Also so hatte ich mir meinen ersten Schultag definitiv NICHT vorgestellt. Ich hatte gehofft, dass mich meine Mitschüler wie eine normale gewöhnliche Mitschülerin behandelten. Aber so war das ganz und gar nicht. Ich bekam immer nur feindliche und angeekelte Blick von allen. Sogar einige Lehrer waren gut darauf bedacht mir ja nicht zu nahe zu kommen.
Im Grossen und Ganzen wurde ich wie ein hässliches Tier mit einer hoch ansteckenden Krankheit behandelt.
Trotzdem gefiel mir die High School. Irgendwie.
In den Pausen sass ich oft bei meinen Brüdern, die meinetwegen nicht mehr so viel mit ihren Freunden unternehmen konnten, weil sie schliesslich die grossen Brüder einer Todkranken waren oder ich sass alleine mit Mason. Dieser schien nämlich überhaupt keinen Kontakt mehr zu seinen alten Freunden zu haben. Als ich ihn darauf ansprach, hatte er geseufzt und mir endlich gesagt was Sache war:„Also, als ich damlas nicht mehr zu dir gekommen bin, als du erfahren hattest, dass das Medikament wirkte, da war ich im Krankenhaus. Das war, weil ich mich mit einigen aus der Footballmannschafte Gebrügelt hatte. Ich und noch zwei andere wurden bei dieser Prügelei krankenhausreif geschlagen."
„Aber warum hast du mir das nicht schon viel früher gesagt?", hatte ich fassungslos gefragt.
„Weil du eigentlich der Grund dieser Prügelei warst. Sie hatten so herablassend über dich und die Tatsache, dass du zu uns auf die High School kommen würdest, gesprochen. Und das hat mich eben rasend gemacht. Ich bin zwar noch im Footballteam, aber mehr mache ich auch nicht mehr mit den anderen Jungs", hatte er geandwortet und ich gab ein einfaches "Oh" zurück. Und damit war das Gespräch beendet.
Warum hatte er mir das nicht schon von Anfang an erzählt? Hatte er Angst, dass ich mich schuldig fühlte, weil er meinetwegen keine Freunde mehr hatte? Das tat ich jedenfalls jetzt.
Zwei Monate ging es so, bis sich das Verhalten einer gewissen Cheerleaderkapitänin und Schulbitch auf einen neuen Höhepunkt anhob. Denn sie fing an mich zu pisacken und mich vor der ganzen Schule bloss zu stellen, indem sie mich im Schulkorridor umstiess, mir in der Cafeteria meine Essen auf den Boden schmiss, mich aufs Übelste beschimpfte, mich irgendwo einsperrte oder mir nach dem Sport, wenn ich noch als Letzte duschte, meine ganzen Sachen schnappte und sie in der Ganzen Schule verteilte.
Das war der Punkt, an dem meine Eltern beschlossen hatten, mich wieder von der Schule zu nehmen und mir meinen Privatlehrer wieder zu bezahlen.
Während bei meinen Brüdern also wieder der normale Alltag eintrat, ausser bei Mason, der jetzt ganz alleine war, sass ich zu Hause und wurde von meinem Privatleherer unterrichtet.
Das ging einen weiteren halben Monat so weiter. Ich wurde zu Hause unterrichtet. Bis eines Abends unsere Eltern etwas zu verkünden hatten.
„Also schön, Kinder", begann meine Mutter, als Aiden, Dylan, Meik, Mason und ich uns im Wohnzimmer versammelt hatten,„euer Vater und ich haben beschlossen einen Neuanfang zu starten. Dafür werden wir nach Los Angeles ziehen in unsere Ferienhaus, das wir aber noch etwas renovieren werden, damit wir alle darin gut leben können. Ihr werdet dann dort zu High School gehen und auch dort einen Neuanfang haben. Ich habe gestern mit dem Schuldirektor Mr. Parker telefoniert und ihm von unserer Situation berichtet. Dieser kann uns sehr gut verstehen, sagte er, und würde auch niemandem sonst von deiner Krankheit erzählen, Nati."
Ich dachte einen Moment darüber nach und musste ganz ehrlich zugeben, dass die Idee grandios war. Einen kompletten Neustart im Leben. Ohne Krankheit und ohne doofe Mitschüler, die von meiner Krankheit wussten.
Nach einer gewissen Zeit unterbrach Mason die Stille:„Ich finde die Idee super! Und ausserdem, am Meer leben wollten wir doch schon immer und dann kann Nati auch einmal im Meer surfen, das konnte sie doch bisher noch nie. Und dann hätte sie die Chance selber Freunde zu finden und ein normales Leben zu führen, genau wie wir eben. Ich wüsste nicht, was dieser Idee im Weg stehen könnte."
„Dann stimmen wir ab", schlug mein Vater vor,„Wer ist dafür?"
Alle ausser ich hoben die Hand und sahen mich, nachdem sie gemerkt hatten, dass ich die Hand nicht hob, mit hochgezogenen Aufenbrauen an.
Ich war jedoch noch viel zu überrascht von dieser Neuigkeit, dass ich wie gelähmt da sass.
„Nati? Willst du nicht umziehen?", fragte mich Meik besorgt.
„Was?", erwachte ich aus meiner Starre.
„Willst du nicht nach L.A.?", fragte mich nun Dad.
„Natürlich will ich nach L.A.!", schrie ich glücklich. Ich war noch nie am Meer. Ich war immer nur in Phoenix aber noch nie am Meer! Wie cool war das denn?!
„Na schön! Dann werden wir das mit unserem Haus mal regeln und im besten Fall kann es bereits in den Sommerferien losgehen!", Dad klatschte begeistert in die Hände.
Schon in den Ferien können wir umziehen. In einem völlig neuen Staat einen Neueanfang starten. Das klang doch super!
Ich musste nur noch knapp einen Monat hier mit meinem Privatlehrer durchhalten und schon war ich ihn wieder los. Nicht, dass ich etwas gegen ihn hatte, aber ich freute mich einfach zu sehr auf mein neues zu Hause.
*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*
EIN MONAT SPÄTER
Endlich Sommerferien!
Wie lange ich auf diesen Tag doch gewartet hatte!
Ich war gerade in meinem Zimmer und packte meine wenigen Habsehligkeiten in Kartonkisten für den Umzug. Es dauerte nicht lange, bis ich schon so ziemlich alles zusammen hatte.
Ich war ganz allein im Haus. Meine Brüder halfen beim Umzug - die meisten Möbel wurden bereits aus dem Haus geschleppt und da halfen sie. Natürlich hatten wir schon Möbel in unserem Haus in Los Angeles. Aber irgendwie wollten Mum und Dad die Möbel aus diesem Haus hier haben. Ich hatte keine Ahnung warum genau. Schliesslich würden sie sowieso immer auf Geschäftsreise sein und nur selten nach Hause kommen.
Atlanta war an irgendeinem Info-Tag für ihr Auslandsjahr in Russland und meine Eltern klärten noch einige Dinge in ihrem Büro, damit nicht schon morgen wieder auf irgendeine Geschäftsreise müssen, sondern erst nächste Woche wieder.
Ich hätte jetzt wirklich grosse l**t Klavier oder Gitarre zu spielen. Aber meine genialen Brüder hatten die besagten Instrumente bereits in den Umzugswagen verfrachtet. Als ich sie fragte, ob ich helfen durfte, blockten sie sofort ab, was mir überhaupt nicht zusagte. Schliesslich wollte ich doch auch helfen und etwas tun!
Sie sagten sie wollten, dass ich mich noch etwas entspannte, weil das neue Haus auch eine Überraschung für mich sein sollte.
Weil ich nicht wusste, was ich machen sollte, ging ich einfach nach draussen in unseren Garten und setzt mich unter einen Baum.
Wir würden heute Nachmittag bereits umziehen, doch bis dahin dauerte es noch geschlagene 4 Stunden! Erschöpft liess ich mich ins Gras zurückfallen und schloss die Augen.
*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*
„Liebes Lieschen, Nati!"
Eine hysterische Stimme riss mich aus meinem Nickerchen. Ich schlug die Augen auf und hob meinen Kopf leicht an. Nur um zu sehen, wie meine Mum besorgt auf mich zu eilte und hinter ihr Dad.
„Was'n los?", grummelte ich noch immer etwas schlaftrunken.
Mum warf sich beben mich auf den Boden und schloss mich in die Arme.
„Bei allen guten Geistern, Natalia! Tu' mir das nie wieder an!", schrie sie mir in die Ohren, dass es wehtat.
„Was soll ich nie wieder tun?" Ich verstand die Welt nicht mehr. Hatte ich etwas verpasst?
„Du hast mich fast zu Tode erschreckt, als ich dich hier draussen liegen sah. Ich dachte es ist etwas passiert!"
„Und ich habe mich fast zu Tode gelangweilt", sagte ich unschuldig, wie ich nunmal war.
„Ist ja auch egal. Wir wollen los, mein Schatz", mischte sich nun Dad ins Gespräch mit ein.
Ich nickte, löste die klammernden Arme meiner Mutter von mir und stand auf.
Als Mum sich etwas beruhigte und dann auch aufstand gingen wir zusammen zum Auto und fuhren los.
'L.A. ich komme!', schrie ich in Gedanken, als ich mich auf der Rückbank anschnallte.
*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*
Nach einer ziemlich langen Fahrt - ich wusste nicht wie lange sie genau ging, da ich die meiste Zeit schlief - kamen wir endlich vor einer langen Auffahrt an. Dad fuhr sie hoch zum dazugehörigen Haus. Aber was hiess hier Haus?! Das war eine regelrechte Villa! Eine wirklich riesige weisse Villa!
Dad parkte vor der Veranda der Villa und ich sieg sofort aus, um meine neues zu Hause zu betrachten.
Jetzt stand ich also da und kam aus dem Staunen gar nicht mehr heraus.
„Sag mal, Nati? Willst du dort etwa Wurzeln schlagen?", rief mir Mason von der Haustür aus mit einem schlemischen Grinsen zu.
„Und mach deinen Mund zu! Sonst nisten sich die Fliegen darin ein", hängte Meik lachend an. Ich verzog das Gesicht und schaute ihn Kopfschüttelnd an. Man durfte doch noch staunen, oder nicht?
Ich ging auf meine beiden Brüder zu und umarmte sie.
„Wo sind die anderen?", fragte ich.
„Kyle, Aiden und Dylan machen Besorgungen, und Atlanta ist immer noch an diesem Info-Tag, wegen ihrem Auslandsjahr. Ich verstehe immer noch nicht, weshalb sie unbedingt nach Russland will. Ich an ihrer Stelle wäre wahrscheinlich nach New York oder gar nach London. Europa könnte schon ziemlich spannend sein", erklärte Mason.
„Ist ja auch egal! Willst du nicht das Haus sehen?", fragte Meik, vorauhin ich wild mit dem Kopf nickte.
Die Jungs führten mich durch das ganze Haus.
Wenn man von der Eingangshalle ins Haus ging - klar war die Eingangshalle schon im Haus, aber sie gehörte wie noch nicht ganz dazu -, stand man in einem 'Raum', der zu meiner Linken und zu meiner Rechten jeweils einen grossen offenen Durchgang hatte. Vis-à-vis von mir ging ein etwas längerer g**g nach hinten, der in den hinteren Teil der Villa führte. Was an diesem Raum besonders auffällig war, war die riesige Marmortreppe, die in den ersten Stock hoch führte und von dort aus in den zweiten. Wenn man hochschaute, dann sah das Ganze ein bisschen aus wie ein Schneckengehäuse. Wir traten durch den Durchgang zu meiner Linken, wo sich, wie sich herausstellte, das Wohnzimmer befand. Es war sehr gross und hell. Es hatte eine grosse Couch, auf der sicher die ganze Familie auf einmal Platz hatte und ihr gegenüber stand ein riesigiger Flachbildfernseher, an dem eine Playsation angeschlossen war. Wenn man durch das Zimmer lief, konnte man durch die Terrassentür hinaus in den Garten. Und es war einfach nur unglaublich. Ungefähr 250 Meter weiter war das Mehr und ich konnte es sehen! Der Garten war ebenfalls ziemlich gross und vor allem war er grün. Das hiess, dass hier regelmässig ein Gärtner vorbei kam und nach dem Rechten schaute.
Natürlich hatten wir auch hier wieder einen Pool der auch nicht gerade klein war.
Wir gingen wieder ins Haus und liefen durchs Wohnzimmer an der Tür der Eingangsahlle vorbei durch den anderen Durchgang, den ich am Anfang sah und ich erkannte sofort, dass dieser Raum das Esszimmer war. Das Zimmer war etwas kleiner als das Wohnzimmer. Ein runder Esstisch bildete das Zentrum des Raumes und gleich anschliessend befand sie die offene ebenfalls grosse Küche.
Wir gingen wieder zurück zur Tür der Eingangshalle und ich zeigte den Flur herunter. Mason erklärte mir, dass es im hinteren Teil des Hauses auch wieder ein Heimkino hatte und daneben einen Fintnessraum mit Aussicht auf das Meer.
Eine Tür führte dort auch nach unten in den Keller und zu einem Tanzsaal! Wie geil war das denn?!.
Den würde ich auch irgend einmal noch erkunden. Dann ging es nach oben in den ersten Stock.
Dort waren die Zimmer von Aiden, Dylan, Mum und Dad und auch gür Kyle, wenn er uns besuchen wollte. Jedes Zimmer hatte auch ein eigenes Badezimmer. Natürlich war auch das riesig, so wie der Rest des Hauses. Als wir diesen Stock ebenfalls durch hatten, gingen wir in den zweiten Stock nach oben, wo Atlanta, Meik, Mason und ich unsere Zimmer hatten.
Als letztes zeigten mir die Jungs mein Zimmer. Und ohne Zweifel: Es war das grösste von allen!
Wenn man ins Zimmer kam stand ein riesiges weisses Himmelbett an der linken Wand. Daneben war eine Tür, die sich als mein Badezimmer entpupte. Aber auf der anderen Seite des Bettes befand sich ebenfalls eine Tür. Als ich sie öffnete stockte mir der Atem.
Ich hatte einen vollbesetzten begehbaren Kleiderschrank!
Den durchschaute ich ein anderes mal. Ich ging zurück in mein Zimmer und schaute mich weiter um.
Von der Zimmertür aus an der rechten Wand stand nur ein Pult. Vis-à-vis von der Zimmertür befand sich eine Glasstür, die auf einen - ausnahmsweise - etwas kleineren Balkon führte. Und ich hatte tatsächlich Meeresblick!
Das war aber noch lange nicht das Beste!
An der Hauswand führte eine kleine Leiter noch weiter nach oben auf das Dach unserer Flachdachvilla.
Ich war geflasht. Der Ausblick war noch besser, als vom Garten, vom Fitnessraum und von meinem Zimmer zusammen!
Das Meer glitzerte in der späten Nachmittagssonne.
Es war atemberaubend!