Kapitel 4

1025 Words
„Du bist nicht nur ein Arschloch, sondern auch ein Scheißkerl ... das habe ich schon immer gedacht“, lallte Blair, ihre Zunge fühlte sich zu schwer in ihrem Mund an. Sie wusste, dass sie das nicht sagen sollte, aber sie konnte sich nicht zurückhalten. Roman lachte leise und lehnte sich zurück. „Ich glaube, ich sollte dir einen Kaffee holen.“ „Will ich nicht.“ Blair winkte abweisend mit der Hand und hätte sich dabei fast selbst ins Gesicht geschlagen. „Ich will ... einen Mann, der keine betrügerische Ratte ist.“ Ihr Blick wanderte über ihn, und trotz aller Bemühungen bemerkte sie – bemerkte wirklich –, wie attraktiv er war. „Hast du ... hast du jemals deine Ex-Frau betrogen?“ Sie hatte Jessica einmal getroffen. Es war keine angenehme Erfahrung gewesen. Romans Gesichtsausdruck veränderte sich nicht, aber seine Stimme wurde sanfter. „Nicht alle Männer betrügen, Blair.“ „W-warum hat sie dich dann verlassen?“ Sie neigte den Kopf, als würde sie versuchen, ein Puzzle zusammenzusetzen. „Es gibt viele Gründe, warum Ehen scheitern“, sagte Roman und fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. „Nicht alle haben mit Untreue seitens des Mannes zu tun.“ Blair brauchte einen Moment, um das zu verarbeiten. Dann weiteten sich ihre Augen. „Sie hat dich betrogen?“, flüsterte sie, als wäre es ein großes Geheimnis. „War sie eine Idiotin?“ Ihr Chef war umwerfend – dichtes dunkles Haar, intensive graue Augen, markante Wangenknochen. Und sein Körper ... nun, soweit sie sehen konnte, war er in Ordnung. Nicht, dass sie sich jemals dafür interessiert hätte. Sie war immer mit Dan zusammen gewesen. War mit Dan zusammen gewesen. Roman beugte sich zu ihr hinüber und hob sanft ihr Kinn mit zwei Fingern an, als ihr Mund offen stehen blieb. „Ich habe viel gearbeitet. Manche würden sagen, ich habe sie dazu getrieben.“ Blair blinzelte ihn an, schüttelte dann den Kopf und wurde dabei schwindelig. „Das ist keine Entschuldigung ... nein ... nein, nein, nein.“ Sie ließ den Kopf zurück auf die Couch fallen und atmete laut aus. „Sollte sich vorher scheiden lassen ... Betrüger ... alle ...“ Roman musterte sie mit amüsiertem Gesichtsausdruck. „ Weißt du, ich habe dich noch nie so entspannt in meiner Gegenwart gesehen.“ Blair hob träge eine Hand. „Das liegt daran, dass du ... dass du normalerweise soooo schwer zu ertragen bist“, murmelte sie und brachte die Worte kaum heraus. „Dafür werde ich mich nicht entschuldigen.“ Seine Lippen zuckten. „Ich erwarte das Beste. Deshalb ist dieses Unternehmen heute dort, wo es ist.“ Blair gab einen Laut von sich, der halb Grunzen, halb Lachen war. „Vermutlich ...“ Ihr Kopf fühlte sich schwer an, ihre Gedanken waren träge. Roman ließ sie einen Moment lang schweigen, bevor er fragte: „Was ist passiert, Blair?“ Sie drehte den Kopf, um ihn anzusehen, ihr Blick war leicht unscharf. „Ich war eine Idiotin.“ „Warum? Weil du der falschen Person vertraut hast?“ Blair atmete zittrig aus. „Dan und ich sind zusammen aufgewachsen, weißt du?“ „Nein, das wusste ich nicht.“ Sie nickte. „Ich ... ich bin immer nach Hause gegangen ... zurück nach Hause, die ganze Zeit, als ich für diesen Job in die Stadt gezogen bin. Er ... er hat einen Job bei Kingston's bekommen, und ich habe mich darüber gefreut. Jetzt wünschte ich mir, er wäre nicht hier.“ Ihre Stimme zitterte, aber sie weigerte sich zu weinen. Nicht schon wieder. Nicht wegen Dan. „Also ist die Hochzeit abgesagt?“ Roman deutete auf ihren nackten Finger. Blair hob ihre Hand, starrte sie einen Moment lang an und ließ sie dann wieder auf ihren Schoß fallen. „Ja. Wir hatten noch nicht einmal ein Datum festgelegt.“ „Wer hat das verhindert?“ Sie blinzelte ihn an. Warum stellte er so viele Fragen? Warum war er so ... nett? „Ich. Er wollte letztes Jahr heiraten. Ich war noch nicht bereit.“ Romans Augen verengten sich leicht. „Warum? Wenn du ihn geliebt hast, warum wolltest du dann warten?“ Blair zuckte mit den Schultern, wenn auch etwas schlampig. „Wenn das, was ich heute gesehen habe, ein Anzeichen war ...“ Sie verstummte und runzelte die Stirn. Vielleicht ... vielleicht hatte sie immer gewusst, dass etwas nicht stimmte. Es gab keine Leidenschaft. Kein Feuer. Sie hatte Dan geliebt, aber vielleicht nicht so, wie sie den Mann lieben sollte, den sie heiraten würde. Im Moment war sie nicht einmal traurig. Nur ... wütend. „Was ist passiert?“, fragte Roman mit sanfterer Stimme. Blair verzog das Gesicht, als sie sich daran erinnerte. „Ich habe ihn gesehen“, lallte sie. „Wie er s*x hatte mit ... ugh.“ Sie winkte ab, unfähig, den Satz zu beenden. Romans Kiefer spannte sich an. „Ich verstehe.“ Blair starrte ihn einen langen Moment lang an, ihr Kopf schwirrte von Gedanken, die sie nicht ganz festhalten konnte. Dann streckte sie plötzlich die Hand aus und packte seine Krawatte zwischen ihren Fingern. Roman erstarrte. Blair starrte auf den Stoff und fuhr mit unkonzentriertem Blick das Muster nach. Sie wusste nicht, warum sie das tat. Vielleicht, weil sie es wissen musste. Weil sie etwas anderes fühlen musste. Ohne weiter nachzudenken, zog sie an der Krawatte, schloss die Lücke zwischen ihnen und presste ihre Lippen auf seine. Einen Moment lang bewegte er sich nicht. Aber dann ... Hitze. Rohe, verzehrende Hitze. Blair keuchte in seinen Mund, der Schock durchfuhr sie. Ihre Hände flogen zu seinen Schultern, krallten sich in den Stoff seines Hemdes, verzweifelt bemüht, sich an etwas Festem festzuhalten. Das war anders. So anders. Roman zog sich zurück, atmete schwer, seine grauen Augen dunkel vor etwas Unlesbarem. „Blair“, murmelte er mit rauer Stimme. „Wir sollten nicht ...“ Sie unterbrach ihn mit einem weiteren Kuss, rückte näher an ihn heran und drückte sich an ihn. „Bitte“, flüsterte sie mit zitternder Stimme. Sie musste vergessen. Und sie wollte ... fühlen.
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