Kapitel 7
Ethans Sicht
„Alpha, wir müssen sie sofort verlegen, ihr Puls ist immer noch instabil.“
„Bringt sie auf die Station für Alpha“, befahl ich sofort.
„Sir … die Station für Alpha ist nur für …“
„Tut, was ich sage!“, fuhr ich sie an, und sie brachten sie eilig hinein.
Die Sanitäter legten sie ins Bett, schlossen Schläuche an, überprüften ihre Vitalfunktionen und gaben ihr Infusionen. Sie hatte sich seitdem nicht bewegt, nicht einmal gezuckt, und irgendwie hasste ich diese Regungslosigkeit.
Dr. Reed kam wieder herein. „Alpha, es wird Stunden dauern, bis wir wissen, ob ihre Lunge richtig reagiert. Sie war fast mit Salzwasser gefüllt.“
„Rettet sie.“
„Wir tun alles, was wir können.“
„Nicht genug“, murmelte ich.
Reed zögerte. „Kennst du sie, Alpha?“, fragte er, und ich antwortete nicht.
Ich wartete, bis der Raum leer war, zog dann einen Stuhl neben ihr Bett und setzte mich.
Mehrere Stunden waren vergangen, und sie wachte immer noch nicht auf. Ihr Atem war so schwach, dass jedes Heben und Senken ihres Brustkorbs etwas in mir lockerte und dann wieder zusammenzog.
Ihr Körper war voller blauer Flecken. Es waren Schnitte, Verbrennungen, Spuren an ihren Handgelenken, als wäre sie tagelang angekettet gewesen. Mein Wolf lief unaufhörlich in meinem Kopf auf und ab, knurrend, ruhelos und wütend.
Die Anziehungskraft meiner Gefährtin war nicht mehr gering. Es war ein ständiger Druck gegen meine Rippen. Jedes Mal, wenn ihr Herzschlag langsamer wurde, brüllte mein Wolf.
Ich beugte mich vor, die Ellbogen auf den Knien, und zwang mich zu gleichmäßigem Atem.
„Ich kenne nicht einmal deinen Namen“, murmelte ich.
„Und ich verliere die Kontrolle wegen dir.“
Es klopfte an der Tür, und die Tür öffnete sich. Ryan trat ein.
„Du bist immer noch hier.“
„Offensichtlich.“
„Das war keine Frage“, sagte er leise.
Er sah sie wieder an. „Die Wachen sagten, sie sei fast an der Grenze gefunden worden, wo sie von Osten her hineingetrieben war.“
„Jemand hat versucht, sein Verbrechen zu vertuschen“, sagte ich.
„Und es ist ihm nicht gelungen“, fügte er hinzu.
„Spürst du … irgendetwas Seltsames?“, fragte er, und meine Kiefermuskeln spannten sich an.
„Was willst du damit sagen?“
„Du hast den Raum nicht verlassen, seit wir sie hereingebracht haben.“
„Das geht dich nichts an.“
„Doch“, sagte er bestimmt.
„Denn wenn du nicht klar denkst, ist das ganze Rudel in Gefahr.“
Ich sah ihn sofort an, und er hob beschwichtigend die Hände. „Na gut, ich lasse es gut sein, aber du solltest dich ausruhen.“
„Nein.“
„Du wirst nicht lange durchhalten …“
Ich stand blitzschnell auf, und er zuckte zusammen. „Ich sagte nein, Ryan.“
Er biss sich auf die Innenseite der Wange, nickte dann und ging hinaus. Sobald er weg war, fühlte sich der Raum anders an, still und bedrückend.
Ich lehnte mich zurück. Ihr Brustkorb hob und senkte sich langsam. Ihre Lider bewegten sich nicht, und ich wusste, dass sie fernab dieser Welt gefangen war.
Vorsichtig strich ich ihr die Haare aus dem Gesicht. Ich berührte ihre Haut nicht, sondern strich ihr nur die Strähnen von der Stirn. Sie reagierte überhaupt nicht.
Mein Wolf drängte sich wieder in mich hinein und stemmte sich erneut gegen meine Meine Finger schwebten über den blauen Flecken auf ihrer Wange. Sie waren dunkel, hässlich, der Umriss eines Handabdrucks war schwach zu erkennen. Jemand hatte sie mehr als einmal geschlagen.
Meine Stimme wurde leiser. „Wer hat dir das angetan?“
Ich lehnte mich zurück und betrachtete jede Wunde, jeden Schnitt, jede Brandwunde. Je länger ich hinsah, desto schwerer fiel mir das Atmen.
Jemand hatte versucht, sie zu brechen, jemand hatte sie wie ein Tier angekettet, jemand hatte entschieden, dass ihr Leben nichts wert war.
Ich schluckte schwer und unterdrückte die Wut, die in mir aufstieg. Wenn ich sie jetzt herausließ, würde ich etwas oder jemanden zerstören.
Ein leises Piepen des Monitors lenkte meine Aufmerksamkeit. Ihr Puls schnellte kurz in die Höhe und fiel dann wieder ab.
Ich stand sofort auf. „Reed!“, rief ich.
Er stürzte herein. „Sie reagiert auf etwas, vielleicht Schmerzen, vielleicht eine Erinnerung, vielleicht kämpft ihr Körper gegen den Schock an.“
„Kümmern Sie sich darum.“
„Wir versuchen es.“
Zwei weitere Krankenschwestern kamen herein, überprüften die Infusionsleitungen und justierten die Werte. Reed drückte ihr eine kalte Lampe gegen die Pupillen.
„Sie ist immer noch bewusstlos“, bestätigte er.
„Aber ihr Körper kämpft heftiger, was ein gutes Zeichen ist.“
„Gut“, sagte ich, obwohl meine Stimme rau klang.
Als sie gegangen waren, setzte ich mich wieder hin und spürte, wie sich ein schwerer Druck auf meiner Brust ausbreitete. Ich konnte mich nicht erinnern, wann mich zuletzt jemand so mitgenommen hatte.
Ich mochte es nicht. Ich wollte es nicht, aber ich konnte mich auch nicht davon abwenden. Ich zwang mich, den Blick von ihrem Gesicht abzuwenden und betrachtete stattdessen ihre Arme.
Die Verbände waren sauber, frisch angelegt. Doch die Erinnerung an die Spuren blieb in meinem Kopf.
Ihre Handgelenke waren aufgerissen, wahrscheinlich von schweren Ketten.
Das bedeutete, dass derjenige, der versucht hatte, sie zu töten, gute Arbeit geleistet hatte, und tief in mir drin machte ich mir Sorgen wegen Ryans Fragen.
Was, wenn sie eine gefährliche Person war, vielleicht sogar gejagt und getötet? Oder wenn sie ein guter Mensch war? Aber wenn sie wirklich ein schlechter Mensch war, was sollte ich dann tun?
Sollte ich sie verjagen und so tun, als hätte diese Verbindung nie existiert, oder sollte ich sie hier behalten? Jetzt, wo mir Leute und Angreifer nach dem Leben trachteten?
Würde sie eine Verbündete oder eine Feindin sein?
Ich beugte mich vor und hob vorsichtig, dann langsam, eine Ecke des Verbandes an, um zu sehen, wie die Wunde verheilte.
Die Haut darunter war geschwollen, aber sauber. Dann fiel mir etwas auf: eine schwache, eckige Kontur.
Ich runzelte die Stirn und zog den Verband noch etwas weiter zurück. Da war es, an ihrem Unterarm. Ein kleiner, verblasster Hautfleck mit einem Symbol.
Ich schob die Decke etwas herunter und sah mir den Arm weiter unten an. Eine weitere schwache Markierung verbarg sich in der Nähe des Ellbogens; es waren keine Kratzer, keine blauen Flecken.
Es waren Muttermale. Meine Finger umklammerten den Rand der Decke. Ich kannte diese Muster, vielleicht hatte ich sie vor Jahren schon einmal gesehen.
Ich schloss die Augen und versuchte mich zu erinnern, wo ich sie schon einmal gesehen hatte.Kontrolle. „Sie gehört uns, beschütze sie“, sagte er, und ich ignorierte ihn.