»Du büßt gar nichts. Du hast alle Tage ein anderes Mädchen.«
»Du auch.«
Beide Jungen ließen die Zügel ihrer Pferde los und traten vor, um einander anzusehen bis ins Weiße der Augen. Condé zeigte sogar eine geballte Faust. Henri übersah sie; vielmehr warf er plötzlich beide Arme um den Hals des Vetters und küßte ihn. Dabei dachte er: Etwas neidisch, etwas schwach, aber doch wenigstens mein Freund, und wenn nicht, muß er’s werden!
Auch Conde umarmte seinen Vetter. Als sie sich trennten, hatte er trockene Augen, Henri aber hatte feuchte.
Die Entsendung von Truppen nach Béarn lohnte sich, denn dort siegten sie. Das mußte den Herren in Paris zu denken geben, meinte der Sohn Jeannes – und auch der Dame Katharina mußte schwül werden in ihrem alten Fett. Wir stehen mit dem größten Teil des Heeres in Poitou, auf halbem Wege nach der Hauptstadt des Königreichs, wir wollen es uns holen, wo ist es! Gleich!
Beide verlangten vorgelassen zu werden, und Coligny empfing sie, obwohl es ihm schwer wurde, ihnen ein festes Gesicht und unbeirrbares Gottvertrauen zu zeigen: zu viele Schläge des Herrn trafen ihn eben jetzt. Aber der Protestant erwies sich stark im Unglück, der Prüfungen bewußt, die er bestehen sollte. Niemand ging es an, welches Elend ihn ergriff, wenn er allein blieb, in einigen Stunden der Nacht, da sogar der Höchste nicht mehr zu erkennen war. Besonnen hörte er die erregten Jungen an.
Der Vetter war wilder als Henri. Ohne Höflichkeit verlangte er von Coligny den Marsch auf Paris. Er nannte ihn zaghaft, weil er keine Entscheidung suchte, sondern vor der Stadt Poitiers lag und sie nicht nehmen konnte. Inzwischen sammelte der Feind seine Kräfte.
Der Admiral betrachtete die beiden, den, der so stürmisch auftrat, und den, der schwieg und wartete. Der erfahrene Mann wußte genau, wessen Wille und Gedanke hier eigentlich laut wurde; daher richtete er seine Antwort nicht an Conde, sondern an Navarra. Er erklärte ihm, der Feind verlegte ihm den Weg in zu starken Stellungen, er selbst könnte nichts weiter suchen, als die Verbindung mit seinen nach Süden entsandten Truppen, und – hier erhob er den Finger – er müßte dafür sorgen, daß die fremden Reiter ihren Sold bekämen. Sonst liefen die ihm weg. Er selbst hatte schon seinen Familienschmuck geopfert, bevor er zuließ, daß die Reiter sich selbst ihren Sold holten. Dies verschwieg er. Ein Christ rühmt sich des Opfers nicht, und auch ein stolzer Mann nicht. Daher ließ Coligny den jungen Prinzen Henri reden und ihm Unrecht tun.
»Sie erlauben, das Land zu plündern, Herr Admiral, ich bin noch jung, ich kenne den Krieg nicht so lange wie Sie. So habe ich ihn mir nicht gedacht, daß Fremde, anstatt mit uns Schlachten zu schlagen, unsere Dörfer anzünden und unsere Bauern foltern, bis sie ihr Letztes hergeben. Die Nachzügler Ihres Heeres werden vom Landvolk niedergemacht wie schädliche Tiere, wir hingegen rächen uns jedesmal furchtbarer an den Menschen, die unsere Sprache sprechen.«
»Aber unseren Glauben bekennen sie nicht«, erwiderte der Protestant mit der tragischen Stirn. Henri biß die Zähne zusammen, sie hätten sonst Worte herausgelassen – nur mit Schrecken hörte er sie in seinem Innern klingen, denn sie waren gegen die Religion.
»Das alles kann nicht Gottes Wille sein«, sagte er.
Coligny entschied: »Was Gottes Wille war, mein Prinz, werden Sie am Ende des Feldzuges wissen. Jedenfalls hat der Herr mich noch für Taten aufgehoben: denn schon wieder fing die Wache einen Mörder, den die Guise mir geschickt hatten.«
Er selbst war seitdem gesonnen, diesen jungen Kritiker so fern wie möglich zu halten. Vor der Schlacht bei Moncontour, die er auch wieder verlieren sollte, entließ er beide Prinzen zu ihrer Sicherheit nach hinten, obwohl der eine tobte und der andere bittere Tränen vergoß. Nachher erschien wieder Jeanne d’Albret, und es wurde beraten. Das protestantische Heer war nach der neuen Niederlage um dreitausend Mann schwächer, ihm blieb nichts übrig, als nach Süden abzuziehen, anstatt daß sein kleinerer Teil zu ihm nach Norden gekommen wäre.
Jeanne brachte, wie immer, ihre Pastoren mit. Sie hatte geheime Unterredungen mit Coligny, darin wurde aus dem schon entmutigten Mann noch einmal der siegreiche. Denn der Sieg, den wir in uns tragen, ist der erste, und der wirkliche Sieg folgt ihm auf dem Fuß; dessen vertraute Jeanne. Dann stimmten ihre Pastoren die Psalmen an, und das Heer wie sein Feldherr wußten sich fromm und stark.
Das nächste war ein Gewaltmarsch, der die beiden weit getrennten Teile des Heeres tatsächlich vereinte. Hiernach aber durchmaßen die Protestanten das Land bis hinauf nach der Grafschaft Nevers. Von dem Augenblick an bedrohten sie Paris. Sogleich rührte sich der Hof. Indes das Heer noch vorrückte, verhandelten schon die Damen Katharina und Jeanne. Noch immer war das Heer in Bewegung, da wurde der Friede unterzeichnet, und das Heer stand still. Gewährt wurde durch diesen Vertrag die Gewissensfreiheit.
Henri freute sich mit seiner Mutter, weil er sie glücklich sah. Er war es sogar selbst, solange er nicht nachdachte. Er hatte aber während des Vormarsches krank in einer Stadt zurückbleiben müssen, damals hatte er Zeit gehabt, sich aller Greuel dieses Krieges zu erinnern, sie für immer zu befestigen in seinem Gedächtnis. Vielleicht war er auch nur erkrankt infolge der Greueltaten des protestantischen Heeres, so wie er früher einmal die Blattern zu bekommen schien, nur, weil er hatte katholisch werden müssen.
Seinen inneren Widerspruch hielt er vor dem Admiral nicht zurück. Er sagte: »Herr Admiral, glauben Sie wirklich, daß Gewissensfreiheit einfach befohlen werden kann durch Verträge und Verordnungen? Sie sind ein großer Feldherr, sind dem Feind entgangen und haben den König von Frankreich in seiner Hauptstadt bedroht. Trotzdem wird das Volk der Provinzen, die wir unsicher gemacht haben, weiterhin sprechen von den Aufrührern, die Hugenotten heißen, und wird uns nirgends in Ruhe beten lassen, wo wir getötet und geraubt haben.«
Der Sieger Coligny erwiderte: »Prinz, Sie sind noch sehr jung, und überdies lagen Sie krank, während wir uns durchschlugen. Die Menschen vergessen alles schnell, und nur Gott wird noch wissen, was wir für seine Sache tun mußten.«
Henri glaubte es nicht – oder um so schlimmer, dachte er, wenn auch Gott, wie er selbst, solche Bilder vor Augen hatte, unglückliche Menschen, die man in die Luft hängte, bis sie ihr Geld verrieten, und unter ihren Füßen war Feuer angemacht! Um nicht zu viel zu sagen, verbeugte er sich und verließ den Sieger.