Kapitel 3

1888 Palavras
Kapitel Drei Ich tauche in äußerster Wut aus der schlafwandelnden Trance auf. Es ist gut, dass ich mein Traumwandeln aus der Ferne gemacht habe. Ich will ihn im Moment nicht anfassen. Valerians Augen öffnen sich. Ich verenge meine. Er springt auf. Ich drehe mich um und laufe zur Tür. Hinter mir ertönt das Geräusch von Schritten, also knalle ich ihm die Tür vor der Nase zu und renne den Korridor hinunter. »Ich habe genauso viel Recht, wütend auf dich zu sein, wie du auf mich«, schreit er hinter mir her. Als ich den Aufzug erreiche, drücke ich auf den Knopf und schaue zurück. Er ist sechs Meter von mir entfernt, aber er holt mich schnell ein. »Warum warst du in meinen Träumen?«, schreit er. »Hattest du gehofft, etwas über Soma zu finden? Du weißt, wie ich mich dabei fühle!« Die Fahrstuhltüren öffnen sich, und ich springe hinein und drücke den Knopf für das Erdgeschoss. »Deine ganze ›Ich kannte dich nicht‹-Ausrede ist erbärmlich«, rufe ich zurück, als die Türen sich schließen. »Das erste Mal trafen wir uns von Angesicht zu Angesicht in dieser Burg.« Er stürzt sich auf die Türen, die Hand ausgestreckt, aber er schafft es nicht. Wow. Das Letzte, was ich will, ist, diese Unterhaltung fortzusetzen – oder in sein wunderschönes verräterisches Gesicht zu schauen. Ist er sauer auf mich? Unsere Verbrechen lassen sich nicht einmal annähernd miteinander vergleichen. Es stimmt, er war verschlossen, als ich ihn nach Soma fragte – der Ort, wo seine und meine Art zu leben scheinen –, aber ich wusste nicht einmal, dass seine schwarzen Fenster und Soma etwas miteinander zu tun hatten. Er dagegen war direkt verantwortlich für das ganze Durcheinander mit dem New Yorker Rat. Die Fahrstuhltüren öffnen sich, und ich stürze hinaus und schnappe mir ein Auto, das mich nach Hause bringen soll. Ich mache es mir bequem und berühre Poms pelzigen Körper an meinem Handgelenk. Die Traumwelt ist der Ort, an dem ich die beste Chance habe, mich zu beruhigen. Pom grüßt mich mit schwarzem Fell und besorgtem Gesichtsausdruck. »Was ist los?« Ich schlendere zwischen den unmöglichen Formen, die die Lobby meines Palastes bevölkern, umher, während ich ihm von Valerians Verrat berichte. Je länger ich spreche, desto mehr hellt sich Poms Fell zu einer Mischung aus Blau und hellem Orange auf. »Nun«, sagt er, als ich fertig bin, »es ist wahr. Er kannte dich noch nicht.« Mein Haar wird feurig, ohne dass ich das will. »Wenn du ihn so sehr magst, warum hängst du dich nicht an sein Handgelenk. Oder Arsch. Oder …« Pom verschwindet in seinem typischen Grinsekatzen-Stil. Als nur noch sein Mund übrig ist, sagt er: »Du solltest vielleicht deine Erinnerungsgalerie besuchen, um dich zu beruhigen.« »Feigling«, murmele ich, als er weg ist. Ich erwäge, eine Version von Valerian zu erstellen, die ich anschreien könnte, aber ich entscheide mich dagegen. In die Erinnerungsgalerie zu gehen könnte tatsächlich eine gute Idee sein, da es ein bisschen wie das Öffnen eines Fotoalbums ist, aber auf Steroiden. Es lenkt mich zwangsläufig von meinen verrückten Gedanken ab. Aber ich weiß, dass Pom immer noch zuschaut, also möchte ich das Gegenteil tun, und deshalb teleportiere ich mich in den Turm der Schlafenden. Aha. Ich habe Glück. Ariel, Kit, Itzel und Felix träumen alle zur gleichen Zeit. Ich ziehe sie alle in den Traum hinein, bringe uns in mein Wolkenbüro und informiere sie über alles, von meiner Entdeckung über meine Zwillingsschwester und die Begegnung mit Phobetor bis hin zu Valerian, der mich beim New Yorker Rat vor den Bus geworfen hat. »Wow«, sagt Felix mit zusammengezogener Monobraue. »Du warst beschäftigt.« Ich seufze. »Untertreibung.« Kit schüttelt den Kopf. »Ich kann nicht glauben, dass Valerian hinter Hekimas Ratssitz her war. Als wir ihn ihm anboten, wirkte er so aufrichtig, als er vorgab, ihn nicht zu wollen.« »Der Rat hat ihm einen Sitz angeboten?«, rufe ich aus. »Schon?« Kit beißt sich auf die Lippe. »Er war die natürliche Wahl. Hekima zeigte uns, wie nützlich ein Illusionist sein kann und …« Sie bleibt stehen. »Das ist egal. Ich kann nicht glauben, dass du eine Zwillingsschwester hattest. Es muss hart sein, zu erfahren, dass du sie verloren hast, gerade auf diese Art und Weise.« Während sie spricht, verwandelt sie sich in eine Kopie von mir. Ariel wirft mir einen besorgten Blick zu. »Wie wäre es, wenn wir über etwas anderes reden?« »Es ist in Ordnung. Ich kannte sie nicht wirklich.« Als ich mir mein Gesicht auf Kit anschaue, fühle ich nur eine seltsame Art von Taubheit. »Es ist schwer, um jemanden zu trauern, von dem man nicht wusste, dass es ihn gibt.« Um was ich wirklich trauere, ist mein Bild von meiner Mutter als jemand, der nicht in der Lage wäre, seine Tochter zu töten, selbst unter dem potenziellen Einfluss einer bösen Gottheit. Ariel scheint es zu verstehen und drückt meine Schulter. Itzel scheint sich bei alldem unwohl zu fühlen. Sie rückt ihre Atemmaske zurecht und fragt: »Wie hat diese Welt ausgesehen? Die, die du in den Erinnerungen deiner Mutter gesehen hast?« Froh, etwas zu tun zu haben, stelle ich die Lichtung nach, auf der ich sah, wie meine Schwester getötet wurde. Ich platziere den hohen Wald um uns herum, so wie er in Mamas Erinnerung war, mit den blaugrünen Bäumen, die abwechselnd wie Affenbrotbäume und Korallenriffe geformt sind, und ich füge sogar den seltsamen Himmel hinzu, der impliziert, dass der Planet eine seltsame Brezelform anstelle einer Kugel hat. Alle schauen sich mit offenem Mund um. »Dieser Himmel …« Felix atmet ehrfürchtig aus. »So cool.« Ariel dreht sich zu Itzel um. »Ist dies eine Ringwelt? Vielleicht von euresgleichen gebaut?« Itzel schüttelt den Kopf. »Sie könnte von Zwergen gebaut worden sein, aber die Struktur ist kein Ring. Es müssen zwei gegenläufig rotierende Zylinder sein. Erinnert mich an ein Raumschiffdesign, über das ich auf der Erde gelesen habe – einen O’Neill-Zylinder.« Sie macht das Gras zu unseren Füßen weg und zeichnet eine grobe Skizze des Designs in den Dreck. Alle starren es verständnislos an. Itzel hüstelt frustriert und wirft Felix einen besiegten Blick zu. »Ihr braucht einen Bezug zur Popkultur der Erde, nicht wahr?« »Nein«, sagt Felix. »Ja«, sagt Ariel im selben Moment. »Interstellar«, sagt Itzel. »Cooper Station, ganz am Ende.« »Oh, ja«, sagt Felix und schaut mit noch größerer Verwunderung auf. »Du glaubst also, das ist ein Raumschiff?« »Das ist eine philosophische Frage«, sagt Itzel. »Von jedem Planeten kann man sagen, dass er ein Raumschiff ist, besonders wenn der Planet so künstlich erschaffen wurde, wie dieser es sein muss.« Kit gähnt laut. »Ich träume, und doch lässt du mich gleich einschlafen.« »Leute.« Ich schnippe mit den Fingern, um ihre Aufmerksamkeit zu bekommen. »Es gibt eine Sache, die wir noch nicht angesprochen haben – den beunruhigendsten Aspekt dessen, was ich erfahren habe.« Ich schaue jeden von ihnen der Reihe nach an. »Weiß einer von euch, wie ein Gott der Alpträume eine reale Sache sein kann?« »Vielleicht ist er an sich kein Gott«, sagt Felix. »Nicht in der Art, wie die Menschen über sie denken. Vielleicht ist er nur ein mächtiger Traumwandler oder etwas Ähnliches, der angebetet wurde. Mit genügend Kräften aus dem menschlichen Glauben können viele von uns wie Götter werden.« »Er könnte recht haben«, sagt Ariel. »Es gab einen Phobetor in der griechischen Mythologie, und er hatte die gleiche Aufgabe. Wenn mehr Welten den gleichen Mythos über einen bestimmten Cogniti haben, wären seine Kräfte über alles hinausgewachsen, was wir uns vorstellen können.« Ich schaue mich verstohlen um. »Wie wäre es, wenn wir ihn in Zukunft Collywobbles nennen? Besonders in der Traumwelt?« Valerian bestand darauf, dass wir Phobetors richtigen Namen nicht sagen sollten, und jetzt, da ich ihm begegnet bin, kann ich seine Besorgnis nicht länger als Paranoia abtun. Kit nickt. »Kein Problem. Kannst du ihn uns zeigen? Collywobbles?« »Ich glaube, das will ich hier auch nicht machen«, sage ich. »Ich habe kein gutes Gefühl dabei. Als ob er tatsächlich zum Leben erwacht, wenn ich ihn hier erschaffe.« »Hmm.« Felix hebt ein gefallenes Blatt von einem der Bäume auf. Seltsamerweise hat es die Form eines Hexagons. »Könnte das der Grund sein, warum er dir überhaupt erschienen ist?«, fragt er. »Wenn deine Mutter von ihm übernommen wurde, wie in deiner Theorie, bedeutet das, sie muss …« »Wir waren uns einig, nicht darüber zu reden«, schnappt Ariel ihn an und wirft einen vorsichtigen Blick in meine Richtung. »Mir geht es gut.« Ich richte meine Schultern auf und ignoriere die schmerzhafte Verspannung in meinem Nacken, die irgendwie sogar im Traum bestehen bleibt. »Wenn er recht hat, wie wäre es dann, wenn wir überhaupt nicht über Collywobbles sprechen? Zumindest nicht hier.« Alle verstummen. »Vielleicht sollten wir alle darüber schlafen«, sage ich. »Wenn jemand morgen früh gute Ideen hat, meldet euch.« Sie sind einverstanden, also lasse ich sie weiterschlafen und kehre in mein Taxi zurück. Als ich ein paar Minuten später in meiner Wohnung ankomme, falle ich in mein eigenes Bett. Aber ich kann nicht schlafen, denn mein Verstand spielt alles in einer ekelerregenden Schleife ab. Endlich, nach gefühlten Stunden, drifte ich ab. Ich laufe über den Times Square und gebe mein Bestes, um die Tausenden von Touristen und Einheimischen nicht zu berühren, was schwieriger ist, als es sein sollte. Über uns ragen Wolkenkratzer empor, die mit Bildschirmen geschmückt sind, auf denen schrille Videos abgespielt werden, die meisten davon sind Werbung. Alles scheint normal zu sein – bis eine vage vertraute Musik zu spielen beginnt. Es ist Tanz der Zuckerfee, die Melodie aus einem berühmten Ballett hier auf der Erde. In New York spielen sie es oft um Weihnachten herum. Der Bildschirm in meiner Nähe hört auf, die Sodawerbung zu zeigen, und ein gruselig aussehender Holzsoldat starrt mich mit einem klaffenden Mund voller schwarzer Zähne an. Nein, kein Soldat. Der Nussknacker – das ist der Name des Balletts, aus dem diese Musik stammt. Im Gegensatz zu den üblichen Darstellungen dieser Figur hat diese hier echte braune Augen in einem Holzkopf. Zu seiner Gruseligkeit trägt auch die Art und Weise bei, wie das Gesicht gemalt ist, mit einem blutfarbenen Grinsen, umrahmt von einem tentakelartigen Schnurrbart. Ich starre sie an, unfähig, wegzusehen. Der Bildschirm flimmert, und der Nussknacker ist nicht mehr darauf. Er ist jetzt dreidimensional. Echt. Mein Selbsterhaltungstrieb setzt ein, und ich ziehe mich zurück. Er springt herunter und landet auf einem gebeugten Holzknie, wie ein Superheld. Ich starre den Krater an, den er an der Stelle geschaffen hat, an der ich soeben stand. Plötzlich taucht Pom zwischen mir und dem Nussknacker auf. Sein Fell ist schwarz, seine Augen wild. »Wolltest du immer noch, dass ich es dir sage, wenn du einen Alptraum hast?« Einen Alptraum? Also einen Traum? Ich schaue auf mein leeres Handgelenk. Natürlich. Pom läuft und spricht – er kann nicht an meinem Handgelenk sein. »Danke«, sage ich zu Pom und lasse die Musik und den Nussknacker verschwinden. Die Musik verschwindet, aber der Nussknacker bleibt, wo er ist, und das böse Grinsen breitet sich aus. »Es wäre einfacher gewesen, dich zu töten, wenn du nicht gewusst hättest, dass du träumst«, sagt er mit einer unheimlich melodischen Stimme, die mich an die Musik erinnert, die ich gerade gestoppt habe. »Na ja, dann muss es eben so gehen.« Was zum Teufel …? Wie kommt es, dass meine eigene Alptraumkreatur sich weigert, wegzugehen? Es sei denn … Der Nussknacker streckt seine hölzerne, fingerlose Hand aus und greift mich an.
Leitura gratuita para novos usuários
Digitalize para baixar o aplicativo
Facebookexpand_more
  • author-avatar
    Escritor
  • chap_listÍndice
  • likeADICIONAR