2.1 Lea

3592 Worte
Der Rest der Woche war okay. Meine Nervosität nahm ab. Meine Freundin hatte recht, jeder Dozent hatte so seinen Tick. Am Ende der Woche wusste ich, was es bei Chris war. Also außer, sich wie ein Arschloch zu benehmen. Er war der einzige Dozent, der die Kommilitonen duzte. Alle anderen Dozenten wollten gesiezt und beim Nachnamen genannt werden, waren aber auch meist deutlich älter als er. Ich fragte mich, wie er es geschafft hatte, unter diesem alten Haufen an dieser Uni anerkannt zu werden. Ihn selbst sah ich nur noch einmal auf dem Flur, vertieft im Gespräch mit Kommilitonen. Ich war auf dem Weg zu einer Vorlesung und hielt meinen Blick gesenkt, als ich an ihm vorbei ging. Keine Ahnung, ob er mich bemerkt hatte. Es folgte ein relativ langweiliges Wochenende, an dem ich einiges über die Beatles lernte. Dann war Montag. Ich konnte Sonntagabend kaum einschlafen, weil ich an den Schwimmbadbesuch gedacht hatte. Würde sich etwas ändern, weil wir uns jetzt mit Namen kannten? Hatte er vor, mich anzusprechen und Hallo zu sagen? Oder würden wir uns genauso ignorieren wie immer? Diese Fragen hatten mich so aufgewühlt, dass mir auch etliche erotische Szenen in den Sinn kamen. Ich hatte mich seiner in meinen Fantasien ja schon öfter bedient, aber jetzt, nachdem ich wusste, wie er so drauf war… Eine Seite in mir fand diese Arschloch-Art durchaus auch anziehend, auch wenn ich das niemals vor irgendwem zugegeben hätte. Aber vielleicht war auch ich nur einfach pervers, dass mich das erregte. Nichtsdestotrotz fieberte etwas in mir auf den Nachmittag zu. Einerseits war ich aufgeregt, andererseits versuchte ich mich zu beruhigen. Was sollte schon großartig passieren? Außer, dass er mich ansprach. Mein Herz klopfte wild bei der Vorstellung. Ich verließ gedankenverloren den Hörsaal und lief in eine Männerbrust hinein. Ich prallte zurück, hob meinen Blick und wollte mich entschuldigen. Aber sie blieb mir im Halse stecken, als ich sah, wer mir im Weg gestanden hatte. Chris grinste auf mich herunter - so nah vor mir stellte ich fest, dass er tatsächlich um die zehn Zentimeter größer war als ich - und als er seinen Mund öffnete und ich seine Stimmlage vernahm, wusste ich genau, dass nur eine Gemeinheit folgen konnte: “Entschuldigt man sich nicht normalerweise, wenn man blind in jemanden hineinläuft?" Ich hielt seinem Blick stand, aber die gewünschte Entschuldigung blieb ich ihm schuldig. Nach ein paar Sekunden wendete ich mich ab und lief um ihn herum. Sein Grinsen verließ dabei nicht sein Gesicht und er rief mir noch ein: “Na dann, bis nachher!” hinterher. Ich spürte, wie mir das Blut in die Wangen schoss. Musste er das hier auf dem Flur so herumbrüllen? Als wenn wir nachher ein Date hätten oder sonstwas. Was sollten die anderen jetzt denken? Ich ließ meinen Blick in den Flur schweifen, aber so viele Studenten waren gar nicht zu sehen und ich beruhigte mich wieder etwas. Bis es mir wie Schuppen von den Augen fiel: Wenn er wirklich das Schwimmbad meinte, hatte er mich auch erkannt! Er hatte also die ganze Zeit, als er mich vorführte, genau vor Augen, wie ich im Badeanzug aussehe! Ich zerknüllte fast den Block, den ich in der Hand hielt, weil ich ihn in der nächsten Vorlesung wieder brauchte und zu faul gewesen war, ihn für die 20 Meter wieder in meine Tasche zu packen. Im nächsten Vorlesesaal setzte ich mich wütend auf meinen Platz und knallte den Block vor mich auf den Tisch. Ich erntete ein paar komische Blicke, aber glücklicherweise sprach mich gerade niemand an. Sonst hätte ich ihn sicher auch total unbegründet und unverdient angeblafft. Ich überlegte kurz, ob ich einfach den Schwimmbadbesuch sausen lassen sollte. Aber bis auf einmal, als ich mit Fieber im Bett gelegen hatte, war ich jeden Montag die letzten zwei Jahre schwimmen gegangen, und ich wollte mir diese Statistik wegen keinem Arschloch der Welt versauen lassen. Nach der Uni ging ich nach Hause, um meine Sporttasche zu holen und dann direkt ins Schwimmbad. Ich musste zukünftig überlegen, ob ich sogar die Schwimmtasche mit zur Uni nahm, denn am Montag schien mein längster Unitag zu sein, der bis in den späten Nachmittag hineinging. Tatsächlich war ich durch den Umweg nach Hause sogar später dran als sonst. Das stresste mich so sehr, dass ich gar nicht darüber nachdachte, dass Chris ja sowieso immer später als ich das Schwimmbad betrat. Erst als ich frisch abgeduscht aus der Dusche trat und mich den langen Flur Richtung Halle aufmachte, hörte ich eine Stimme hinter mir, die mir eine Gänsehaut über den Rücken jagte. Ich drehte mich mit klopfendem Herzen um und da stand er vor mir. Nur bekleidet mit einer Badehose und viel zu nah konnte ich jetzt genau seine Haut studieren, wenn ich es gewollt hätte. Das Wasser perlte auch an ihm herab, so dass ich eine Sekunde fasziniert einen Tropfen beobachtete, der seine Brust hinunter rollte und an seinem Bauchnabel hängen blieb. Dann riss ich mich gedanklich zusammen und hob meinen Blick, bereute es aber gleich wieder. Sein Blick verursachte schon wieder eine Hitzewelle, die durch meinen Körper rauschte, und ich war mir nicht sicher, ob es nur Wut oder auch neugierige Aufregung war. Ich hatte durch die Akustik im Flur nicht verstanden, was er gesagt hatte, und versuchte meine Gedanken in Ordnung zu bringen, damit sich eine sinnvolle Frage in meinen Kopf bilden konnte. “Was hast du gesagt?” Wieder ohne Begrüßung oder nette einführende Worte. Aber dazu war ich gerade wirklich nicht im Stande. “Na, bist du heute mal etwas später hier?” Der Tag war schon stressig genug gewesen. Ich wollte jetzt keinen Smalltalk mit meinem Dozenten im Schwimmbadflur halten. “Ich hatte einen langen Tag und habe keinen Nerv, mit dir zu reden, sorry.” Ohne auf eine Antwort oder Reaktion zu warten, drehte ich mich um und wollte einen coolen Abgang machen. Eigentlich hatte ich genau das verhindern wollen: Dass er mich im Schwimmbad ansprach und wir hier Konversationen führten. Ich war so in meinen Gedanken vertieft, dass ich nicht aufpasste und ausrutschte. Im Fall versuchte ich, mich sinnloserweise irgendwo festzuhalten. Wo konnte man sich festhalten in einem gefliesten Flur mitten im Schwimmbad? Natürlich! An einer Badehose! Ich vollführte irgendwie eine halbe Drehung im Fall, da ich panische Angst hatte, auf meinen Hinterkopf zu knallen, und riss die Arme nach oben. Das einzige, was ich zu fassen bekam, war Chris Badehose. Ich schaffte es tatsächlich, meinen Fall zu bremsen und meine Knie beim Aufprall nicht völlig zu zertrümmern. Allerdings saß ich nun in kniender Stellung vor ihm, seine Badehose nach unten gezogen. Ich hob meinen Kopf und hatte direkt vor mir einen p***s, der unter meinem Blick größer wurde. Ungefähr zwei Zentimeter von meinem Gesicht entfernt! Ich spürte, wie meine Wangen rot wurden und mein Kopf zu glühen begann. Unfassbar. Ich hasste mich für meine Tollpatschigkeit, aber musste dieser wirklich ansehnliche p***s vor mir jetzt auch noch immer größer werden? Das übertraf meine ganzen Selbstbefriedigungsfantasien! Der Gedanke an diese verwirrte mich nur noch mehr. Ich verließ diese unsagbar peinliche Sitzposition und versuchte, ohne Sinn und Verstand die Hose wieder anzuziehen. Wie so eine dumme Tussi, die den Schritt eines Mannes abtupfen will, nachdem sie ihm Wein in den Schoß gekippt hatte. Es war ein völlig sinnfreies Unterfangen, weil sein verdammter Ständer im Weg war. Am liebsten hätte ich sie mit Gewalt rübergezerrt, aber ich wollte ihm ja auch nicht weh tun. Wenn meine Bewegungen nicht so fahrig gewesen wären, hätte ich es sicher hinbekommen. Aber die ganze Situation war mir so dermaßen peinlich, dass ich mich endlose zehn Sekunden damit abmühte, bis er sie mir aus der Hand nahm und sie selbst über das gute Stück zog. Scheiße. Dieser Ständer wird sich in mein Gehirn gebrannt haben wie kein anderer p***s in meinem Leben. Die Situation war einfach zu skurril. Als er mich dann auch noch fragte, ob alles okay sei, brannte bei mir eine Sicherung durch. Okay? Hier war nichts okay! Ohne, dass ich es verhindern konnte, suchte sich meine Wut über mich, über ihn und über diese verdammte Tollpatschigkeit seinen Weg und ich gab ihm eine schallende Ohrfeige. Meine Handfläche brannte, ich sah kurz etwas in seinen Augen aufblitzen, was ich nicht einordnen konnte. Aber mit seiner nächsten Reaktion konnte ich überhaupt nichts anfangen. Er fing an zu lachen. Hatte ich so schwach zugeschlagen, dass er darüber lachte? Über die Situation? Über mich und meine Tollpatschigkeit? Ja, ich war tollpatschig und die Reaktion danach war noch bescheuerter, aber muss man da gleich lachen drüber? Ich war doch auch nur ein Mensch! Er hatte einen Ständer bekommen! Er hätte sich entschuldigen müssen, anstatt mich hier auszulachen. Ich wollte wenigstens noch retten, was nicht mehr zu retten gewesen war. Ich schaffte die Emotionen, die in mir hochkamen, kaum noch zu beherrschen. Deswegen drehte ich mich erneut um, bedacht, diesmal nicht auszurutschen und schnell, aber vorsichtigen Schrittes das Weite zu suchen. In der Halle angekommen, ging ich zu meiner Bahn, die glücklicherweise nicht von jemand anderem besetzt wurde, und tauchte sofort ein. Ich tauchte und schwamm bestimmt mehr als zehn Bahnen, bevor mich mein Adrenalin und meine Energie verließen und ich eine Pause machen musste. Schnaufend und keuchend wartete ich am Rand und überlegte, ob ich einen Blick auf Chris Bahn riskieren sollte. Ich nahm meinen Mut zusammen und hielt nach ihm Ausschau. Aber seine Bahn war verwaist und ich sah ihn auch sonst nirgends. War er etwa gegangen? Oh Gott! Hatte ich ihn verletzt? Alle möglichen Gründe schossen mir durch den Kopf. Ich versuchte noch eine halbe Stunde halbherzig Bahnen zu schwimmen, aber ich war unkonzentriert und das Schwimmen machte mir heute keinen Spaß. So gab ich auf und verließ früher als sonst - obwohl ich später gekommen war - das Schwimmbad. Zu Hause angekommen, schmiss ich mein Schwimmzeug in die schon gefüllte Waschmaschine und schaltete sie wie jeden Montagabend an, um meine wöchentliche Wäsche zu starten. Wie befürchtet, blitzte wieder dieser Ständer vor meinem inneren Auge auf. Verdammt. Ich wusste es! Wie würde ich den je wieder aus meinem Kopf bekommen? Oder in ihn hinein? Eine kleine Stimme in mir flüsterte mir die Worte zu. Ich kannte sie. Sie nervte mich in den dümmsten Situationen. Heute ging es. Ich war zu Hause und mir war es gerade egal, dass ich vor meiner rumpelnden Waschmaschine stand und vor mich hin träumte. Aber das Bild, das vor meinem inneren Auge entstand, wie ich diesen p***s in den Mund nahm und schmeckte, ließ eine Hitzewelle in meinen Schoß schießen. Ich überlegte, mich selbst zu befriedigen, aber mein Stolz stand mir im Weg. Ich hätte das Gefühl gehabt, Chris hätte so gewonnen, auch wenn er es nie herausfinden würde. Der wahre Grund war aber, dass ich mir Sorgen machte. Immer wieder überlegte ich, ob ich ihn wohl verletzt hatte, oder warum er nicht ins Schwimmbad gekommen war. Da er am Ende gelacht hatte, schien ihn die Situation ja belustigt zu haben. Ich überlegte hin und her, während ich mich bettfertig machte und hinlegte. Ohne dass ich es verhindern konnte, war ich mit Sorgen und voller Gedanken an Chris eingeschlafen. Ich träumte davon, wie ich wieder vor seinem Ständer saß und ihm genüsslich einen blies. Immer wieder leckte ich über seine Eichel und nahm ihn ganz in den Mund. Als er zu stöhnen anfing, setzte ich mich auf ihn und verfiel in Ekstase aufgrund seiner Größe. Ich wachte mit klopfendem Herzen auf und mit einer Sehnsucht im Schoß, die ich nicht ignorieren konnte. Ein Blick auf den Wecker verriet mir, dass ich noch Zeit hatte. Nach zehn Minuten fand ich meine Erlösung und ging erschöpft, aber befriedigt unter die Dusche. Ich war froh, dass ich keine der Studentinnen war, die sich kurz vor einer Vorlesung den Stoff einprügelten, und ich schon am Wochenende gelernt hatte. Mit meinen konfusen Gedanken gerade hätte ich mir nichts mehr einbläuen können. Die erste Vorlesung war zäh und ich bekam kaum etwas mit, weil meine Gedanken nur um Chris kreisten. Ich hatte Angst, dass ich von irgendwoher erfahren würde, dass er krank war und seine Vorlesung nicht halten konnte. Wo erfuhr man überhaupt, ob Vorlesungen ausfielen? Da musste ich mich noch kundig machen. Umso erleichterter war ich, als er den Hörsaal betrat und ganz normal mit seinem Unterricht anfing. Zwar schien es ihm gut zu gehen und meine schlimmsten Befürchtungen bewahrheiteten sich nicht, aber ich wusste immer noch nicht, wieso er dann das Schwimmbad verlassen hatte. War es ihm peinlich gewesen, mir nochmal unter die Augen zu treten? Ich meldete mich am Ende seines Unterrichts wieder bei jeder Frage, aber er ignorierte mich. Als er seine schwierigste Frage stellte, meldeten sich diesmal mehr meiner Mitstudenten. Er nahm dann auch nicht mich dran, sondern meine Sitznachbarin. Als er die korrekte Antwort lobte – und zwar nicht provokativ wie bei mir letzte Woche – durchfuhr mich ein kleiner Stich. Hatte er von Anfang an ein Problem mit mir gehabt? Er sah kurz zu mir, schien aber meinem Blick schnell auszuweichen und auch den Unterricht überhastet zu beenden vor dem Schlussklingeln. Wenn er mich wirklich von Anfang an nicht leiden konnte, hatte ich es mit meinen Aktionen bestimmt nicht besser gemacht. Ich seufzte und sah seinem Rücken hinterher, wie er den Raum verließ. Abba war die nächste Lektion. Da würde ich nicht viel lernen müssen. Mit Abba kannte ich mich schon gut aus, weil es eine meiner Lieblingsbands war. Am Nachmittag ging ich nach Hause und freute mich auf den Besuch meiner besten Freundin Sofia. Wir hatten uns ein paar Wochen nicht gesehen und mussten dringend quatschen. Ich überlegte, ob und wie viel ich ihr von Chris erzählte. Aber sie würde merken, dass ich ihr was verheimliche. Bei Dingen, die mich stark beschäftigten, merkte sie das immer. Nur meine inneren Sehnsüchte und tiefsten Geheimnisse hatte ich vor ihr und eigentlich vor jedem Menschen bisher geheim halten können. Sie hatte mir von einem neuen Sushi-Laden erzählt, der bei mir um die Ecke aufgemacht hatte. Ich liebte Sushi, aber solche lokalen Sachen verpasste ich meistens, weil ich weder regionale Zeitungen las, noch Nachrichten sah. Es war ein Fließband-Sushi-Laden, was mich am meisten freute, da man da auch alleine hingehen konnte, ohne dass es komisch wirkte. Einfach an das Fließband setzen, ein paar Teller runternehmen, verschiedene kleine Portionen essen und ausprobieren. Dann bezahlte man die Teller und ging wieder heim. Trotzdem freute ich mich, den ersten Besuch dort mit meiner besten Freundin zelebrieren zu können. Als sie kam, war ich schon fertig angezogen. Sie hatte sich wie immer leicht verspätet und ich wollte gleich los, da ich Angst hatte, keinen Platz mehr zu bekommen. Im Restaurant gab es auch nur noch zwei zusammenhängende Plätze am Fließband, die sich Sofia sofort schnappte. Ich hatte auf meinem Platz einen guten Blick auf den Sushi-Koch, wie er alles zubereitete und sah alle neuen Sushiteller, die er auf das Fließband legte. Aber ich hatte das Lokal und alle Gäste im Rücken und hatte als Gesprächspartnerin nur Sofia vor mir. Nach den ersten drei Tellern war mein Heißhunger ein wenig gestillt und wir fingen an zu quatschen. Sie wollte unbedingt wissen, wie es mit meiner Uni lief und ich erzählte ihr von meinen Vorlesungen. Zunächst sehr sachlich, aber sie bemerkte mein Stocken, und ich befürchtete auch, dass sie meine roten Wangen bemerkte, als ich von Chris' Vorlesung sprach. Sie bemerkte sofort, dass da was im Busch war, und quetschte mich so lange aus, bis ich ihr verriet, dass ich meinen Dozenten für Popgeschichte aus dem Schwimmbad kannte. “War dir das nicht voll unangenehm?” Ihre Augen glänzten. Ich kannte sie, die Vorstellung amüsierte sie köstlich und ich sah sie eher gequält an. Ich war gespannt, was sie sagen würde, wenn ich ihr den Rest erzählte. Stockend fing ich an, ihr von der Verhöhnung vor der ganzen Klasse zu erzählen, von dem peinlichen In-ihn-hineinrennen und zum Schluss von dem Badehosenfauxpas. Ihre Augen wurden immer größer, bis sie am Ende in schallendes Gelächter verfiel und ihr sogar die Tränen kamen. Ich schmollte und aß mein Sushi weiter, bis sie sich wieder einbekommen hatte. “Und er hat gelacht? Wirklich?” Sie schrie fast und ich musste mich beherrschen, sie nicht zu ermahnen, leiser zu reden. Sie hasste das. Stattdessen antwortete ich ihr leise grummelnd, so dass sie dadurch vielleicht leiser wurde mit ihrer eigenen Stimme. Diese Taktik klappte in den meisten Fällen. “Na, nicht so krass wie du eben, aber ja.” Sie wischte sich die Tränen aus den Augen. “Nicht zu fassen, wie kommst du nur mit deiner Tollpatschigkeit immer in solch peinlichen Situationen? Du könntest ein Buch darüber schreiben, was dir schon für absurde Situationen dadurch passiert sind.” Ich schwieg weiter, aber sie ließ nicht locker. “Und wie war er denn nun? Groß? Nett anzusehen? Genau dein Geschmack?” Instinktiv schoss mir der Gedanke in den Kopf, wie ich daran gedacht hatte, dass ich über seinen Geschmack nachgedacht hatte. Ich merkte, wie Hitze meinen Kopf noch mehr zum Glühen brachte. Ich machte große Augen und sie verstand mich glücklicherweise ohne Worte. Dann hörte ich von hinter mir eine Stimme: “Das würde mich jetzt auch interessieren. Jetzt haben Sie das ganze Lokal schon so gut unterhalten, die Antwort wäre jetzt doch ein krönender Abschluss.” Ich erstarrte. Sofia sah an mir vorbei und runzelte die Stirn. Ich drehte mich nach ein paar Sekunden um und war erleichtert, als neben uns ein älterer Herr saß, der durchaus sympathisch wirkte. Sofia zwinkerte ihm zu. Eine Bewegung im Hintergrund ließ meinen Blick wechseln und einen Gast ein paar Plätze entfernt fokussieren. Dort saß Chris und blickte in unsere Richtung. Ich spürte, wie mein Blut meinen Kopf verließ und mir leicht schwindelig wurde. Entsetzen machte sich in mir breit, als ich hörte, wie Sofia hinter mir Luft holte, um zu antworten. Ich drehte mich wieder hastig zu ihr hin, die Hände erhoben, um ihr den Mund zuzuhalten. Aber es war schon zu spät. Ihre Schlagfertigkeit kostete mich Kopf und Kragen, als sie antwortete: “Sie hätten ihren Blick sehen müssen, dieser war Antwort genug!” Meine Hände vollendeten die Bewegung in einem Halbkreis zu meinem Mund. Kurz hielt ich ihn mir vor Entsetzen, dann raufte ich mir sprichwörtlich meine Haare. Sofia sah verwirrt zu mir, wie ich den Kopf auf meinen noch nicht ganz fertigen Teller knallen ließ, weil ich die ganze Szene nicht mehr ertragen konnte. Sie beugte sich besorgt zu mir. “Was ist los, Lea? Geht's dir nicht gut?” Ich wimmerte kurz, aber wollte auch nicht, dass sie sofort mitten durchs Lokal einen Arzt rief. Das hatte sie drauf, sie wurde leicht panisch in solchen Situationen. Ich nuschelte deswegen, dass er hier war. “Was?” Ich holte Luft und sammelte mich. Dann versuchte ich leise, aber deutlich zu sagen, dass er hier ist. “Wer?” Sie suchte das Lokal ab. Manchmal könnte ich sie wegen ihrer Begriffsstutzigkeit töten. Ich hob meinen Kopf und sah sie wütend an. Ich zischte: “Mensch, mein Dozent Chris!” Ich spürte, wie das Sushi, das an meiner Stirn klebte, von meiner Stirn fiel. Wie in Zeitlupe sah Sofia dem Sushi hinterher, wie es auf den Boden klatschte. Wir sahen uns beide an und mussten plötzlich beide total loslachen. Als wenn sich endlich bei mir ein Ventil öffnen würde, um alle eingesperrten Emotionen auf einmal herauszulassen. Keine Ahnung, wie das nun bei Chris ankam, aber es war mir auch völlig egal. Als wir uns beruhigt hatten, wollte Sofia aber nun wirklich wissen, wer denn nun mein Dozent war. Diesmal war sie taktvoll genug, die Stimme zu einem leiseren Raunen zu senken. In der gleichen Lautstärke erklärte ich ihr, wie er aussah und wo er ungefähr im Lokal saß, ohne mich selbst umzudrehen. Seinen Blick konnte ich jetzt um alles in der Welt nicht standhalten. Nicht sehr unauffällig blickte sie an mir vorbei und ich rollte die Augen. Aber mein Peinlichkeitslevel für diesen Abend hatte sein Maximum erreicht und der Lachanfall hatte etwas in mir gelöst. Ich fand irgendwie alles nur noch total surreal und lustig. Dachte ich zumindest. Als sie plötzlich winkte, stöhnte ich innerlich auf. “Wieso winkst du, verdammt?” “Er hat angefangen!” “Weil du dich wieder so unauffällig wie ein rosa Elefant benehmen musst.” Nun schmollte sie, aber das war mir egal. Sie nahm es mir auch nicht lange übel und informierte mich nach zehn Minuten brav, dass er das Lokal verlassen hatte. Ich hatte mich bemüht, nicht in seine Richtung zu blicken und war psychisch völlig erschöpft, als wir auch das Restaurant verließen. “Also, ich fand es lecker und du?” “Aber ein wenig teuer. Ich kann mir das später nur bei all-you-can-eat-Aktionen leisten.” Sie nickte. Als Student hatte man nicht unendlich viel Geld und ich überlegte sogar, mir irgendwo einen Studentenjob zuzulegen, da meine Rücklagen nicht das gesamte Studium reichen würden. Sofia kellnerte nebenher und hätte mir auch einen Job in ihrer Bar besorgen können. Aber ich wusste nicht, ob Kellnern wirklich etwas für mich war. Wir philosophierten auf dem Heimweg noch ein wenig über mögliche Nebenjobs und ich war froh, dass mir Sofia vom Thema Chris eine Auszeit gönnte. Ich war mir aber sicher, dass sie mich nun, nachdem sie ihn live gesehen hatte, ständig seinetwegen löchern würde. Sie meinte noch, dass sie ihn echt heiß fand, aber als ich die Augen gerollt hatte, ist sie nicht weiter drauf eingegangen. Das brauchte ich jetzt nicht auch noch. Mit ihr im gleichen Restaurant, in dem er saß, darüber zu schwärmen, wie heiß er war…
Kostenloses Lesen für neue Anwender
Scannen, um App herunterzuladen
Facebookexpand_more
  • author-avatar
    Schriftsteller
  • chap_listInhaltsverzeichnis
  • likeHINZUFÜGEN