Luci wusste, dass sie wieder da waren. Sie spürte ihre Ankunft in dem Moment, als sie das Territorium des Rudels betraten, und sie war sehr aufgeregt. Ihr Alpha und ihr Beta waren zurück, sie waren zwei ganze Wochen weg gewesen, um einem anderen Rudel zu helfen. Sie hatte sie so sehr vermisst.
Sie wusste, dass sie kommen und sie finden würden. Sie würden sie stundenlang verwöhnen, so wie sie es immer taten, wenn sie tagelang bei einem anderen Rudel waren.
Allein der Gedanke an sie machte sie heiß und unruhig. Sie sehnte sich nach ihrer Berührung, begehrte sie wie nichts anderes. Seit über einem Jahr war sie ihre einzige Geliebte gewesen, hatte sich ohne Zögern mit beiden geteilt. Sie waren die einzigen beiden Männer, Wölfe, die ihre sexuellen Bedürfnisse befriedigt hatten, seit dem ersten Tag, an dem sie sich hier in dieses Rudel verwandelt hatte.
Ein Lächeln umspielte ihre Lippen. Ihre erste Verwandlung, ein Schock für alle, sie galt als wolflos, obwohl sie immer wusste, dass sie es nicht war. Luci hatte sich hier in diesem Rudel verwandelt, bei einem Besuch mit ihrer Mutter, ihrem Vater und ihrem kleinen Bruder. Sie hatte sich vor ihren Augen verwandelt und Kali, ihr Wolf, war frei in den Wald gelaufen.
Luci kam aus ihrem Zimmer, die Hand auf ihrem immer noch flachen Bauch, sie hatte eine wunderbare Nachricht zu verkünden. Sie war mit Zwillingen schwanger. Kali hatte ihr schon gesagt, dass es Jungs werden würden und dass jeder von ihnen einen bekommen würde. Luci konnte es kaum erwarten, es ihnen zu sagen, so aufgeregt war sie. Sie wusste, wie aufgeregt sie sein würden.
Sie stand oben auf dem Treppenabsatz und wartete fast ungeduldig auf sie, obwohl es ihr ein wenig seltsam vorkam, dass sie sich noch nicht über den Geistesbund bei ihr gemeldet hatten, um ihr zu sagen, dass sie wieder da waren und zu ihr kamen. Das taten sie immer, sie streichelten sie stundenlang, wenn sie nach Hause kamen, einer nach dem anderen und dann zusammen. Gott, sie sehnte sich nach beiden.
Luci stand mit einem Lächeln im Gesicht und wartete auf sie.
Ihr Alpha, Rafe, war der erste, den sie sah, als er das Rudelhaus betrat, und ihr Herz brach sofort. Er war nicht allein, eine Frau an seinem Arm, Tränen traten ihr in die Augen, als sie selbst aus dem fünften Stock die filigranen Schmuckstücke sah, die seine Hälse schmückten. Kali wimmerte vor Schmerz in ihr. Er war verloren. Hatte seine Gefährtin gefunden.
Dann kam Beta Jack herein. Er lächelte und lachte, und ihr Herz brach in ihrer Brust. Auch er hatte eine Frau an seinem Arm, war von ihr gezeichnet, so wie sie von ihm. Tränen liefen ihr über die Wangen und Kali weinte jetzt vor Schmerz, ihre Hand fiel von ihrem Bauch und hing schlaff an ihrer Seite, während sie zusah, wie die beiden in das Büro des Alphas gingen und die Tür schlossen. Sie hatten sie keines Blickes gewürdigt.
Sie sank auf die Knie, unfähig, sich zu erheben, während stumme Tränen aus ihren Augen flossen. Sie hatte beide verloren. Nie wieder würden sie sie berühren, nie wieder würden sie sie begehren oder auch nur in ihre Richtung blicken. Das war zu viel, nicht nur für sie, sondern auch für ihren Wolf Kali.
Tief in ihr, in ihnen steckte das, was sie immer gefürchtet hatten, wussten, dass es kommen würde, aber nie akzeptiert hatten. Sie gehörten ihr, sie liebte sie mit allem, was sie hatte. Genau wie ihr Wolf. Jetzt gehörten sie ihr nicht mehr, würden es nie mehr sein.
„Steh auf“, drang eine melodische Stimme in ihren Kopf.
Es war nicht Kali.
„Es ist Zeit, Lucian. Steh auf“, die Stimme war weich und süß, fast singend in ihrem Geist.
Luci stand auf, „Der See, komm zu mir, mein Kind.“
Ihr Blick fiel auf die geschlossene Tür des Alpha-Büros, der Schmerz zerriss ihr Herz, sie trug ihre erst wenige Wochen alten Kinder in sich. Ein Alpha-Welpe und ein Beta-Welpe. Söhne der Männer, die sie liebte, die nicht mehr ihre waren, nie mehr sein würden.
Sie hörte ein leises, melodisches Lied in ihrem Kopf singen und fühlte, wie es sie anzog. Sie spürte, wie ein Teil ihres Herzschmerzes nachließ, wenn auch nur so weit, dass sie sich vom Boden erheben und bewegen konnte. Das Lied war leise und traurig, es gab keine Worte, die sie verstand, eine Sprache, die sie nicht kannte, aber jeder Teil dieses Liedes rief jeden Teil von ihr zum See. Eine so starke Sehnsucht, ein Gefühl, das in ihr aufstieg, dass alles gut werden würde, wenn sie den See erreichte.
Luci ging, ohne einen weiteren Gedanken zu verschwenden, ließ das traurige, melodische Lied ihre zerbrochene Seele verzaubern, sie einhüllen und von diesem Ort, von ihrem Schmerz wegziehen. Niemand ging wirklich zum See, er lag am östlichen Rand des Rudelterritoriums und die Menschen liebten ihn. An den Wochenenden und in den Schulferien waren sie immer dort. Nur ein kleiner Teil des Sees lag im Rudelterritorium.
Luci ging zum See, an vielen Rudelmitgliedern vorbei, die Tränen liefen ihr immer noch übers Gesicht, alle wussten, dass sie die Konkubine von Alpha und Beta war, und alle wussten jetzt, dass die beiden nach Hause gekommen waren. Markiert und Verpaart hatten sie gesehen, als sie aus dem Auto stiegen.
Die meisten gingen zur Seite, schauten sie entschuldigend an, sie kannte alle hier, hatte sich gut eingelebt. Sie liebte es, hier zu sein, in diesem Rudel. Jetzt schauten alle weg und schienen nicht zu wissen, was sie sagen sollten, als sie an ihnen vorbeiging. Ihre Traurigkeit und ihr Herzschmerz waren für alle sichtbar, es war ihr egal, wer wusste, dass sie innerlich zerbrach.
Luci hatte hier ein schönes Leben, sie verstand sich gut mit allen, Alpha und Beta waren nicht schüchtern, wenn es darum ging, sie zu paaren, und sie selbst hatte sich nie darum gekümmert. Oft lief sie ihnen in den Wald voraus, damit sie sie jagen und fangen konnten. Sie liebten die Jagd, und sie hatte es geliebt, ihre Beute zu sein. Das war nun vorbei.
Ihre Füße blieben am Ufer des Sees stehen. Es war dunkel geworden, die Nacht hatte sich über ihren langen, einsamen Weg zum See gelegt. Weder Alpha noch Beta hatten sich bei ihr gemeldet, um ihr zu sagen, was geschehen war. Sie waren zu sehr in ihrer Liebesblase des Gefährtenbundes gefangen, um ihr auch nur einen zweiten Gedanken zu widmen, so schien es.
Das traurige Lied lockte sie immer noch, „Schwimm zu mir, mein Mädchen“, diese sanfte, verführerische Stimme drang in Lucis Kopf. Kali und sie waren keine guten Schwimmer.
„Luci?“ Sie drehte sich bei dem Klang einer Männerstimme um. Ein Grenzpatrouillenmann stand da und beobachtete sie, und sie sah Mitleid in seinen Augen. „Alles in Ordnung?“
„Komm in den See, mein Kind. Ich werde dich retten“, diese sanfte Stimme schnurrte fast verführerisch in ihrem Kopf, und Lucis Augen wanderten vom Mann zurück zum See, zum Wasser, es rief sie, so laut. Sie wollte seinen Trost, was immer es war, es fühlte sich an, als wolle es ihr helfen, sie retten, und sie wollte es verzweifelt.
„Ich gehe nur schwimmen.“ Luci sagte dem Patrouillenmann „Alles ist in Ordnung.“ Ihre Augen bewegten sich zurück zu seinen, sie waren glasig, verbanden sich telepathisch mit jemandem oder empfingen etwas, dann spürte auch sie es, die Verbindung zu ihrem Alpha und seine tiefe sexy Stimme in ihrem Geist, seine Worte brachen jeden Teil von ihr, als er seinem Rudel verkündete, dass er seine Luna gefunden hatte, ebenso wie sein Beta, dass es beim nächsten Vollmond, in nur wenigen Wochen, eine große Feier geben würde, die Lunazeremonie.
Tränen fielen aus ihren Augen, und sie sah, wie der Grenzpatrouillenmann seufzte, als er sie ansah. „Es ist in Ordnung“, sagte sie ihm, schaffte es sogar, ein kleines Lächeln zu zeigen, wusste nicht einmal, wie sie es tat oder woher es kam.
Er sah sie nun besorgt an.
„Ich werde keine Dummheiten machen, das verspreche ich.“
„Niemand schwimmt hier, Luci; das werden sie nicht mögen.“ Sie, das waren sein Alpha und sein Beta.
Es wird ihnen nicht gefallen, dachte sie gedankenverloren, es war ihnen egal, sie hatten nicht einmal den Anstand besessen, sie anzurufen und es ihr zu sagen, sie wissen zu lassen, als sie es wussten. Sie hatten sie nicht gefunden, als sie zum Rudel zurückkehrten, um es ihr zu sagen, bevor sie es allen anderen sagten, nein, sie wurde informiert wie alle anderen. Sie liebte sie, dachte, sie hätten sich gekümmert, wenigstens genug, um es ihr unter vier Augen zu sagen, aber nein. Sie war nur ihre Konkubine.
„Komm herein, mein Kind, es ist an der Zeit, mich endlich zu treffen.“ Diese verführerische Stimme in ihrem Kopf rief ihr zu. „Wir gehören jetzt zusammen.“
Luci zog ihre Kleider aus und sprang in den See, ignorierte die Rufe des Grenzsoldaten, zurückzukommen, spürte den Moment, in dem sie die Grenze des Territoriums überschritten und die Welt der Menschen betreten hatte, stand brusttief im Wasser, als es geschah, hielt nicht an, sondern ging weiter, bis sie kaum den Grund berührte. „Tauche tief, mein Kind. Bis auf den Grund, dort bin ich.“
Sie tauchte ein, sank unter Wasser, schwamm tiefer in den See hinein, folgte dieser Stimme, nichts anderes zählte, nicht einmal das eiskalte Wasser auf ihrer Haut. Es war stockfinster hier unten im Wasser, der Gesang hallte immer lauter in ihr wider, zerrte an jeder Faser, zog sie tiefer in die Dunkelheit des Sees. Sie musste atmen, versuchte wieder aufzusteigen, doch dann packte sie etwas und zog sie noch tiefer hinab. „Wehr dich nicht gegen mich. Ich bin dein und du bist mein.“ Diese Frauenstimme kam zu ihr.
Sie fühlte, wie das Wasser um sie herum wirbelte, fühlte, wie sie unter Wasser taumelte und sich drehte, gefangen von etwas, das verzweifelt versuchte, von ihr Besitz zu ergreifen. Wollte dagegen ankämpfen, aber dann sang es ein süßes, trauriges Lied in ihrem Kopf, und hier unter Wasser war es laut und so klar. Eine traurige Liebesgeschichte von Einsamkeit und Verrat, genau so fühlte sich Luci. „Gib dich mir hin, Kind, und ich werde uns alle retten. Dich, mich, Kali und die Welpen in uns. Gib dich mir hin.“
Luci spürte, wie ihre Lungen brannten, sie musste unbedingt atmen, instinktiv öffnete sie den Mund: „Ja“. Diese Stimme brüllte plötzlich in ihrem Kopf, als sie einatmete und Wasser in ihre Lungen zog. Es brannte und ihr ganzer Körper krampfte sich zusammen, Wasser war keine Luft. Sie ertrank und wusste es. Sie war verführt worden, ins Wasser zu gehen, um sich umzubringen.
„Nicht sterben, dumme Kleine, sondern zu dem geboren werden, was wir sind“, diese Stimme in ihrem Geist, stark und bestimmend. Ihr ganzer Körper kämpfte und rang nach Atem, dann war da Licht, so hell, dass es blendete, und sie wirbelte heftig unter der Oberfläche, tief unten im See und bewegte sich schnell durch das Wasser, atmete irgendwie, Glückseligkeit durchflutete ihren ganzen Körper.
Bis sie auf dem Grund des Sees lag, ihren Körper nicht mehr unter Kontrolle hatte, aber irgendwie atmen konnte. „Wer bist du?“, fragte Luci leise.
„Alari und ich sind endlich eins. Schlaf, mein Mädchen, ich werde für uns sorgen.“
Dann hörte sie das traurige Lied aus ihrem eigenen Körper widerhallen. Kali war wach in ihrem Geist, glücklich, fast kichernd in ihrem Geist, und dann heulte ihr Wolf in ihrem Geist. „Vollständig.“ flüsterte sie Luci einen Moment später zu und legte sich dann schlafen.
Sie spürte heiße Tränen, als ihre Hand zu ihrem Bauch wanderte, zu ihren noch ungeborenen Kindern, die niemandem außer ihr, Kali, ihrem Wolf und Alari bekannt waren. „Sirene, wir sind eine Sirene.“ hörte sie diese Stimme in ihrem Kopf. „Wir sind eine Sirene, etwas ganz Besonderes. Schlaf jetzt.“
Ihre heißen Tränen trieben in die kalte Dunkelheit des Seegrundes, brannten nicht mehr in Rinnsalen auf ihrem Gesicht, sondern wurden weggespült und waren nicht mehr zu spüren. Alaris Lied wiegte sie in den Schlaf, getröstet von seiner Traurigkeit, die der ihren entsprach. Wenn sie eins waren, überraschte es sie nicht, dass Alaris Lied eine traurige, einsame Liebesballade war. Es war der Ausdruck all ihrer Gefühle über den Verlust ihres Alpha und ihres Beta.