Kapitel 5
Die Situation überstürzt sich
Ich begann der Straße entlang zu rennen, so schnell ich konnte. Beim Sparziergang um das Gebäude konnte ich hoch oben ein großes Fenster entdecken. Darunter lagen entlang der Mauer einige Schachteln aufgetürmt, auf die ich hätte klettern können. Ohne zu zögern hüpfte ich von Schachtel zu Schachtel, bis ganz nach oben, ich bemerkte aber schnell, dass sie leer waren, und wer weiß warum, kam mir Kater Silvester in den Sinn. Während ich schaukelte und kämpfte, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren und mit dem Risiko runterzufallen, weil die vom Regen aufgeweichten Schachteln unter meinem Gewicht schon nachgaben, ist es mir gelungen einen kurzen Blick durch das Fenster zu werfen. In schäbigem Neonlicht stand der Schwarze Mann mit dem Rücken zu mir und hielt Steve in Schacht. Mein Freund sah mich und ein Hoffnungsschimmer flackerte kurz in seinen blauen Augen auf.
«Geh Leo! Lauf los!» schrie er aus voller Kehle.
Der andere zögerte und drehte sich um. Steve nutzte diesen Augenblick der Unsicherheit, um ihn zu überwältigen. Sie kämpften und drehten und wälzten sich auf dem rutschigen Boden. Unfähig, irgendeine Entscheidung zu treffen schaute ich bloß zu, während ich pausenlos zu kämpfen hatte, um ich nicht vom Kartonberg runterzufallen. Der Schwarze Mann versetzte Steve einen Kinnhaken. Benommen ließ er locker, sodass dieser die Gelegenheit sofort nutzte, um sich zu befreien. Dann schlug er ihm eine heftige Faust in den Magen und stürzte sich auf die Pistole, die ihm vorher aus der Hand gerutscht war.
«Verdammter Rumschnüffler, das hast du nun davon!» schrie er und richtete die Pistole mit gestrecktem Arm auf Steve.
Dieser war inzwischen wieder aufgestanden und rannte im Zickzack los, auf der verzweifelten Suche nach Deckung. Die Situation war äußerst ernst, außerdem würden die Schachteln jeden Moment endgültig runterfallen. Dies war nun die letzte Chance, meinem Freund zu helfen. Ohne das geringste Zögern setzte ich auf einen Sprung an. Der erste Schuss fiel, als ich gegen das Fenster knallte. Sein Widerhall übertönte sogar den Lärm der in Scherben zerfallenden Scheibe. Betäubt und mit einem schrillen Pfeifton im Ohr, sah ich, gerade als ich die Pfoten auf dem Boden aufsetzte, einen zweiten Funken aus der Pistole zischen. Beim ersten Schuss hat sich Steve instinktiv geduckt und blieb stehen. Als er sich langsam mit erhobenen Händen umdrehte, traf ihn der Schuss voll in die Brust. Der Stoß ließ ihn rückwärts zu Boden fallen und irgendetwas glitt dabei aus der Tasche seines Regenmantels. Ein kleiner, eckiger und glänzender Gegenstand rutschte auf dem glatten, öligen Boden davon und verschwand in einer Ritze des Bodens. Der Schwarze Mann eilte zur Tür, um offensichtlich abzuhauen, aber das war mir egal, ich rannte zu meinem Freund.
«Fass ihn, Leo. Schnapp dir diesen Mistkerl!» flüsterte er mir zu.
Ich rannte wie noch nie in meinem Leben, aber es war sinnlos. Als ich den Ausgang erreichte, war der andere bereits draußen und hat das Tor hinter sich geschlossen. Durch eine Ritze konnte ich den Schwarzen Mann nur noch in seinen Wagen steigen sehen. Er fuhr rückwärts aus dem Parkplatz und stieß dabei gegen eine Straßenlampe, dann drückte er im ersten Gang auf das Gaspedal und rauschte in einer Staubwolke schnell davon.