Chapter nine

3459 Worte
Santiago Ich habe nichts im Leben oder im Beruf erreicht? Hat sie das wirklich gesagt oder bilde ich mir das nur ein? Ist sie tatsächlich so lebensmüde und ahnungslos? Ich bin ihr verdammter Boss, auch wenn das nirgends schwarz auf weiß steht. Sie soll mir gefälligst Respekt erweisen und nicht die verwöhnte Göre raushängen lassen. Das kann sie ruhig bei ihren ach so tollen Eltern machen, aber nicht in meiner Gegenwart. Und erst recht nicht, wenn ein weiterer Mitarbeiter anwesend ist. Wer war der Typ eigentlich? Ich sehe ihn zum ersten Mal. Wahrscheinlich ist er schon seit zwei Jahren im Unternehmen tätig und ich war zu beschäftigt, um ihn überhaupt zu registrieren, denn er scheint mich zu kennen. Er scheint nur darauf gewartet zu haben, dass mir jemand eine reinwischt, schließlich hat er die Show in vollen Zügen genossen. Was mir um ehrlich zu sein relativ egal ist. Er kommt nicht sonderlich gefährlich rüber. Eher wie ein möchte gern Macho, der sich lieber hinter einer Praktikantin versteckt, als mir von Angesicht zu Angesicht die Meinung zu geigen. Weichei. Bedauerlicherweise kann ich Sage wegen diesem frechen Kommentar nicht feuern. Hundertpro würde sie dagegen Einspruch erlegen und dem Betriebsrat von all den Sachen berichten, die ich ihr zuvor an den Kopf geworfen habe. Die würden sich auf ihre Seite schlagen und mich – da wird Peter auch nicht sonderlich viel ändern können, wenn er vorhat die restliche Belegschaft noch zu behalten –, ohne mit der Wimper zu zucken, aus der Firma schmeißen. Geborener Reichtum wird eben anders angesehen und behandelt als hart erarbeiteter Reichtum. Die Kohle liegt schon seit Generationen in ihrer Familie und ich komme mit meinen paar hundert Millionen nicht einmal annähernd da ran. Also muss ich mir wohl oder übel eine andere Taktik überlegen. Ich meine, es kann doch nicht wahr sein, dass ich mir eine Praktikantin derart widerstrebt. Sie müsste sich eigentlich vor Schreck in ihr Höschen machen, mir jeden banalen Wunsch von den Lippen lesen und eifrig mit einem „Ja, Sir" antworten. Sie müsste mir hinterher rennen, alles tun, was ich von ihr verlange und das ohne jegliche Widerrede. Sie müsste mir gehorchen und was macht sie? Alles nur nicht das. Am liebsten würde ich Peter davon erzählen, nur würde er schulterzuckend meinen, es sei meine eigene Schuld gewesen. Ich habe sie bis jetzt noch nicht gefeuert, habe ihm diesen Gefallen nicht von Anfang an abgeschlagen. Jetzt muss ich selbst zusehen, wie ich damit klarkomme. Ich meine, wozu mache ich das denn die letzten Jahre? Um den Schwanz einzuziehen, wenn sich eine kleine Dame aufmuckt? Um zu meinem Boss zu rennen, weil ich nicht weiter weiß? Um ihm eine Aufgabe zu übergeben, für die er definitiv keine Zeit und keine Nerven hat? Vergiss es! Sie hatte Glück, bisher war ich noch ganz ruhig. Aber jetzt reicht es, ich nehme es selbst in die Hand. Ich ändere die Taktik, weil mir all das allmählich zu dumm wird. Wäre sie nicht in ihre dämliche Familie hineingeboren, hätte ich sie locker für ihren ersten dummen Kommentar schon rauschmeißen können. Mit ihren Vorgängerinnen habe ich nämlich genau das gemacht. Sie haben sich den Arsch abgerackert, haben eine Scheißaufgabe nach der anderen absolviert und wofür? Nur um am Ende doch nicht übernommen zu werden. Verständlicherweise waren sie außer sich vor Wut, haben mit einem Mal ihre gespielte Eleganz verloren. Sie wollten mir an die Gurgel gehen, mich sowohl physisch als auch psychisch verletzen. Einerseits sah das ziemlich witzig aus, auf der anderen Seite auch sehr traurig. In diesen Momenten hat man ihr wahren Gesicht gesehen und das hat mir jedes Mal bestätigt, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Am Ende bin immer noch ich die letzte Person, die über das Personal entscheidet, selbst wenn ich eigentlich nicht die Berechtigung dazu habe. Ich entscheide, ob die Praktikanten übernommen werden, ob die Probezeit der Mitarbeiter meinen Anforderungen entspricht und sie einen unbefristeten Vertrag angeboten bekommen oder direkt gefeuert werden. Sowohl die Kündigungen als auch die Zusagen werden höchstpersönlich von mir überreicht – am liebsten am Tag vor dem Ablauf der Probezeit, da dann ihre Entrüstung immer am extremsten ist. Das Entsetzen in den Augen dieser Damen ist zum Brüllen lustig! Wobei ich nicht alle feuere. Es gibt durchaus Mitarbeiter, die ich übernehme, weil sie mich überzeugt haben. Sie haben mich davon überzeugt, dass sie das wirklich wollen, dass sie sich hier mehr oder weniger wohl fühlen und dass sie in unser Unternehmen reinpassen. Und das weiß Peter nur zu gut. Er weiß, dass ich nichts tun würde, was ihm oder der Firma in irgendeiner Weise schaden könnte. Was ihm wichtig ist, ist auch mir wichtig. Was er beschützt, beschütze auch ich. Ohne Sage richtig zu kennen – den Artikeln im Internet kann man kaum Glauben schenken, sie behaupten etwas ganz anderes als ihr Auftreten im Betrieb aussagt –, kann ich sagen, dass sie nicht gut für uns ist. Ihre Persönlichkeit passt nicht zu uns, ihr Verhalten ist zu frech und ihr Aussehen zu heiß. Sie muss so schnell wie nur irgend möglich von der Bildfläche verschwinden, bevor sie noch einen schwerwiegenden Schaden anrichtet – damit ist auch mein Ego gemeint, das sie zugegebenermaßen bereits angekratzt hat. Drei Tage später schwirren ihre dreisten Worte immer noch in meinem Kopf herum. Ich habe nichts im Leben erreicht, hat sie gesagt. Ich sei ein Kotzbrocken, hat sie gesagt. Es gäbe niemanden, der mich mögen, geschweige denn tolerieren würde, hat sie gesagt. Sie hat all das gesagt, doch was mich mit Abstand am meisten getroffen hat, war, dass sie meinte, ich wäre respektlos. Das ist totaler Bullshit! Ich bin nicht respektlos und auch nicht unverschämt oder unhöflich. Ich bin nur distanziert. Und autoritär. In meiner Position muss man eben etwas barscher mit dem Personal umgehen, sonst nehmen sie einen nicht ernst. Das macht sie doch so oder so nicht. Hätte meine Mutter das mitbekommen, wäre sie komplett ausgeflippt. Sie hätte mir vor all meinen Arbeitskollegen eine Standpauke gehalten, die sich gewaschen hätte. Ich wäre mit gesenktem Kopf und nach unten hängenden Schultern hinter ihr hergelaufen. Hätte „Ja, Mama" genuschelt und hätte mich schmollend in ihr Auto gesetzt – auf die Rückbank! Ich hätte mich wie ein kleines Kind verhalten, dabei werde ich in zwei Monaten siebenundzwanzig. Für sie ist Respekt einer der wichtigsten Punkte im menschlichen Zusammenleben. Sobald sie erfuhr, dass ich jemandem gegenüber unbegründet die Stimme erhoben oder eine unangebrachte Bemerkung abgelassen habe, zerrte sie mich unauffällig mit sich mit. Dann hielt sie mir einen Vortrag, der mich bis ins Mark getroffen hat. Wäre ich damals nicht so blöd gewesen, wäre ich auch nur annähernd der vorbildliche Sohn gewesen, den sie in ihren Geschichten immer gelobt hat, dann hätte ich zu diesem Zeitpunkt auch auf sie gehört. Ich hätte ihre bedingungslose Liebe nicht ignoriert und wäre bei ihr geblieben. Ich hätte mich entschuldigt und hätte meine Fehler wieder ausgebügelt. Ich hätte auf sie gehört, statt einfach davon zu laufen und sie vor allen zu blamieren. Früher war ich ein Feigling, ein rebellisches Kind, das, wenn es hart auf hart kam, die Biege gemacht hat. Ich habe gegen die meisten Menschen Krieg geführt, mich allerdings nie über die Grenzen hinaus gewagt. Mir war immer bewusst, wie weit ich bei einer bestimmten Person gehen konnte, um sie auf die Palme zu bringen – hat sich bis heute nicht geändert. Ich wusste, wann ich aufhören musste, damit mein Gegenüber nicht komplett an die Decke geht. Damit ich keinen Schulverweis oder einen Unirausschmiss an der Backe habe. Dieses Verhalten hielt bis zu einem bestimmten Ereignis an. Als diese eine, alles entscheidende Sache passiert ist. Ab diesem Zeitpunkt habe ich aufgehört gegen alle zu kämpfen. Es kam mir mit einem Mal sinnlos vor die Leute um mich herum ununterbrochen zu provozieren und meine Grenzen auszutesten, denn es gab wichtigere Dinge. Dinge, die schlagartig eingetreten sind und das Leben meiner gesamten Familie auf den Kopf gestellt haben. Noch ganz in meinen Gedanken vertieft, verfehle ich fast die Tür. Ich bleibe mitten im Flur stehen und nehme einen tiefen Atemzug. Jetzt konzentrier dich endlich! Du hast einen Job zu erledigen. Ich sperre die Erinnerungen an meine Vergangenheit in eine Kiste im hintersten Eck meines Hirns und streue ganz viel Sand darüber. Seit damals hat sich unglaublich vieles geändert. Jetzt bin ich ein erwachsener Mann. Ein stolzer Onkel, ein erfolgreicher Sohn und ein mehr oder weniger liebevoller Bruder. Ich bin an der Spitze meiner Karriere, bin kurz davor eine Führungsposition einzunehmen. Mein Job bringt mir derart viel Geld ein – auch wenn er mir nachts oft den Schlaf raubt –, dass ich für meine Geschwister und meine Mutter locker aufkommen könnte. Also soll dieses kleine Mädchen verflucht nochmal die Klappe halten! Sie hat keine Ahnung, wer ich bin. Und sie hat nicht das Recht über mich zu urteilen. Ohne anzuklopfen oder ihr anderweitig ein Zeichen zu geben, drücke ich die silberne Türklinke abrupt runter und platze in ihr Büro. Ihr gesamter Körper zuckt zusammen, während ihr Kopf japsend in die Höhe schießt. Ihre vollen Lippen öffnen sich und ihr kleiner Körper erstarrt. Der Schreck in ihren Augen ist nicht gespielt, was ich von dem Grund ihres Auftauchens im Unternehmen nicht behaupten kann. Sie führt etwas im Schilde, das kann ich riechen. Und ich werde alles dafür tun das herauszufinden. Sobald sie realisiert, dass ich es bin, der so abrupt in ihr Büro geplatzt ist, lässt sie keuchend die Luft aus ihren Lungen gleiten. Ihre Schultern sacken zusammen und ihre Hand schnellt auf ihre Brust. „Erschrecken Sie mich doch nicht so! Können Sie etwa nicht anklopfen?" „Nein." „Hätte ich mir doch denken können." „Ist doch schön, dass Sie denken können. Fehlt nur noch, dass Sie erkennen, dass Sie nicht mehr lange auf diesem Stuhl sitzen bleiben werden", kontere ich auf ihr genervtes Augenrollen und deute auf ihren Drehstuhl. Hoffentlich war sie enttäuscht, als sie ihn das erste Mal erblickte. Ich habe ihn höchstpersönlich ausgesucht und wollte, dass sich die kleine Dame so unwohl wie nur irgend möglich fühlt – auf eine akzeptable und nicht allzu offensichtliche Weise. Sie soll ja nicht auf die Idee kommen, sie würde besondere Rechte oder Büroausstattungen zur Verfügung gestellt bekommen. Ihr Name bringt sie bei mir kein Stück weiter. Eher bringt er sie zurück. Das sarkastische Lächeln, welches darauf folgt, lässt meine Mundwinkel unwillkürlich zucken. Es ist ihr doch wahrhaftig egal, dass sie drauf und dran ist diese Firma zu verlassen. Ist das denn zu fassen? Ich betrete den Raum und vergrabe meine Hände in den Hosentaschen meines leicht karierten Anzugs. Ob sie wohl weiß, wie der Stoff und die exakte Farbe des Grautons heißt? Vermutlich könnte sie mir einen ganzen Roman dazu verfassen und würde ganz detailliert beschreiben, wie man mit ihm umgehen sollte. Welche Accessoires am besten zu ihm passen würden, zu welchen Anlässen er am besten geeignet wäre. Oder hat sie nicht den blassesten Schimmer, weil sie genau weiß, dass das ihre persönliche Stylistin für sie übernimmt? Kam sie eigentlich schon jemals auf den Gedanken dankbar für die Klamotten und den Luxus zu sein, den sie hat? Kümmert es sie überhaupt, dass andere Menschen hungern müssen, während sie von einer Party zur nächsten spaziert? Sorry! Ich meinte eigentlich gefahren wird. „Wollen Sie irgendwann auch mal was sagen oder haben Sie vor mich den ganzen Tag lang wie ein pädophiler Stalker zu beobachten?", reißt sie mich aus meiner Grübelei. Mit einem teilnahmslosen Gesichtsausdruck sieht sie zu mir hinauf. Entweder kann sie meine Gedanken lesen und sie lassen sie kalt oder sie ist einfach nur dermaßen von mir gelangweilt, dass sie sich schon ein Gähnen unterdrücken muss. Beides entspricht nicht der Wirkung, die ich üblicherweise auf Frauen haben. Ganz und gar nicht. Statt mich auf sie zu stürzen und ihr vorlautes Mundwerk zu stopfen – am liebsten mit meinem Schwanz –, hebe ich das Kinn an und blicke auf sie hinab. Ich darf die Kontrolle nicht verlieren, auch wenn ich gerne meinen Fantasien nachgehen würde. Sie auf den hässlichen Schreibtisch werfen und bis in ihre Kehle vordringen würde. Ihre Haare so fest packen, dass sie ein kehliges Stöhnen von sich gibt. Bis ihr die Tränen in den Augenwinkeln brennen und sie ihre Nägel Halt suchend in meine Oberschenkel krallt. Ob es ihr gefallen würde? Steht sie auf sowas oder mag sie es eher gefühlvoll? Würde sie ihre freche Zunge um meine Eichel kreisen lassen oder angewidert von mir zurückweichen? Würde ihr barscher s*x gefallen oder sträubt sie sich dagegen? Hat sie schon mal... Fuck, ich muss unbedingt damit aufhören! Es ist definitiv keine gute Idee mir solche perversen Sachen mit ihr auszumalen. Hauptsächlich, weil ich meinen Schwanz schon allein bei der wagen Vorstellung ihres nackten Körpers zucken spüre. Ich straffe meine Schultern und versuche meinen verräterischen Freund mit dem Gedanken an ungewaschene Füße unter Kontrolle zu kriegen. „Um ein pädophiler Stalker zu sein, müssten Sie zu allererst minderjährig, ich gestört und dieses Universum komplett auf den Kopf gestellt sein. Sie entsprechen nicht einmal ansatzweise dem Typ Frau, auf den ich stehe. Also bilden Sie sich doch bitte nichts ein, Miss Harrington." Das letzte ist gar nicht so gelogen. Mein Kaliber ist tatsächlich etwas älter, vom Hautton dunkler und von der Persönlichkeit unterwürfiger – wenigstens im Bett. Dort habe nämlich ich das Sagen und das gefällt nicht jedem. Was mir aber nicht viel ausmacht. Ich weiß, was ich will und wenn das meine Partnerin nicht akzeptieren kann, kann sie sich ruhig vom Acker machen. Es gibt genug andere Frauen, die liebend gerne eine Nacht mit mir verbringen würden. Sage seufzt gespielt erleichtert auf und platziert ihre kleine Hand auf ihrer Brust. „Zum Glück, ich dachte schon ich müsste mir Sorgen um Sie machen. Sie sind die letzten Tage wie vom Erdboden verschluckt worden und ich dachte kurzzeitig wirklich, dass es an unserem Aufeinandertreffen in der Küche lag." „Unser Aufeinandertreffen? Was ist da nochmal passiert?", frage ich stirnrunzelnd und gebe mein Bestes meine Überraschung darüber, dass sie es so direkt anspricht, zu verbergen. Ich meine, woher hätte ich wissen sollen, dass sie es überhaupt bemerkt? Es ist sonst niemandem aufgefallen, dass ich mich in den letzten paar Tagen in meinem Büro verkrochen habe. Scheinbar lässt meine Fähigkeit zu lügen nach, da sie ihren Kopf wissend zur Seite neigt. Ein paar ihrer glatten Strähnen streifen ihre nackte Schulter, verspotten mich. Lachen über meinen jämmerlichen Versuch sie für verrückt zu erklären. Da sind sie nicht die einzigen. Ihre Stimme ist genauso sanft wie das Rosa ihres hautengen Oberteils, als sie spricht. „Hören Sie doch auf sich etwas vorzumachen. Ich bin Ihnen unter die Haut gegangen und das geht Ihnen derart gegen den Strich, dass Sie sich verkriechen. Sie weichen mir aus, weil Sie nicht wissen, wie Sie mit mir umgehen sollen." Obwohl sie mit ihrer dämlichen Theorie nicht einmal annähernd richtig liegt, kann mein Ego das nicht auf sich sitzen lassen. Wieso sollte ich mich auch vor ihr verstecken? Sie hat nichts gesagt, was ich nicht schon längst gehört hätte. Sie hat mich bloß unvorbereitet getroffen, als sie mir all das mit einem Schlag an den Kopf geworfen hat. Mehr nicht. Ja, rede dir das nur weiter ein, vielleicht glaubst du es dann auch irgendwann. „Ich verkrieche mich nicht, ich habe nur viel zu tun." „Sie müssen sich doch jetzt nicht rechtfertigen." Das Mitgefühl in ihren blauen Augen – eigentlich bestehen sie aus einer Mischung aus einem hellen Blau und einem dunklen Grau – ist definitiv vorgespielt. Aber dass sie sich das überhaupt traut. Dass sie die Eier hat so mit mir zu sprechen, mich wie einen Trottel dastehen zu lassen, macht mich rasend. Und scharf. Ich komme einen weiteren Schritt auf sie zu, unterdrücke den Drang ihre dunkle Mähne mit der Faust zu packen und sie auf die Knie zu zwängen. Meinen Schwanz aus meiner Hose zu befreien und ihn ihr in ihren hübschen Mund zu rammen. „Ich rechtfertige mich nicht, ich will Ihnen nur die Augen öffnen." „Indem Sie mir eine Lüge auftischen, die vertuschen soll, dass Sie an mich denken?", provoziert sie mich und hebt ihre dunkle Braue. Ihr linker Mundwinkel zuckt ebenfalls in die Höhe, als sie ihren Oberkörper nach vorne neigt und mit ihren Brüsten den kleinen Schreibtisch berührt. Dunkles Ahornholz als Arbeitsplatte, silberner Stahl als dünne Beine und ein mittelgroßer schwarzer PC in der Mitte platziert – alles wurde höchstpersönlich von mir ausgesucht und so unpassend wie nur irgend möglich im Zimmer platziert. Das Sonnenlicht dringt aus den beiden Fenstern links von ihr, sodass sie ihre Augen zukneifen muss, um irgendwas auf dem Bildschirm erkennen zu können. „An Sie denken? Sie wissen schon mit wem Sie hier sprechen, oder?" „Eigentlich nicht, Sie haben sich mir ja noch nicht einmal vorgestellt." „Wenn das so ist, dann hole ich das mal lieber nach." Ich stütze mich mit den Händen auf den Schreibtisch ab, lehne mich nach vorne. Unsere Gesichter kommen sich näher – nicht so nah wie letztens in der Küche, dennoch kann ich die verblasste Narbe auf ihrer glatten Stirn deutlich erkenn. „Ich bin Ihr Boss. Der Kerl, der Ihnen sagt, wann Sie Feierabend machen. Wann Sie mir einen Kaffee besorgen. Wann Sie welche Aufgaben erledigen. Und wann Sie verdammt nochmal etwas zu sagen haben." „Das ist nicht unbedingt die richtige Definition von einem Boss." „Und woher wollen Sie das wissen? Sie haben noch nie in Ihrem Leben gearbeitet, geschweige denn einen Finger gekrümmt. Sie haben keine Ahnung vom wahren Leben. Von dem Leben außerhalb Ihrer glamourösen Welt. Außerhalb des Schutzwalls, den Ihr Vater um Sie errichtet hat." Sobald ich ihren ach so geliebten Daddy erwähne, verfinstert sich ihre Miene schlagartig. Die Herausforderung und die Provokation weichen aus ihren Augen und eine stählerne Mauer fährt hoch. Oh, habe ich etwa erneut ihren Schwachpunkt getroffen? Mit zusammengebissenen Zähnen erhebt sie sich von ihrem Stuhl und spricht mit einer überraschend kühlen Stimme. „Vielleicht sind Sie ja wirklich der Überzeugung, ich sei Ihre persönliche Angestellte. Dass ich nur für Sie arbeiten und atmen würde. Aber da muss ich Sie enttäuschen. Zwar habe ich keine Ahnung wie Sie auf diese dämliche Idee kommen, doch ich werde auch nicht mit Ihnen darüber diskutieren. Weil Sie meine Zeit und Nerven nicht wert sind. Ich habe besseres zu tun, erst recht, weil wir beide haargenau wissen, was in meinem Arbeitsvertrag steht. Wem ich Folge zu leisten habe. Und das sind sicherlich nicht Sie." „Haben Sie auch das Kleingedruckte gelesen?" „Machen Sie sich keine Sorgen, ich habe den Vertrag auf jedes einzelne Wort geprüft. Und Sie können mir ruhig glauben, wenn ich Ihnen sage, dass ich ihn mittlerweile schon auswendig kenne. Jeden Paragrafen, jede mögliche Falle. Schließlich studiere ich nicht umsonst Jura und bin einer der Jahrgangsbesten." Am liebsten würde ich mir eine Kopfnuss verpassen. Einerseits weil ich absolut keine Ahnung habe, was in diesem dämlichen Vertrag steht – ich weiß noch nicht einmal was in dem steht, den ich vor Jahren unterschrieben habe. Auf der anderen Seite, weil ich völlig vergessen habe, dass sie Jura studiert. Was denn auch sonst? Ich richte mich ebenfalls auf, sodass ich wieder auf sie herabblicken kann. Auf ihre gerade Nase, ihre langen Wimpern, ihr trotzig nach vorne gerecktes Kinn. Hat sie sich schon mal unters Messer gelegt? Hat sie eine Schönheits-OP durchgezogen, um mit ihren reichen Freundinnen mitzuhalten? „Glauben Sie ja nicht, Sie würden am längeren Hebel sitzen. Ich bin hier derjenige, der ein festeingestellter Mitarbeiter ist. Derjenige, der am Ende hier bleiben wird, während sie heulend zu Ihrem Daddy rennen." „Ich würde nie heulend zu ihm rennen", entgegnet sie plötzlich. Die Mauer ist weiterhin undurchlässig, aber ihre Körpersprache ist mehr als deutlich. Ihre kleinen Hände sind zu Fäusten geballt, ihre Schultern sind versteift und ihre Zähne drohen schon fast zu zerbrechen, so fest beißt sie zu. Was stimmt nur nicht mit ihr? Was hat sie gegen ihren Vater? Sie hat doch einen, also sollte sie ihn gefälligst respektieren und lieben! Dieses verwöhnte Gör. „Es ist mir sowas von schnurzegal, zu wem Sie rennen, wenn ich Ihnen die Kündigung ins Gesicht klatsche. Hauptsache Sie sind so schnell wie möglich weg." Bevor ich mich umdrehe, lasse ich meinen Blick ein letztes Mal über ihr Gesicht gleiten. Über ihre glatte weiße Haut, das winzige Muttermal unter ihrem Wangenknochen. Über jeden fast schon perfekten Zentimeter für den sie vermutlich mehrere tausend Dollar ausgegeben hat. Sorry! Für den ihr Daddy mehrere tausend Dollar ausgegeben hat. Erst als ich ihre Bürotür lautstark zu krache und in die ausnahmsweise mal leere Küche laufe, fällt mir auf, dass ich ihr gar nicht den Grund für mein Kommen genannt habe. Wobei ich nicht glaube, dass es sehr überzeugend gewesen wäre, wenn ich es wirklich ausgesprochen hätte.
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