Prolog - Tessa

298 Worte
Ein Abend, ein Spiel, ein Blick – und plötzlich war nichts mehr Routine. ›Du weißt, was du tust‹, sagte ich mir jedes Mal, bevor ich aufs Spielfeld lief. Die Lichter, die Tribünen, der Lärm – alles hatte seinen Platz, seine Reihenfolge. Es war wie ein gut geprobter Tanz: Lächeln, Winken, Springen, Wiederholen. Es war sicher, geplant und vor allem: Es fühlte sich nicht mehr echt an. An diesem Abend war alles wie immer – bis er kam. Ich sah ihn nicht zum ersten Mal. Logan Reyes, Nummer 7, der Typ, der mehr mit seinem Baseballschläger als mit Menschen sprach. Ruhig, unnahbar, meistens mit Kopfhörern in den Ohren und einem Blick, der sagte: ›Stör mich nicht.‹ Ich hatte ihn nie wirklich beachtet. Nicht, weil er mir egal war – sondern weil ich ihn nie einordnen konnte. Und ich ordne Menschen gern ein. Das macht's einfacher. Aber in dem Moment, als ich vom Feld kam und meine Wasserflasche suchte, saß er da. Allein. Auf der untersten Reihe der Tribüne. Abseits von den anderen. Die Kappe tief ins Gesicht gezogen, der Blick auf das Spielfeld gerichtet. Und dann – sah er mich an. Nicht dieses übliche Sehen, wie wenn man jemandem aus Versehen in die Augen schaut. Nein. Er sah mich wirklich. Direkt. Still. Als ob er in etwas hineinsah, das ich so sorgfältig versteckt hatte, dass ich vergessen hatte, es überhaupt zu fühlen. »Alles klar bei dir?«, fragte er. Ganz normal. Ganz beiläufig. Aber seine Stimme war tief, ruhig, ehrlich. ›Lächeln. Sag ja. Dreh dich um.‹ Stattdessen antwortete ich: »Nicht wirklich. Und wie geht es Ihnen?« Ein Moment, ein ungeplantes Gespräch. Ein kleiner Riss in meinem perfekt gewebten Alltag. Und ich wusste: Ich hatte die Routine gerade verloren. Oder vielleicht – endlich losgelassen.
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