Prolog

497 Worte
PROLOG Der Krinar ging die Straße in Moskau entlang und beobachtete gelassen das Gewimmel der Menschenmassen um ihn herum. Als er an ihnen vorbeiging, konnte er die Angst und die Neugier auf ihren Gesichtern erkennen, den Hass fühlen, der von manchen der vorbeieilenden Passanten ausstrahlte. Russland war eines der Länder, die während der Großen Panik den größten Widerstand geleistet hatten – und einen dementsprechend hohen Preis dafür zahlen mussten. Die Kombination einer größtenteils korrupten Regierung und einer Bevölkerung, die Autorität generell misstrauisch gegenüberstand, hatte dazu geführt, dass viele Russen die krinarische Invasion zum Anlass nahmen, nach Lust und Laune zu plündern und so viele Vorräte zu horten, wie sie nur bekommen konnten. Selbst jetzt, fünf Jahre später, waren einige Schaufenster in Moskau immer noch leer, und ihre zugeklebten Fenster bezeugten, wie turbulent die Monate nach der Ankunft der Außerirdischen gewesen waren. Zum Glück war die Luft der Stadt jetzt aber besser, weniger verschmutzt, als der Krinar sie noch von vor ein paar Jahren in Erinnerung hatte. Damals hing ein starker Smog über der Stadt, der ihn unendlich gestört hatte. Nicht, dass er ihm irgendwie hätte schaden können, aber trotzdem bevorzugte der Krinar Luft, die nicht so viele Kohlenwasserstoffpartikel enthielt. Als er sich dem Kreml näherte, setzte er sich die Kapuze seiner Jacke auf und versuchte so menschlich auszusehen, wie ihm das nur möglich war. Er achtete darauf, sich langsamer und weniger anmutig zu bewegen. Er machte sich nichts vor. Er wusste, dass die krinarischen Satelliten ihn in diesem Moment sahen, aber niemand in den Siedlungen hatte irgendeinen Grund, ihn zu verdächtigen. Er hatte es sich in den letzten Jahren zur Gewohnheit gemacht, so viel wie nur möglich zu reisen und häufig unter dem einen oder anderen Vorwand in den größeren menschlichen Städten aufzutauchen. Deshalb würden auch seine letzten Ausflüge kein Aufsehen erregen, falls sich jemand die Mühe machen sollte, ihn zu überprüfen. Nicht, dass ihn überhaupt jemand überprüfen würde. Soweit es alle anderen betraf, waren die Krinar, die dem Widerstand geholfen hatten – die Keiths, wie sie genannt wurden –, in sicherem Gewahrsam, und der arme Saur war beschuldigt worden, ihr Gedächtnis ausgelöscht zu haben. Es hätte nicht einmal besser laufen können, wenn der Krinar es genau so geplant hätte. Nein, er musste seine Identität nicht vor den krinarischen Augen im Himmel verstecken. Er wollte den menschlichen Kameras entgehen, die sich rund um die Mauern des Kremls befanden – damit die russischen Anführer keinesfalls aufgeschreckt werden würden, bevor er die Möglichkeit gehabt hatte, die anderen größeren Städte zu besuchen. Mit einem Lächeln gab der Krinar vor, niemand anders als ein menschlicher Tourist zu sein, der eine entspannte Runde über den Roten Platz drehte. Die Sohlen seiner Schuhe knirschten auf dem Asphalt und hinterließen kleine Kapseln, die die Samen für eine neue Ära der menschlichen Geschichte enthielten. Als er fertig war, begab er sich wieder zu seinem Schiff, welches er in einer der nahegelegenen Alleen zurückgelassen hatte. Morgen würde er Mia wiedersehen. Saret konnte es kaum erwarten.
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