Lyras Perspektive
„Was hast du gesagt?“, fragte Alpha Kael den Krieger.
Er antwortete schnell. „Die Nachricht hat mich gerade erreicht, mein Alpha. Wenn wir jetzt nicht in den Krieg ziehen… Es tut mir leid, sie werden unser Rudel überfallen. Viele unserer Soldaten sind bereits gefallen.“
Ich konnte nicht glauben, dass das an meinem Hochzeitstag geschah. Was für ein verdammtes Pech war das bitte?
„Was machen wir jetzt?“, fragte ich mit Sorge in den Augen.
„Ich muss jetzt in den Krieg ziehen“, antwortete er, und mir klappte der Mund auf, aber ich verstand, dass die Situation es verlangte.
„Und was ist mit unserem finalen Bindungsritual?“ Ich hielt seine Hand fest, meine Sorgen standen mir ins Gesicht geschrieben. Er küsste sie nur sanft.
„Vertrau mir, ich komme zurück, um das Ritual zu vollenden“, sagte er beruhigend. „Ich muss jetzt los. Ich sollte an der Front sein und das Rudel beschützen. Und du solltest hier sein – das Rudel im Rücken beschützen. Alle zählen auf uns.“
Ich blickte durch den Saal. Alle Augen waren auf uns gerichtet. Ich konnte die Angst in ihren Gesichtern sehen. Sie hatten Angst, dass der Krieg uns alle mit sich reißen würde.
„Du solltest gehen. Ich bleibe hier und beschütze das Rudel, solange du weg bist“, sagte ich und umarmte ihn. Er küsste mir sanft die Stirn.
Dann wandte er sich an die Ältesten. „Ich werde das Ritual vollenden, wenn ich zurück bin. Da wir die Bindung bereits begonnen haben, ist sie nun meine Luna. Ich hoffe, ihr werdet mit ihr zusammenarbeiten.“
„Wir werden sie respektieren und unser Bestes tun, sie zu unterstützen. Möge die Mondgöttin mit dir sein und dich beschützen, während du weg bist, unser Alpha“, erklärte einer der Ältesten laut.
Alle begannen zu rufen und zu jubeln, als er hinausging. Kurz bevor er ging, umarmte ich ihn noch einmal – fester, länger.
„Ich komme bald zurück. Warte einfach auf mich“, flüsterte er, dann stieg er auf sein Pferd.
Tränen stiegen mir in die Augen, als ich ihm nachsah. Ich hätte nie gedacht, dass ausgerechnet an meinem Hochzeitstag ein Krieg ausbrechen würde.
Meine Freundin kam zu mir und legte sanft eine Hand auf meine Schulter, um mir Trost zu spenden.
„Ich bin für dich da“, versicherte sie mir.
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GEGENWART
„Du bist meine Gefährtin, aber ich liebe sie. Ich empfinde Liebe für sie, aber die Verbindung habe ich nur mit dir“, sagte er, und mir stockte der Atem, bevor ich es schaffte, durch den Schmerz zu sprechen.
„Du empfindest Liebe für sie – nach drei Jahren, in denen ich auf dich gewartet habe? Drei Jahre, in denen ich deine Verantwortung getragen habe? Damit kommst du jetzt zurück?“ Ich kämpfte mit den Tränen. Ich war kurz davor zusammenzubrechen, aber nein – nicht hier. Nicht vor allen.
„Du sagtest ‘deine Gefährtin und dein Kind’ – hörst du dir eigentlich selbst zu? Klingt das für dich nicht vollkommen lächerlich?“
„Lyra, beruhige dich“, versuchte Kael mich zu besänftigen.
„Sag mir nicht, ich soll mich beruhigen, Kael!“, fauchte ich.
„Was ist dein Problem? Du tust ja so, als hätte Kael etwas falsch gemacht“, sagte die Frau laut genug, dass jeder sie hörte.
Mein Kopf schoss zu ihr herum. Wer zur Hölle dachte sie, dass sie war?
Ich ballte die Fäuste an meinen Seiten, kämpfte darum, nicht die Kontrolle zu verlieren. Meine Brust brannte. Mein Kopf rauschte. Ich zwang mich zu einem Lächeln.
„Ich frage dich noch einmal, Kael“, sagte ich lauter, „Willst du unsere Bindung lösen – wegen ihr? Was hat sie dir gegeben, das ich nicht geben konnte? Als du in den Krieg zogst, blieb ich hier und beschützte dein Rudel. Ich habe auf dich gewartet. Also sag es mir – was hat sie dir gegeben, was ich nicht konnte?“
Alle Blicke richteten sich auf ihn. Die Spannung im Raum war erdrückend. Schließlich sprach einer der Ältesten.
„Alpha Kael, bitte. Antworte ihr.“
Er sah mich an. „Ich wollte die Bindung vollenden. Ich habe dich nicht betrogen.“
Ich lachte bitter und schüttelte den Kopf. „Du hast mich nicht betrogen? Ernsthaft?“
Ich zeigte auf die Frau neben ihm – Selene oder wie auch immer sie hieß. Sie sah mich an, als wäre sie stolz auf dieses Chaos. „Was macht sie dann hier? Wer ist das Kind? Was sehen wir hier alle gerade? Ist das ein Witz?“
Das Schweigen, das folgte, sagte alles.
Sein Blick senkte sich.
„Sie ist auch meine Gefährtin“, sagte er leise. „Ich habe das nicht geplant, Lyra. Sie hat mir das Leben gerettet. Es ist einfach passiert… Es sollte nichts bedeuten.“
Ich erstarrte. Dieser letzte Satz traf mich wie ein Schlag.
Es sollte nichts bedeuten.
„Sie hat dir das Leben gerettet, und du dankst es ihr mit einem Kind?“ Meine Stimme zitterte. „Und jetzt bringst du sie hierher? Vor mich? Vor alle?“
Er trat einen Schritt näher, als könnte das etwas besser machen. „Ich bin immer noch ein Alpha. Ich habe das Recht, eine zweite Gefährtin zu nehmen, wenn ich will. Aber du – du bedeutest mir auch etwas. Du bist wichtig.“
„Wichtig?“, wiederholte ich langsam. „Ich sollte dir nicht einfach nur wichtig sein, Kael. Ich sollte dir gehören.“
Meine Stimme wurde lauter. „Du hast mich belogen. Du hast mir für immer versprochen und bist dann zu ihr gelaufen. Und jetzt erwartest du, dass ich einfach so dastehe und es akzeptiere?“
Er wollte etwas sagen, aber ich ließ ihn nicht.
„Fass mich nicht an“, schnappte ich, als er nach mir greifen wollte. „Wag es ja nicht, mich anzufassen.“
Er trat zurück. Und zum ersten Mal wirkte er klein.
„Du hast dich entschieden“, sagte ich, meine Stimme zitterte, während ich zwischen ihnen hin- und hersah. „Du hast sie gewählt. Also tu nicht so, als würde ich dir noch irgendwas bedeuten.“
„Ich habe dich geliebt, Lyra. Wirklich. Du warst eine wunderbare Gefährtin. Du hast das Rudel beschützt, alles gegeben. Ich schwöre, ich habe dich während des Krieges vermisst“, sagte er.
Und ich fragte mich – hatte er seine Scham verkauft? Schmeckte sie nicht bitter auf seiner Zunge?
Ich begann langsam zu klatschen. Spöttisch.
„Wow. Was für eine Szene. So emotional. So intensiv. So talentiert. Schnitt. Nächste Szene“, sagte ich mit bitterem Lachen und klammerte mich an Sarkasmus, um nicht zu zerbrechen.
„Mach kein so großes Drama daraus. Du bist immer noch meine erste Gefährtin. Wir müssen nur die Bindung vollenden und in Harmonie leben“, sagte er, als wäre es das Einfachste der Welt.
Ich antwortete gar nicht erst, sondern wandte mich an die Ältesten.
„Habt ihr nicht gesagt, der Grund für meine Schwäche sei, dass er im Krieg war? Dass wir die Bindung nicht vollendet haben?“ fragte ich scharf.
Sie senkten alle die Köpfe. Keiner konnte mir in die Augen sehen.
Schließlich sprach einer, mit zitternder Stimme. „Es tut uns leid, meine Luna. Wir wussten nichts von seiner Untreue. Wir hätten nie so etwas vermutet – nicht an der Front.“
Er hatte recht. Wie hätten sie das wissen können? Wer hätte geglaubt, dass jemand in den Krieg zieht, eine zweite Gefährtin findet und sogar ein Kind bekommt?
„Ich bin ein Mann, Lyra. Ich kann nicht drei Jahre ohne eine Frau auskommen. Und Selene ist eine gute Person. Sie hat mir das Leben gerettet“, sagte Kael.
Es war der Ton in seiner Stimme, der mein Blut zum Kochen brachte. Diese Selbstverständlichkeit – als sei alles gerechtfertigt.
Ich ballte die Fäuste, mein Körper zitterte.
„Warum musste ich dann warten?“ schrie ich, meine Stimme brach. „Ich habe drei Jahre lang auf dich gewartet! Warum machst du das zu einer Geschlechterfrage? Warum der doppelte Standard?“
Meine Stimme hallte durch den Saal. Das Schweigen danach war kaum zu ertragen.
„Warum schreist du so? Warum tust du so, als sei das alles so dramatisch?“ donnerte er, seine Augen funkelten. „Wenn du das Rudel nicht beschützt hättest, hätte es jemand anderes getan! Du hast bequem gelebt – mit Klimaanlage und gutem Essen! Ich war draußen – hab geblutet, gekämpft, bin fast gestorben, um dich zu beschützen! Sie hat mich gerettet!“
Seine Stimme hallte durch die Menge, scharf und laut.
Ich stand wie erstarrt, meine Brust zog sich mit jedem Wort enger zusammen.
Was hatte ich erwartet?
Dass er derselbe zurückkommt?
Dass drei Jahre Krieg ihn nicht verändern?
Aber warum… warum musste er sich so verändern?
Warum musste er mir den Rücken kehren?
Ich hatte mich nicht verändert. Ich hatte gewartet. Jeden Morgen betete ich zur Mondgöttin. Ich fastete drei Mal die Woche. Ich blieb treu. Ich begrub mein Herz in der Vergangenheit – in dem, was wir waren.
Und das… das ist mein Dank?
Die Tränen, die ich zurückgehalten hatte, flossen endlich. Ich versuchte nicht mal, sie zu stoppen. Ich ließ sie laufen – ließ sie die Last mitnehmen, die ich so lange getragen hatte.
„Ich habe dir Optionen gegeben“, sagte er kalt. „Bleib meine Gefährtin und sei Teil dieser Familie. Oder geh. Aber erwarte nicht, dass ich die Frau, die mir das Leben gerettet hat – oder meinen Erben – für dich aufgebe.“
Ein Murmeln ging durch die Menge. Aber niemand wagte es, zu sprechen.
Mein Herz zerbrach in tausend Stücke. Ich öffnete den Mund, wollte schreien, fragen warum – aber kein Laut kam heraus.
Meine Stimme war verschwunden, begraben unter dem Gewicht des Verrats.
Dann, gerade als sich Stille über die Menge legte, ertönte eine Stimme von hinten – laut, wütend und voller Zorn:
„Du bist nichts weiter als ein schamloser Feigling, Alpha Kael!“