Ich rannte—sofern sich mein Körper noch daran erinnerte, wie man rennt. Der dunkle Waldboden, mit Kiefernnadeln übersät, dämpfte das Geräusch meiner Schritte, doch er milderte nicht den Schmerz, der bei jedem Schritt unter meinen Rippen wimmerte. Das Messer kalter Luft schnitt in meine Lungen, mein Hals brannte, als wäre er innen mit Salz ausgeschrubbt worden. Mein Umhang war schwer; sein Saum peitschte bei jedem Schritt, der blutgetränkte Stoff strich leise an meinem Oberschenkel entlang. Mein Haar klebte in meinem Gesicht, Schweiß hinterließ salzige Spuren an meinem Mundwinkel. Ich dachte nicht—ich konnte nicht. Mein Körper erinnerte sich: vorwärts, nach rechts, die knochigen Wurzeln meiden, halb in einer Bewegung unter der umgestürzten Fichte hindurchgleiten, die Schulter drehen, wenn der Ast zurückschnellt.
„Noch einen Schritt“, knurrte der Wolf in mir, heiser, aber entschlossen. „Noch einen.“
Auf jedes „noch einen“ folgte ein weiteres „noch einen“, während sich die Welt enger um meine Brust zog. Die Baumstämme standen wie hohe, dunkle Säulen; zwischen ihnen sickerte das Mondlicht herab wie ein dünnes silbernes Messer. Der starke, tiefe Geruch von Kiefernharz füllte meine Nase, doch der süße, metallische Geruch meines eigenen Blutes legte sich stets darüber, wie ein Schatten, der an mir haftete.
Der Boden schwankte unter den Füßen: hier weiche Nadeln, dort festgetretener Pfad, weiter vorn Steine und Wurzeln. Mein Knöchel drehte sich protestierend, Schmerz stach in meine Hüfte, doch ich lief weiter. Ich wagte nicht zurückzublicken. Mein Blick klammerte sich nach vorn, an jedes winzige Fleckchen Licht, jeden freieren Streifen, als wartete die Rettung gleich hinter der nächsten Biegung.
Dann blieb mein Fuß an einer Wurzel hängen. Die Welt sprang nach vorn; ich blieb zurück. Ich stürzte auf die Knie, die Haut unter dem linken platzte auf, und der kalte Schlamm biss in die Hitze, die aus der Wunde quoll. Meine Hand schlug in den Boden, schwarzer, nasser Humus drückte sich unter meine Nägel. Die Luft entwich mir, und ich lag da wie ein an Land geworfener Fisch, hilflos, stumm, schnappte im Dunkeln mit dem Mund nach Kälte.
Sofort krümmte sich mein Wolf in mir über mich, als wolle er den Schwung des Sturzes zu einer Rüstung hämmern.
„Atmen“, befahl er. „Nicht aufhören.“
Ich gehorchte. Der erste Atemzug zog Glasscherben durch meine Kehle; der zweite schnitt weniger; beim dritten erreichte die Kälte mein Gehirn, und die Welt sprang wieder an. Mein Knie pochte, meine Rippen protestierten bei jedem Heben der Brust, ein dumpfer, schwerer Krampf lauerte tief in meinem Bauch. Warme Nässe begann wieder an meiner Innenseite des Schenkels hinabzulaufen, und ich klammerte mir mit einer wirren, instinktiven Bewegung den Bauch. Unter der Haut spürte ich nicht dieses kleine, geheime Flattern, das ich seit Tagen gehütet hatte. Nur Leere und Schmerz.
„Nein…“ entfuhr es mir. Es war keine Stimme, nur Luft.
Mein Wolf schluchzte leise. Kein Heulen, kein Zerbrechen—dies war die Art des Weinens, die keinen Zeugen sucht. Wie Eis, das unter Schnee reißt, wo niemand es hört. Ich fühlte, wie er sich in meiner Brust zur Seite zog, um dem Schmerz Raum zu machen—nicht verborgen, nur nicht im Weg.
„Er hat es genommen“, sagte er schließlich, seine Stimme kaum mehr als ein Beben. „Er hat es uns genommen.“
Das Wort—genommen—prallte in meinem Schädel von innen an, drehte seine Runden und fiel dann irgendwohin, wo ich es nicht erreichen konnte. Die Welt brach zusammen. Die Bäume, der Wind, der Mond—alle sahen zu, wie ich die Stirn in den Schlamm presste und die Finger in die Erde grub. Die Gerüche—Kiefer, Feuchte, Blut—mischten sich in meinem Mund. Mein Magen hob sich, und das trockene Würgen peitschte mir die Kehle wie eine Rute.
Die Tränen kamen erst nicht. Nur Atem. Ich wollte, dass er gleichmäßig ging, im Rhythmus meines Wolfs, doch zwischen jedem Schlag klaffte ein Loch, ein Aussetzer, der nicht von mir kam, sondern von dem, was nicht mehr war. Meine Fingerspitzen suchten an meinem Bauch nach jener kindlichen Stille, die am Nachmittag warm und geheimnisvoll gewesen war—nun gähnte an ihrer Stelle eine kalte, tiefe Nichtigkeit.
„Warum?“, krächzte ich. Nicht zu Robert—er war nicht hier. Nicht zur Nacht—sie antwortet nicht. Zu mir? Zu meinem Wolf? Zur Welt? „Warum?“
Nichts antwortete, aber der Lauf des Windes drehte sich, und ein langer Seufzer strich über die Kronen der Bäume. Bei seiner Bewegung entrollte sich ein Laut aus mir. Erst ein einzelner, zerrissener, schmerzhafter Atem, dann ein nacktes, hässliches Schluchzen—die Art, die man sich nur erlaubt, wenn man allein ist. Ich weinte mit meinem ganzen Körper: Meine Schultern bebten, meine Wunden schmerzten, das Blut strömte unablässig weiter, und aus mir brachen Laute, von denen ich nicht wusste, dass es sie gab.
Bilder flackerten durch das Schluchzen. Zu scharf, um wirklich zu sein, zu sanft, um Traum genannt zu werden. Eine winzige Hand, in meine Handfläche gelegt. Eine Wiege, vom Schmied gefertigt, aus Kiefer und Buche, stark und duftend. Eine kleine Gestalt, die über den Burghof tappte, mein Wolf zog ehrfürchtige, stolze, wachsame Kreise. Eine Stimme, die ich nie gehört hatte und doch wusste, dass sie an mein Herz gebunden war. Jedem Bild eingebrannt wie ein Brandzeichen lag die Tatsache: nur noch ein Bild. Es würde nichts anderes mehr werden.
Das Weinen ebbte ab, dann schwoll es wieder an. Die Dunkelheit stand reglos zwischen den Bäumen, und das Mondlicht glitzerte so kalt auf den Nadeln, als wäre es mit gemahlenem Glas bestäubt. Eine Eule strich lautlos über mich; als sie wendete, schnitt ihr Flügel einen kurzen Schatten über den Boden. Die Witterungen von Wild—Fuchs, Hase, Reh—schichteten sich in die Luft, und der Geruch meines eigenen Blutes beherrschte sie alle, als wäre er ein Warnschild, das ich mir nicht abwaschen konnte.
„Wir ertragen es nicht“, flüsterte ich. Meine Stimme knisterte. „Es ist zu viel.“
„Wir können es“, entgegnete mein Wolf. Kein Trost. Entscheidung. „Weil wir müssen.“
In meiner Brust hakte sich dieses Wort—müssen—an einer Rippe fest und hielt, während ich einen weiteren Atemzug nahm. Langsam hörte mein Körper auf zu zittern, doch die Trauer ließ nicht nach. Meine Tränen liefen weiter—warm, brennend auf meinen kalten Wangen. Meine Stirn ruhte auf schlammigem Grund; zum kühlen, holzigen Geruch des Schlamms gesellte sich Salz auf meiner Zunge, als ich mir den Mundwinkel leckte.
Ich wartete, ob der Schmerz sterben würde. Tat er nicht. Er veränderte sich. Seine beißende Kante wurde stumpfer, breiter, wie ein großer, warmer Stein, der mir mitten in der Brust lag. Das konnte ich tragen—nicht leichter, nur anders. Meine Arme lösten sich langsam von meinem Bauch, meine Hand glitt zum Rand der Erde, und meine Fingerspitzen rollten zwischen den Nadeln eine Kugel aus nassem Humus, dann zerdrückten sie sie. Die Bewegung beruhigte mich—etwas, das ich tat, das nicht schlimmer wehtat als zuvor.
„Wir können nicht hierbleiben“, erinnerte mich mein Wolf. „Der Geruch von Blut ruft, was hungrig ist. Und er ruft auch ihn.“
Bei dem Wort—ihn—krampfte sich mein Inneres wieder zusammen. Ich sah Roberts Gesicht über mir aufragen: die Augen rot lodernd, das Zittern des Zorns an seinem Mundwinkel, und Bewegungen, in denen nichts mehr von dem war, was einst menschlich gewesen war. Du bist zu nichts nütze, du und das Gewürm. Das Satzende schnappte in meinem Kopf zu wie ein kaltes Tor. Der Wind fuhr wieder durch die Bäume. Ich spürte seine Bewegung in den Eingeweiden.
Ich stemmte mich auf die Knie. Mein Knie protestierte, Nadeln stachen in die Wunde, meine Hüfte zog sich fest. Meine Hand ging vom Boden an einen Stamm; seine Rinde war gerippt, prägte Streifen in meine Handfläche. Ich holte tiefer Luft. Mein Wolf atmete mit mir: drosselte das Tempo, und in seinem Rhythmus lag etwas Uraltes—etwas, das Winter und Seuchen und Kriege überdauert hatte. Mein Herzschlag fügte sich ein—nicht ruhig, nur besser zu folgen.
Ich stand auf. Der Wald schien zugleich kleiner und größer: kleiner, weil die Räume zwischen den Bäumen mit meinem Schatten gefüllt waren, größer, weil zwischen den Zweigen mehr Sterne standen, als ich je zählen könnte. Der Saum meines Umhangs klebte an meinen Knien. Die Kälte biss durch den Stoff, Schnitte und Prellungen meldeten sich immer wieder, doch sie hielten meine Beine nicht mehr auf.
„Wohin?“, fragte ich.
„Den Hang hinab“, sagte mein Wolf. „Zum Bach. Das Wasser wird die Witterung fortwaschen. Die Steine werden dich decken. Es gibt eine Höhle am Steilufer unter einem umgestürzten Stamm. Dort ruhen wir.“
Ich setzte mich in Bewegung, der Neigung des Hangs folgend. Ich hielt meine Schritte kurz; lange Schritte werfen dich, kurze halten. Mit einer Hand schob ich Zweige beiseite, mit der anderen stützte ich mich an Rinde. Manchmal hielt ich an und lauschte. Aus Richtung der Burg kam kein Laut—oder keiner, den ich hörte. Die Geräusche des Waldes lebten: Etwas Kleines fiepte unter einem Blatt, weiter weg brach ein Reh durchs Gestrüpp, ein Fuchs kreiste unten auf den Steinen, bekam meine Witterung und wurde dann vorsichtig.
Das Geräusch des Bachs erreichte mich, bevor ich ihn sah. Sein Klingen, wie er aus den Felsen quoll, war dünn und klar, als würde es auf Glas gespielt. Als ich das silberne Band zwischen den Steinen erreichte, kniete ich nieder. Die Kälte biss so schnell in meine Hände, als würde meine Haut wimmern. Rote Wirbel tanzten im Wasser, dann trug die Strömung sie davon. Ich nahm den Umhang ab und breitete ihn am Ufer aus. Ein dunkles Band lief am Rand des Stoffes entlang—ich sah nicht lange hin. Ich wusch mir Blut und Schlamm von Schenkeln, Knie und Schienbeinen, so gut ich konnte. Nicht, um sauber zu sein—um weniger aufzufallen. Mit den Fingern kartierte ich die Blutergüsse an Hüfte und um die Rippen; der Schmerz hob sich wie das Relief eines unbekannten Landes. Meinen Bauch berührte ich nicht lang; ich legte nur kurz die Hand darauf—wie zum Abschied—und zog sie wieder fort.
Am Wasser sitzend fühlte ich mich zugleich furchtbar leicht und furchtbar schwer. Die Leichtigkeit kam vom Verlust—als wäre ein Teil meines Körpers, das Gewicht, das mich in die Zukunft zog, herausgerissen. Die Schwere kam auch von dort: ein Stein, den ich von nun an tragen musste. Mein Wolf drängte nicht und zog nicht. Er war einfach da. Ich fühlte die Wärme seines Fells in meinem Kopf, sein Gewicht, wie er sich neben mich setzte. Unsichtbar und doch vollkommen wirklich.
„Wenn du zurückgehst, wird er dich töten“, sagte er leise. „Wenn du hierbleibst, finden dich die Hungrigen. Wenn du weitergehst, gibt es eine Chance. Wähle.“
„Weiter“, antwortete ich. Meine Stimme bebte kaum. „Weiter.“
Ich wrang den Umhang so gut es ging aus und legte ihn wieder an. Die Nässe biss in meine Schultern, doch Bewegung würde mich wärmen. Am Bach entlang hielt ich mich in der Deckung der Steine, wo das Mondlicht nur in Splittern hinfiel. Am Ufer lag der umgestürzte Stamm, von dem mein Wolf gesprochen hatte: seine Wurzeln standen wie die Zähne eines Kamms in die Luft, und der Schlund einer Höhlung klaffte dunkel, wo er die Erde weggerissen hatte. Ich zwängte mich hinein. Der Boden war kalt, die Luft feucht; zwischen den Wurzeln trockenes Laub, Haare, Spuren alter Höhlenbewohner. Ich schob Moos unter mich, und obwohl es hart blieb, trug es mich.
Mein erster Impuls war, mich zusammenzurollen. Meine Rippen protestierten, mein Bauch ebenfalls, und die Knie anzuziehen tat weh—doch in dieser Haltung lag etwas Uriges, etwas, das Wolf und Mensch gemeinsam wissen. Ich schlang die Arme um meinen Bauch und legte die Stirn auf den Ellbogen. Die Geräusche der Außenwelt drangen gedämpft herein: das Klingen des Wassers, ferne Schritte, das Raunen der Bäume, mein eigener Atem.
Eine weitere Welle der Trauer kam langsamer, reichte aber tiefer. Sie schüttelte meinen Körper nicht—sie füllte ihn aus. Ich weinte jetzt leise, meine Tränen tränkten den groben Stoff, hinterließen nur den Geschmack von Salz in meinem Mund. Die Bilder kehrten zurück—sie wollten nicht gehen. Ich wollte es nicht. Jetzt wusste ich: Das würden meine Steine sein, die ich vor mir auslege, damit es etwas gibt, worauf ich treten kann, wenn ich weitergehe.
„Ich schwöre“, flüsterte ich, zu den Wurzeln, zur Erde, zum Wasser, zum Mond—zu allem, was hört. „Nie wieder werde ich mich so hilflos hingeben. Nie wieder lasse ich jemandem nehmen, was mir gehört. Ich vergesse nicht. Ich verzeihe nicht. Ich werde überleben.“
Mein Wolf brummte. Keine Zustimmung—Verstehen. Als sein Laut sich um mich legte, ließ das Zittern in meiner Brust allmählich nach. Die Luft, die ich holte, reichte tiefer. Der Schweiß kühlte auf meiner Stirn. Das Pochen meiner Wunden verschob sich zu einem dumpfen, handhabbaren Takt.
„Du musst ruhen“, stellte mein Wolf fest. „Eine kleine Weile. Nicht lang. Bis zum ersten Licht.“
„Ich fürchte mich vor dem Schlaf“, gab ich zu. „Davor, wozu ich erwache.“
„Ich halte Wache“, sagte er. „Ich werde deine Ohren sein. Ich werde deine Zähne sein. Schlaf.“
Es kam kein Lächeln, aber etwas in mir entspannte sich. Meine Lider wurden schwerer. Geräusche glitten tiefer; das Klingen des Wassers rückte weiter fort, das Flüstern der Bäume näher. Die Kälte, die durch den Umhang in meinen Rücken biss, fühlte sich nicht länger wie ein Feind an—eher wie Wachsamkeit. Ein letztes Mal in dieser Nacht ruhte meine Hand auf meinem Bauch. Ich fragte nicht, ich forderte nicht. Ich sagte nur Lebewohl.
Die Dunkelheit stürzte nicht auf mich herab. Sie deckte mich zu, wie Erde, die einen Samen annimmt. Der Schmerz blieb, aber er riss nicht mehr—auch er ruhte jetzt. Mein Wolf saß dort, wo der Wind in meinem Ohr sein sollte, und hielt Wache. Mein Atem wurde ruhiger, und obwohl der Verlust am Rand jedes Schlages lauerte, fand etwas anderes Raum zwischen ihnen: ein dünner, trotziger Faden, der nicht zulässt, dass wir auseinandergerissen werden. Ich kannte seinen Namen noch nicht. Aber ich kannte sein Gewicht.
Das erste leise, zaghafte Klopfen eines Vogels war noch nicht die Dämmerung—nur ihr Versprechen. Ich hörte es, kurz bevor ich einschlief. Und mein Körper, gemacht aus so vielen Rissen, flüsterte zum ersten Mal zurück: Ich bin noch da.