Eine weitere Stimme hallt durch die Nacht. „Genug“, brüllt der Drachenlord, der über die Menge der Frauen gewacht hat, aber er hat das Wort zu spät geschrien. Ich zucke zusammen, als ich das Rascheln der Peitsche höre, bevor sie knallt, und bereite mich auf den Aufprall vor. Nur kommt er nicht. Ich höre, wie die Peitsche durch Fleisch schneidet, aber es ist nicht meins.
Ich wage einen Blick nach oben, als ich ein kollektives Keuchen aus der Menge höre. Ich hebe den Blick leicht an und sehe den Drachenlord neben mir stehen. Sein muskulöser Arm ist neben mir ausgestreckt. Die Peitsche ist fest um seinen Arm gewickelt. Er legt seine Hand um die Peitsche und reißt den Mann, der sie hält, zu sich heran. Der Mann stolpert, fällt zu seinen Füßen und blickt uns mit verängstigten Augen an.
„Es tut mir leid, mein Herr. Ich habe Euch nicht gehört“, stottert er.
Ich höre das Knurren eines Raubtiers tief in der Brust des Drachenlords, bevor ich sehe, wie sein Fuß auf den Kopf des Vampirs niedergeht. Blut spritzt heraus, als sein Kopf in den Boden gedrückt wird. Ich kämpfe gegen den Drang an, mich zu übergeben, als ich sehe, wie sein Gehirn auf dem Boden zu meinen Füßen verspritzt wird. Ich spüre, wie die Galle in meinem Rachen brennt, als ich meinen Blick von ihm abwende.
Ohrenbetäubende Stille legt sich über die Menge, und ich spüre, wie alle mich anstarren, geschockt von dem, was gerade passiert ist. Der Drachenkönig dreht sich um, und ich wende meinen Blick wieder dem Boden zu, ich spüre, wie sein Blick in mich eindringt.
Seine tiefe, raue Stimme folgt. „Sieh mich an“, fordert er, und ich zucke vor dem Zorn in seinen Worten zurück. Er packt mich an den Haaren und zieht meinen Kopf nach hinten. Ich schließe die Augen und atme durch den Schmerz, der mir durch den Schädel schießt, während ich spüre, wie mir die Haare ausgerissen werden.
„Ich sagte, sieh mich an“, knurrt er erneut. Ich spüre, wie das kleine Mädchen zittert und sich an mein Bein klammert. Langsam öffne ich die Augen und blicke in die gleichen hypnotisierenden goldenen Schlangenaugen des Mannes, dem ich auf der Straße begegnet bin. Er mustert mein Gesicht, bevor er meine Haare loslässt. Mein Blick fällt sofort wieder auf den Boden.
„Nimm sie raus“, sagt er, und seine Stimme fordert mich heraus, nicht zu gehorchen.
„Was?“, flüstere ich verwirrt.
„Die Kontaktlinsen; nimm sie sofort heraus.“ Ich schüttle meinen Kopf auf eine flehende Art und Weise, wohl wissend, dass ich sofort getötet werde, wenn ich es tue.
„Nimm sie heraus oder ich werde es tun“, brummt er und packt mich am Arm. Ich wimmere bei seiner rauen Stimme, die in der Dunkelheit widerhallt und mich erschaudern lässt. Langsam hebe ich meine Finger und nehme eine Kontaktlinse nach der anderen heraus, um meine funkelnden violetten Augen zu enthüllen. Er packt mein Kinn und zwingt mich, ihm in die Augen zu sehen.
Ich höre, wie alle nach Luft schnappen, bevor ich das Murmeln und Flüstern in der Menge höre. „Fae.“
„Sie ist eine Fae.“ Alle Augen sind auf mich gerichtet, und ich weiß, dass meine Augen fluoreszierend in die Nacht leuchten. Sie leuchten hell wie ein Amethyst-Leuchtfeuer.
„Ruhe“, ruft der Mann der Menge zu. Das Geschwätz verstummt augenblicklich bei seinen Worten.
„Ich wusste, dass ich eine Fae gespürt habe, als du mich angerempelt hast.“ Seine Lippen waren dicht an meinem Ohr, sein kühler Atem ließ mich erschauern, als er näher kam. Er beugt sich vor, atmet meinen Geruch ein und ich spüre, wie seine Lippen kaum spürbar meine Haut in der Nackengrube berühren.
„Du kommst mit mir“, flüstert er, packt mich und zieht mich in Richtung der alten Sandsteinburg. Sie war riesig und sah aus wie aus einem Märchen, nur düster und schneebedeckt, die Ranken, die an den Seiten wuchsen, sahen aus wie Schlangen, die vor Kälte starben, und die hohen Sandsteinmauern waren angelaufen, weil sie nicht richtig gepflegt wurden. Ich wehre mich und versuche, mich aus seinem Griff zu befreien. Er schaut zu einer der Wachen, an der wir vorbeikommen.
„Tötet den Rest“, befiehlt er, und es bricht Chaos aus. Alle Frauenstimmen beginnen zu schreien und hallen durch die Nacht, als seine Worte ertönen. Die Angst ist so stark, dass ich sie riechen und schmecken kann, als die Wachen näher kommen, sie umkreisen und einkesseln und ihnen keine Fluchtmöglichkeit lassen.
„Nein, bitte, sie haben nichts getan“, flehte ich, während ich gegen ihn ankämpfte. Er hält inne und schaut auf mich herab, und ich drücke mich weg von seinem Blick, wohl wissend, dass ich nicht ungefragt sprechen sollte, schon gar nicht mit einem Drachenkönig.
Er packt mich am Gesicht und zwingt mich, ihn anzusehen.
„Bitte, ich werde alles tun, was du willst, nur tue ihnen nichts an“, flehe ich. Tränen laufen mir über das Gesicht, als ich einen Blick auf die Frauen hinter mir werfe und um ihr Leben bettle. Alle starren mich an, Angst in den Augen, während alle Wachen erstarren und auf seine Antwort warten. Sein Daumen streicht über meine Unterlippe und ein Grinsen formt sich auf seinen Lippen.
„Irgendetwas?“, fragt er und zieht mit seinem Daumen sanft an meiner Unterlippe. Meine Augen wandern zurück zu der Menschenmenge hinter ihm, bevor ich auf das kleine Mädchen hinunterschaue, das sich immer noch an mein Hemd klammert. Die Angst in ihren Augen lässt eine Träne aus meinen Augen rinnen, die mich alle darum bitten, dem zuzustimmen, was auch immer er von mir will.
„Ja, alles“, flüstere ich und fühle mich besiegt. Er lächelt und ich kann all seine makellos weißen, perligen Zähne sehen, die mich anstrahlen. Ich betrachte sein Gesicht. Er hat einen bösen Glanz in den Augen, als würde er seine Beute betrachten. Schöne volle Lippen und hohe Wangenknochen mit einem festen Kiefer. Er sieht aus wie die Reinkarnation eines Gottes, stark und schön gebaut, nur ich weiß, dass er der Teufel in Verkleidung ist.
„Lasst sie gehen“, befiehlt er mit erhobener Stimme, ohne den Blick von mir abzuwenden. Bei dem Gedanken, mit diesem großen, grüblerischen Mann allein zu sein, läuft es mir kalt den Rücken hinunter. Ich höre das kleine Mädchen neben mir schluchzen, was den Mann dazu bringt, seinen Blick auf sie zu richten. Ich drücke sie mit meiner Hand hinter mich, woraufhin seine Augen wieder auf mich gerichtet sind und ein verschlagenes Lächeln auf seinen Lippen spielt.
„Sie kommt auch mit“, sagt er und lässt keinen Raum für Widerspruch, nicht, dass ich es wagen würde, zu widersprechen. Ich höre, wie alle aus den Burgtoren rennen, bevor er seine Meinung ändert. Bevor ich höre, wie sich die Metalltore laut schließen, ächzt der Stahl, als das Schloss einrastet. Er zieht mich am Arm und zieht mich in Richtung der Burg. Fackeln werden entlang des Weges angezündet, während wir darauf zugehen. Das einzige Licht kommt von den Laternen neben den riesigen schweren Doppeltüren, die ins Innere des Schlosses führen.
Das Innere unterscheidet sich stark von den heruntergekommenen Straßen draußen. Das Innere ist warm und reich verziert mit tiefem Rot und Gold, die Steinwände sind hoch. Riesige Kronleuchter hängen von der Decke und erhellen den Raum. Wir gehen an einem riesigen Raum vorbei, der mit Bücherregalen und einem riesigen Kamin mit einem Schreibtisch in der Mitte gesäumt ist. Der Ort riecht nach Kerzen und Weihrauch, was mich die Nase rümpfen lässt, da ich an den aromatischen Duft von Lavendel nicht gewöhnt bin.
Er geht einen Flur entlang, bevor er uns eine Treppe hinaufführt. Meine Füße machen Geräusche auf den Steintreppen, als wir sie hinaufsteigen. Er zieht mich zu einer Tür und öffnet sie, schwingt sie auf und gibt den Blick auf einen Raum frei. In der Mitte steht ein riesiges Himmelbett, von dessen Decke schwarzer Mull herabhängt.
Der Raum ist wie der Rest des Schlosses dekoriert. Auf dem Bett liegen dicke, scharlachrote Decken, in der Ecke steht eine schwarze Chaiselongue und riesige schwarze Felle bedecken den Steinboden. Er lässt mich los und stellt mich mitten im Raum vor einen weiteren Kamin, der größer ist als ich. Die Wärme ist eine willkommene Erleichterung, nachdem ich Stunden in der Kälte verbracht habe. Allerdings bin ich verängstigter als je zuvor. Er verschränkt die Arme vor seiner muskulösen Brust.
Ein anderer Mann betritt den Raum, seine Haut hat die Farbe von Mokka und seine Augen sind dunkel wie Onyx. Seine Brust ist nackt und enthüllt seinen muskulösen Körper und seine Bauchmuskeln, die aussehen, als wären sie aus Stein gemeißelt, eine tiefe V-Linie, die im Hosenbund verschwindet. Er lächelt, als er hereinkommt und mich bemerkt. Ich kann erkennen, dass er kein Drache, sondern ein Lykaner ist, was mich verwirrt. Nur die Drachenkönige leben mit ihren Sklaven in der Burg, also warum stand dieser Mann neben einem Drachen?
„Du hast sie gefunden“, sagt der Lykaner mit samtweicher, tiefer Stimme und einem leichten Akzent, den ich nicht kenne. Er lächelt und zeigt seine scharfen Zähne. Während seine Augen mich von oben bis unten mustern. Ich trete einen Schritt zurück und spüre, wie mein Herz in meiner Brust schneller schlägt. Er tritt vor und verschränkt die Arme vor der Brust. Beide stehen über mir.
„Zieh dich aus“, sagt der Drachenkönig. Ich schüttle den Kopf und weigere mich, mich vor ihren wachsamen, lüsternen Augen auszuziehen.