilerin gesprochen hatte – schien zurückgetreten zu sein, dorthin, wo ich es nicht erreichen konnte. Warme Nässe lief mir an der Innenseite des Oberschenkels hinab. Ich sah hinunter. Es war dunkel. Zu dunkel für Hoffnung. Mein Herz krampfte, als hätte man es in kaltes Wasser getaucht. Meine Wölfin heulte nicht. Sie hatte keine Stimme dafür. Nur ein tiefes, pfeifendes Atmen, das nicht meines war und doch in mir brach. „Nicht jetzt“, krächzte ich, vielleicht zu ihr, vielleicht zu mir selbst. „Jetzt gehen wir weiter.“ Ich stemmte den Arm gegen den Stein, um mich auf die Seite zu rollen. Der Protest meiner Rippen fuhr wie ein Blitz durch mich, meine Lungen ließen die Luft pfeifend entweichen. Meine Handfläche glitt in der verschütteten Brühe; der Geruch von Blut und Fleisch riss einen Abgrund in meinen Magen. Meine Stirn stieß gegen den Stein; ich schmeckte mein eigenes Blut. Ich wartete, bis ich vom Rand der Schwärze zurücktrat. Ich trat zurück. „Steh auf“, sagte meine Wölfin. „Nicht sauber, nicht schnell. Nur: steh auf.“ Ich zog mich auf die Knie. Der Stein schabte schmerzhaft darunter; meine Handflächen rutschten in salziger Brühe und Blut, doch die Rauheit der Wand hielt mich. Ich zog mich hoch. Mit jeder Bewegung zersägten tausend kleine Messer die Luft in mir. Endlich stand ich. Der Raum kippte, aber ich fiel nicht. Die Tür klaffte auf der entfernten Seite. So weit weg, als hätte sich der Raum zwischen uns um zwei Zimmer gedehnt. Ich presste die Hand wieder auf meinen Bauch; die Wärme, die zu meinem Oberschenkel hinabrann, hörte nicht auf. Meine Wölfin krümmte sich in mir um mich, wie eine Wölfin ihren Körper um ein Junges krümmt im Sturm – doch es gab niemanden mehr zu umschließen. Nur mich. „Schritt“, flüsterte sie. „Einen Fuß vor den anderen. Nicht zurückblicken.“ Ich setzte mich in Bewegung. Beim ersten Schritt knackte etwas in meinem Knöchel; beim zweiten lief ein metallisches Dröhnen durch meine Rippen; beim dritten entschied mein Verstand, dass es genug sei, und der Boden kam plötzlich zu nah. Ich lehnte mich an die Wand, meine Stirn ruhte am kalten Stein. Kerzenlicht flackerte neben mir, Schatten tanzten in den Augenwinkeln. „Steh“, sagte meine Wölfin. „Jetzt. Wenn er zurückkommt, sind wir verloren.“ Die Klinke war kalt unter meiner Handfläche. Ich fürchtete, sie würde quietschen und die ganze Burg wecken. Langsam, vorsichtig drückte ich sie hinunter. Das Holz seufzte nur. Die Öffnung tat sich auf wie ein Rachen, der schwache Versuche verschluckt. Ich glitt hindurch. Im Korridor war es kälter. Die Fackeln zogen lange, zitternde Lichtbänder über den Stein; die geschnitzten Wölfe an den Wänden bewegten sich am Rand meines Blicks, als würden sie wachen. Die Luft trug den Nachtsgeruch der Burg: Asche, feuchter Stein, Eisen und ein dünner Film Kälte, der das Fackellicht dämpfte. Jeder Schritt hallte. Instinktiv versuchte ich mich zu bewegen wie Wildtiere: leise, das Gewicht verlagernd, losen Kies zwischen den Steinen meidend. „Rechts“, sagte meine Wölfin. „Der Gang der Diener.“ Ich kannte den Weg. Meine Hand glitt an der abgesunkenen Türzarge entlang und suchte die Fugen, an denen man das Holz neben dem Schloss anstoßen konnte. Ich stemmte die Schulter an und biss mir bei dem Protest der Rippen auf die Lippe. Die verborgene Tür gab nach, und der schmale, dunkle Gang hauchte mir seine Kühle entgegen. Ich trat ein. Drinnen war die Dunkelheit dichter, und die Gerüche kamen näher: muffige Leinwand, gewaschene Kleider, altes Harz, die Zeit zwischen Wänden gefangen. Meine Schritte machten hier weniger Lärm, doch jede Bewegung erinnerte mich: Schmerz lässt sich nicht aussperren – nur so lange ertragen, wie nötig. Meine Wölfin ging mir in mir voraus; sie bewegte sich vor meinen Gedanken, als könnte sie die ausgebrochenen Stufenkanten fühlen, die losen Steine, den Luftzug um die Biegung. Die erste Rast nahm ich in der niedrigen Nische hinter der Wäscherei. Ich sank auf eine Truhe und ließ für einen Moment den Druck von meinem Bauch. Mein Blut hatte den Saum meines Rocks getränkt. Meine Kehle hätte schluchzen wollen, doch meine Stimme ließ es nicht hinaus. Die Tränen bewegten sich nur hinter meinen Augen. „Ich bin da“, sagte meine Wölfin, ihre Stimme jetzt tief und weich wie Moos. „Ich lasse dich nicht gehen.“ „Du bist spät“, antwortete ich in Gedanken. Nicht aus Zorn. Nur als Feststellung. Auf dem Regal in der Nische lagen kleine, vertraute Dinge, staubbedeckt: ein Holzmesser, mit dem ich Gemüse schnitzte; ein Stück polierter Knochen von den Amuletten der Mägde; eine halbe Paar Wollhandschuhe. Reste eines Lebens – Ordnung und Arbeit, Bewegungen, jeden Tag wiederholt. Plötzlich schien es, als könnte ich, wenn ich hierbliebe, ein Stück dieser eintönigen Sicherheit zurückgewinnen. Doch hinter der Wand lag der große Saal, in dem heute Nacht meine Welt gekippt war. Ich stand auf. Meine Beine waren taub, meine Hüfte protestierte, doch meine Hand, die an der Wand entlangglitt, trug meinen Körper weiter. Die Treppe der Diener war steil, das Geländer glatt gescheuert. Blut hinterließ eine schmierige Spur auf meiner Handfläche. Ich setzte die Füße sorgsam zwischen die Steine, horchte, ob eine Stufe knarrte, ob sich ein Schatten im Eck verschob. Ich öffnete und schloss den Mund, lautlos vor der Nase, stahl der Luft und dem Geruch Informationen. Die Wache kam um diese Stunde selten in die Hinterriegel. Selten, aber nicht nie. Am Absatz lauschte ich. Der Korridor trug einen hufschlagähnlichen Hall – keine Hufe, Stiefel. Zwei Stimmen. Eine brummte tief, die andere antwortete kurz. Ich wartete, bis sie vorbei waren. Ein Schritt stockte, als hätte jemand angehalten, um die Luft zu wittern. Meine Wölfin zog sich in meiner Brust zu einem kleinen, reglosen Knäuel zusammen. Dann gingen sie weiter. Ich auch. Bei der Küche schlüpfte ich durch die offene Tür. Halbdunkel lag über dem großen Raum; im Herd waren nur noch Glutreste, die Deckel der großen Töpfe ruhten ohne Dampf. Ein dunkelblauer Umhang lag an der Wand; ich griff ihn und warf ihn mir über die Schultern. Ein Wasserkrug hing an einem Haken; ich nahm ihn ab und trank mit zitternden Händen. Das Wasser war kühl und pflügte durch die versengten Furchen meiner Kehle. Ich musste mich zügeln, nicht zu viel auf einmal zu trinken. Meine Wölfin wachte für mich. „Genug“, brummte sie. „Übertreib nicht. Weiter.“ Hinter der Küchentür lag der Hinterausgang zum Hof. Das Schloss hatte nur einen einfachen Holzriegel; ich hob ihn mit der Handfläche an. Mein Handgelenk zitterte, meine Rippen protestierten, aber das Holz gab nach. Die Öffnung atmete mir die Nacht entgegen: feucht, mit den Düften von Kiefer und Brand. Über der Mauer stand eine schmale Sichel des Mondes, und ihr Licht blitzte über dem Reif an den Kanten der Pflastersteine. Ich trat hinaus. Der Burghof war weit und leer. Der Sand des Übungsplatzes lag als dunkler Fleck zwischen den Steinen, der Rand des Brunnens schimmerte blass, die Pferde an den Koppeln bliesen in die Nacht. Auf den Zinnen zog eine Patrouille ihre Runde; ihre Schatten streckten sich lang über die Mauer. Zum Haupttor konnte ich nicht. Das kleine Seitentor kauerte hinter der Schmiede, halb im Schatten. Ich musste dorthin. Ich zog den Umhang über den Kopf. Ich maß jeden Schritt; ich beobachtete jeden Schatten. Wenn ich rannte, würde ich stürzen. Wenn ich eilte, machte ich Lärm. Wenn ich hielt, würden sie mich erwischen. Jeder Teil meines Körpers wehrte sich gegen Bewegung; jede Regung in meinem Bauch brachte einen neuen Krampf, doch die Furcht war stärker als der Schmerz. Meine Wölfin zählte meine Schritte. „Jetzt“, flüsterte sie, als der Wächter sich abwandte. „Jetzt an der Mauer entlang. In den Schatten der Schmiede.“ Ich glitt an der Mauerbasis entlang. Die Tür der Schmiede stand halb offen; drinnen glomm nur noch die Glut, und die Luft hielt den Geruch von Rauch und schweißgetränktem Eisen. Am Tor wog ich die Schwere des Eisenriegels: ein schlichtes Schloss, aber rostig. Es würde beim ersten Bewegen kreischen. Panik stieg mir wieder die Brust hinauf. „Still“, murmelte meine Wölfin. „Fürchte nicht voraus. Tu es.“ Der Riegel war kalt und rau. Mein Handgelenk schmerzte, als ich ihn anhob. Das Metall stöhnte, der Rost bröckelte, und das Geräusch schien zu groß für die Stille der Nacht. Ich erstarrte. Schritte verlangsamten sich oben auf der Zinne. Ein Herzschlag. Zwei. Dann gingen sie weiter. Ich ließ den angehaltenen Atem aus mir heraus. Das Tor gab nach. Die Öffnung war zu schmal für meinen ganzen Körper, wenn ich mich nicht seitlich drehte. Ich schob mich hindurch. Etwas Scharfes zischte mir unter den Rippen. Ich presste die Zähne aufeinander, meine Augen verengten sich zu Schlitzen. Mein Umhang verfing sich am Pfosten; ich riss ihn los, die Naht knackte, hielt aber. Ich glitt durch. Am Ende des Seitenwegs war die Mauer nicht mehr hoch; von dort führte eine Treppe in den unteren Garten, und von dort eine schmale Gasse zum äußeren Tor. Die Bäume darunter standen als hohe, dunkle Massen, und dahinter der Wald. Der Rand der pechschwarzen Tiefe war, als hielte jemand ein schwarzes Tuch, bereit, es jeden Moment fallen zu lassen. Ich stieg hinab. Reif glasierte die Stufen; mein Fuß rutschte, meine Handflächen fingen den Stein, Staub und Kalk packten sich unter meine Nägel. Die letzten drei Stufen sprang ich, weil mein Körper die Qual kleiner Schritte nicht mehr ertrug. Schmerz stach mir in die Hüfte, als ich mich fing, doch zum Halten blieb keine Zeit. Ich wählte die Dunkelheit der Gasse; die Feuchte der Mauer streifte meine Schulter. Ich kuschelte mich in den Umhang, mein Atem perlte als Nebel vor meinem Gesicht. Dann überholte mich in der Stille eine andere Stille: die innere. Der Puls tief in meinem Bauch, der vor Stunden versprochen hatte, ich sei nicht allein, zog sich zurück, wie die Flut, die das Meer vom Ufer nimmt. Eine neue, warme Welle rann mir den Oberschenkel hinab, hinterließ in der Kniekehle einen dunkleren Streifen. Mein Herz setzte aus; mein Magen gab auf – ich beugte mich über die Steine und würgte trocken. Nichts kam, nur der Schmerz in meiner Kehle. „Ich bin da“, sagte meine Wölfin. Diesmal nicht an meiner Brust, sondern von irgendwo tiefer her, als spräche sie aus meinen Knochen. „Noch da. Du auch.“ Ich lehnte mich an die Mauer und ließ für zwei Atemzüge nur die Zeit existieren. Aus der Ferne kam das Bellen eines Hundes, näher das Quietschen eines Tores, noch näher das langsame Tropfen meines eigenen Blutes auf den Stein. Jedes Geräusch sagte: weiter. Wenn ich jetzt links abbog, das äußere Tor; rechts der Umweg hinter den Sträuchern zu den Lücken, wo die Mauer den steilen Hang trifft. Am Tor stand Wache; bei den Sträuchern vielleicht niemand. Meine Wölfin hatte schon entschieden. „Rechts“, wies sie. „Zu den Kiefern. Der Schatten ist tief an ihren Wurzeln.“ Ich setzte mich zur dunkleren Seite in Bewegung. Die Dornen der Büsche hakten sich in meinen Rock, zogen feine Linien über meinen Umhang und ritzten meine Haut. Kälte kroch mir unter das Futter bis zur Taille und lief mir die Wirbelsäule hinauf. Unter den Kiefern gab der Boden nach, und das trockene Flüstern der Nadeln verschluckte das Geräusch meiner Schritte. Am Fuß der Mauer, neben dem alten Steinabfluss, hielt ich an. Die Öffnung war schmal, doch das Wasser hatte über die Jahre ihren Rand ausgenagt. Als Kind war ich einmal aus Übermut hindurchgekrochen und lachend im Schlamm gelandet. Jetzt war ich erwachsen, und der Schlamm war kälter. Ich kniete. Sterne platzten mir vor Schmerz ins Blickfeld, aber es gab keine andere Wahl. Meine Schulter passte; meine Rippen protestierten; eine Zacke Stein riss einen Streifen aus meinem Kleid. Die Hand, die auf meinen Bauch gepresst war, wurde taub. Ich schob mich Zoll für Zoll voran. Meine Wölfin trommelte mir in der Kehle. „Nicht anhalten“, sagte sie. „Noch zwei Ellenbogen. Noch einen.“ Auf der anderen Seite des Kanals nahm mich ein in die Erde geschnittener Graben auf; dahinter standen schon die Bäume auf den Steinen des Waldes. Das Moos war feucht, die dunklen Knoten der Wurzeln standen wie geballte Fäuste aus dem Hang. Ich kam auf die Knie und grub die Hände ins Gras. Die Sterne starrten mit kühlem Licht herab. Die Burg stand hinter mir: eine hohe, schwere Silhouette gegen die Dunkelheit. Ich sah noch einmal zurück. Ich trauerte nicht um die Mauern oder Steine. Ich trauerte um das Stück meines Lebens, das geglaubt hatte, ein einziges Wort reiche für eine Zukunft. „Gehen wir“, sagte ich. „Gehen wir“, antwortete meine Wölfin. Ich stand auf. Meine Beine zitterten, aber sie trugen. Ich zog den Umhang fester um mich, zog die Kapuze tiefer über die Stirn. Die Wärme, die mir den Oberschenkel hinabfloss, erschreckte mich nicht mehr – ich wusste, was sie bedeutete, und ich wusste, dass dieser Schmerz hier nicht gelebt werden durfte. Zuerst musste ich leben. Der Schatten der ersten Kiefer verschluckte mich. Der Duft der Nadeln füllte meine Lungen, und obwohl jeder Atemzug schmerzte, war etwas Reineres in diesem Schmerz. Steine rutschten unter den Füßen, Wurzeln hakten sich an meine Schuhe, meine Hand platzte auf, als ich zu Boden ging, doch ich stand wieder auf. Hinter mir klappte etwas an der Mauer – vielleicht eine Tür, vielleicht nur der Wind. Mein Herz sprang; meine Wölfin hob den Kopf. Ich drückte mich näher an die Bäume. In der Dunkelheit hatte jedes Geräusch Gewicht: der leise schaukelnde Flug von Eulen, die vorsichtigen Schritte eines Fuchses, dumpfe, unbekannte Regungen aus den Tiefen des Waldes. Jeder Nerv in meinem Körper stand offen, und in dieser überspannten Wachsamkeit geschah etwas Merkwürdiges: Die Furcht gab einem anderen Gefühl Raum. Keine Freude, keine Erleichterung. Ein störrischer, kaum flackernder Entschluss, der nur sagte: noch ein Schritt. Ich machte noch einen Schritt. Dann noch einen. Die Bäume standen dichter. Das Licht der Burg strich nur noch in dünnen gelben Nähten dazwischen hindurch, dann verschwand es ganz. Ich hielt einen Moment inne und ließ die Dunkelheit meine Gestalt annehmen. Meine Hand lag über meinem Bauch. Ich suchte nichts mehr unter meinen Fingern. Ich grüßte nur den, der blieb: mich selbst, meine Wölfin, meinen Körper, der sich noch bewegen konnte. „Ich halte dich“, flüsterte meine Wölfin. „Tust du“, flüsterte ich zurück. Und ich brach auf zum Herzen des Waldes, durch die Kiefern, dem Geruch kalter Erde folgend, auf einem Pfad, den ich noch nicht gesehen hatte und der sich doch schon unter meinen Füßen gezeichnet hatte. Die Burg hinter mir wurde nur noch ein Gewicht, kein Zuhause. Die Zukunft vor mir war kein Versprechen, nur eine Aufgabe: jenes Grenzland zu erreichen, von dem man sagt, man könne es nicht überschreiten. Heute fragte ich nicht, ob das stimmt. Heute ging ich – und lebte.
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