Kapitel 2-1

2083 Words
Kapitel 2 Kanavirius System, Xevus3 In den Straßen von Betzlawk 8. Tag des Monats Jakus im Jahr 7067 Federationszeit Keela kam sich vor, wie in einem Science-Fiction Film oder einem schrägen Traum. Die Kreaturen, die durch die Straßen von Betzlawk, der wichtigsten Handelsstadt und Hauptstadt auf Xevus3, einem Wüstenplaneten, liefen, waren zum Teil wirklich grotesk anzusehen. Da waren zum Beispiel welche, die zottiges blaues Fell hatten und Keela an das Krümelmonster von der Sesamstraße erinnert hätten, wäre da nicht die verstörende Tatsache gewesen, dass sie zwei Köpfe und vier Arme hatten. Andere Kreaturen hatten lange Hälse, die sie hoch und runterfahren konnten und giraffenähnliche Höcker auf dem Kopf. Einige waren echsenartig, andere sahen aus wie übergroße Insekten. Viele hatten humanoide Körper mit mehr oder weniger großen Abweichungen zur menschlichen Rasse. „Was für eine Freak-Show hier“, murmelte Amber hinter ihr. Die Frauen waren alle aneinander gekettet und wurden von sechs Ormkas, so hießen die Aliens, die sie entführt hatten, begleitet, die mit finsteren Blicken und offenen Drohgebärden die Neugierigen um sie herum in Schach hielten. „Ja, bei dem Anblick dieser Ekelexemplare bekommt das Wörtchen Paarungsgeeignet eine noch schrecklichere Dimension“, sagte Amber angewidert. „Erinnere mich nicht daran“, bat Keela schaudernd. „Ich will da lieber nicht drüber nachdenken.“ Keela konnte noch immer nicht glauben, was ihr widerfahren war. Sie hatte zuvor nicht einmal an Außerirdische geglaubt und nun spazierte sie auf einem fremden Planeten durch eine Stadt voller seltsamer und zum Teil schrecklicher Aliens. Nicht zu vergessen die Tatsache, dass sie auf einem Sklavenmarkt verkauft werden sollte, an irgendeine Alienrasse, die unter Frauenmangel litt. Man würde sie als Hure und Gebärmaschine benutzen und wer wusste, was für ein Monster sie ausbrüten sollte. Allein bei dem Gedanken daran wurde ihr übel, und eine Gänsehaut ließ sie erzittern. Zum wiederholten Male verfluchte sie sich selbst, dass sie nicht die Einladung ihrer Freundin nach Miami angenommen hatte. Sich mit eingebildeten, aufdringlichen Beachboys rumzuärgern klang auf einmal sehr viel verlockender, als noch Wochen zuvor. Wenigstens blieb es ihren Eltern erspart, sich um sie zu sorgen, denn sie waren vor zwei Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Ansonsten gab es nur ein paar Freundinnen, ihren Boss und ihre Kollegen Matt und Brian. Die würden vielleicht denken, dass sie sich irgendwohin abgesetzt hatte. Auf jeden Fall würde man nicht übermäßig um sie trauern. Die Straßen der Wüstenstadt waren staubig und die Sonne brannte erbarmungslos auf die Frauen hinab. Keela hatte schrecklichen Durst und sie schwitzte wie in der Sauna, nur dass sie keine angenehme kalte Dusche hiernach erwartete. Die meisten Häuser, welche die Straße flankierten, waren einfache Lehmhäuser mit nicht mehr als zwei Stockwerken, doch es gab einen modernen Hochhauskomplex direkt am Spaceport, wo sie angedockt hatten. Dort gab es Hotels, Restaurants, Bars und ein Vergnügungsviertel. Sie hatten sich von dem besseren Teil der Stadt immer weiter entfernt und die Gegend wurde immer verkommener. Ihre Wachen lenkten sie in einen Compound mit mehreren Baracken. Die Frauen wurden in eine der Hütten geschoben und die Tür hinter ihnen verriegelt. Es war schummrig im Inneren, doch hell genug, dass sie erkennen konnten, dass sie nicht allein waren. Vier weitere Frauen und ein junges Mädchen, das Keela auf etwa zehn Jahre schätzte, befanden sich in dem engen Raum. Die Frauen rückten etwas zusammen, um den Neuankömmlingen Platz zu machen. Eine Frau war deutlich älter als die anderen. Sie war schon grau und hatte bereits einige Falten, doch ihr Körperbau war muskulös schlank und sie wirkte alles andere, als gebrechlich. Sie deutete Keela und den anderen, sich zu setzen. Keela, Charly und Amber setzten sich, während Lory mit verschränkten Armen stehen blieb. Keela spürte den Blick des Mädchens auf sich und wandte den Kopf. Die Augen des Mädchens waren von einem ungewöhnlich intensiven Türkis. Ihre schwarzen Haare hatte sie zu sechs dicken Zöpfen geflochten und sie trug eine türkisfarbene Tunika über cremefarbenen Leggings aus weichem Leder. Die anderen Frauen hatten einfach geschnittene Kleider aus bunten Stoffen. Sie unterschieden sich optisch von dem Mädchen. Ihre Hinterköpfe liefen spitz zu und sie hatten seltsam runde Ohren, die deutlich aus ihren schwarzen Haaren hervor guckten. „Ich bin Ayakala“, stellte sich die ältere Frau vor. „Dies sind meine Töchter Jukuzala und Niminita. Und das ist Bebenile. Und die Kleine ist Solima.“ „Ich bin Charly, das sind Keela und Amber und das hier ist Lory.“ Jukuzala reichte den Frauen eine Flasche mit Wasser und sie löschten dankbar ihren Durst. Erst als sie getrunken hatten, sprach die Alte erneut. „Wir kommen von Uluah2. Solima kommt von Karrx7. Wo kommt ihr her?“ „Wir sind vom Planeten Erde entführt worden“, antwortete Charly. „Erde? Kenne ich nicht!“, sagte die Alte kopfschüttelnd. „Aber das muss nichts heißen. Ich kenne nicht viele Planeten.“ „Wie wird der Platz hier bewacht? Wie viele Kerle kommen, wenn sie Essen bringen? Sind sie bewaffnet?“, wollte Lory wissen. Ayakala schaute Lory verständnislos an. „Wozu willst du das wissen?“, fragte sie. „Es muss eine Möglichkeit geben, zu fliehen“, erklärte Lory aufgeregt. „Ich kann zwei Mann locker ausschalten, ohne Waffen. Wenn ich irgendetwas bekommen könnte, was ich als Waffe benutzen kann, dann auch mehr als nur zwei.“ Ayakala schüttelte den Kopf. Auch ihre beiden Töchter taten ihr nach. „Selbst wenn du hier aus der Hütte rauskommst, so musst du noch durch das Tor und das ist gesichert. Ihr habt keine Chance“, gab die alte Frau zu bedenken. „Als man uns brachte, waren nur zwei Wachen dort stationiert“, wandte Charly ein. „Es sind vielleicht nur zwei Wachen, doch in der Hütte neben dem Tor sitzen noch mindestens sechs“, sagte Ayakala. „Außerdem, wo willst du hier hin? Außerhalb von Betzlawk ist weit und breit nur Wüste. Selbst wenn ihr es wie durch ein Wunder zu einer der anderen Städte schaffen würdet, man würde euch dort nicht willkommen heißen. Aber es ist ohnehin Selbstmord, in die Wüste hinauszugehen. Es ist dort noch heißer, als hier und es gibt weit und breit kein Wasser. Man wird euch jagen. In der Stadt werden sie euch früher oder später finden und am Spaceport gibt es kein rein oder raus ohne Kontrolle und zudem kannst du ohne Geld auch keine Passage buchen. Also ist es besser, zu hoffen, dass du einen guten Herrn findest, der dich gut behandelt. Glaube mir.“ „Eher sterbe ich, als dass ich mich von irgendeinem verdammten Alien besitzen lasse“, fauchte Lory. „Sie hat recht. Wir kommen ohnehin nie wieder nach Hause. Es ist hoffnungslos. Wer weiß, wie weit wir von der Erde weg sind und wo sollen wir jemanden finden, der uns zurückbringt?“, meinte Amber. „Darüber kann ich mir Gedanken machen, wenn ich hier raus bin“, beharrte Lory. „Alles ist besser, als von einem verdammten Alien gekauft zu werden und deren kleine Monster auszubrüten.“ *** Stunden vergingen und niemand kam. Die Unterhaltung zwischen den Frauen war lange verebbt und Lory machte alle verrückt, indem sie ständig wie ein Tiger im Käfig auf und ab lief. „Kannst du dich nicht endlich mal setzen?“, sagte Keela genervt. „Du machst mich ganz schwindelig mit deinem Gekreisel.“ „Ich verstehe euch nicht“, platzte Lory ärgerlich heraus. „Wie könnt ihr hier seelenruhig sitzen und abwarten, dass man euch an den meistbietenden, schleimigen oder haarigen Alien verschachert? Ich habe jedenfalls nicht vor, kampflos aufzugeben.“ „Vielleicht ist es leichter zu entkommen, wenn wir verkauft wurden“, warf Keela ein. „Wenn wir uns schwach und hilflos zeigen, wird derjenige, der uns kauft vielleicht weniger wachsam sein und wenn der richtige Augenblick ...“ „Wenn, wenn, wenn!“, unterbrach Lory Keelas Rede. „Wenn ihr wartet, bis man euch ein Ticket für die Rückreise zur Erde auf einem goldenen Teller serviert, werdet ihr es nie schaffen.“ Keela seufzte. Sie wusste, dass Lory recht hatte, doch es klang auch einleuchtend, was Ayakala gesagt hatte. Sie hatten faktisch keine Chance, von diesem verdammten Planeten zu fliehen, geschweige denn, zur Erde zurückzukommen. Es war wirklich zum verrückt werden. Lieber hätte sie, dass sie auf einem Dschungelplaneten gelandet wären. Sich durch einen Urwald zu schlagen hätte sie sich durchaus zugetraut, doch ein Trip durch die Wüste, da musste sie leider passen. „Es kommt jemand“, sagte Amber eindringlich. Die Frauen verstummten und tatsächlich waren Schritte zu hören, die sich der Baracke näherten. Die Tür wurde aufgeschlossen und zwei Männer erschienen in Begleitung einer Frau, die ein Tablett mit Essen trug. Die Männer waren weitgehend humanoid, nur dass ihre Haut grün war und sie kleine warzenähnliche Pocken an Stirn und Schläfen hatten. Sie waren groß und kräftig gebaut, doch sie trugen keinerlei Waffen bei sich. Trotzdem erschien es Keela unmöglich, an den beiden Kerlen vorbeizukommen. Keelas Blick glitt zu Lory und sie erkannte sofort, dass auch die FBI-Agentin die beiden Männer mit scheinbar ähnlichen Gedanken musterte. Als die Frau das Tablett in die Mitte des Raumes gestellt hatte, ging auf einmal alles sehr schnell. Lory schnappte sich den Mann, der ihr am nächsten stand und schmetterte seinen Schädel drei Mal gegen den Türrahmen, bis der Kerl schlapp in ihrem Griff wurde und sie den bewusstlosen Mann einfach zu Boden fallen ließ. Die andere Wache warf sich auf Lory und sie tauschten ein paar harte Schläge und Tritte aus. Da der Überraschungseffekt vorbei war, hatte Lory mit dem gut trainierten Kerl kein leichtes Spiel, obwohl sie offensichtlich gut in Nahkampf ausgebildet war. Agentin und Alien erschienen beide ebenbürtige Kämpfer zu sein. Sie teilten aus und steckten ein. Beide bluteten bereits aus Mund und Nase und atmeten schwer. Keela tauschte Blicke mit Charly und Amber und diese nickten kurz. Mit Gebrüll stürzten sich die drei Frauen auf die Wache. Charly klammerte sich von hinten an ihn, während Amber und Keela Lory dabei unterstützen, ihn mit Tritten und Schlägen zu bearbeiten, bis er zu Boden ging. Als beide Wachen bewusstlos am Boden lagen, wandte Lory sich an die anderen Frauen. Die Frau, die das Tablett gebracht hatte, stand mit offenem Mund und weit aufgerissenen Augen in der Mitte des Raumes und schien unfähig, etwas zu sagen oder zu tun. „Wir müssen schnell machen, ehe man bemerkt, was geschehen ist“, sagte Lory und die Frauen, inklusive Ayakala, ihren Töchtern und dem Mädchen folgten Lory nach draußen. Nur Bebenile und die Frau mit dem Tablett blieben zurück. Auf dem Hof war niemand zu sehen. Alles schien still und verlassen, doch sie wussten, dass in dem Häuschen neben dem Eingang weitere Wachen waren, nicht zu vergessen, die beiden Wachen außerhalb von dem Tor. „Wir versuchen, einen anderen Ausgang zu finden. Ich denke, dort drüben müssten wir über die Mauer kommen können“, flüsterte Lory und sie schlichen eilig über den Hof zu der Seite, die dem Tor gegenüberlag. Keelas Herz klopfte wie wild. Sie war froh, der engen Hütte entkommen zu sein, doch sie hatte auch Bedenken, wie sie von hier aus weiter kommen sollten. Ayakala hatte recht damit, dass sie es schwer haben würden, aus der Stadt zu fliehen. Ein Trip durch die Wüste, ohne Wasser und ohne zu wissen, wo es überhaupt andere Orte gab, war glatter Selbstmord. Blieb nur der Spaceport und der war streng bewacht. Sie hatten nicht einmal Geld, um jemanden zu bestechen, geschweige denn, eine Passage zu buchen. Plötzlich ertönten aufgeregte Rufe und Schritte hinter ihnen, „Scheiße! Sie haben uns entdeckt“, rief Lory. „Kommt Mädels. Schneller!“ Sie liefen jetzt so schnell sie konnten. Tatsächlich konnten sie über eine Tonne auf das Dach einer Baracke klettern und von dort aus über die Mauer. Keela hatte Seitenstiche, doch sie achtete nicht darauf. Hastig kletterte sie von der Tonne auf das Dach. Sie wagte einen Blick zurück. Ayakala und ihre Töchter, sowie das kleine Mädchen, waren stehen geblieben. Offenbar rechneten sie sich keine Chancen mehr aus. Es waren mindestens zehn Männer hinter ihnen. Vier kümmerten sich um die zurückgebliebenen Frauen und die restlichen sechs folgten Keela, Charly, Amber und Lory nach. Auf dem Dach wäre Keela beinahe ausgerutscht und heruntergefallen, doch Amber, die als Letzte hinter ihr war, fing sie ab und hielt sie, bis Keela ihr Gleichgewicht wiedergefunden hatte. „Geht's?“, fragte Amber besorgt. „Ja, danke“, antwortete Keela atemlos. Ihr Herz raste wie wild und ihr Magen schien sich verknotet zu haben. „Beeilt euch!“, rief Lory, die schon auf der Mauer saß. Lory sprang und war außer Sicht. Hinter Keela und Amber kletterte der erste ihrer Verfolger auf das Dach. Charly sprang als Nächste, dann erreichten auch Keela und Amber die Mauer. Keelas Herz machte einen Hüpfer, als sie sah, wie tief es bis zum Boden war, doch Lory und Charly gestikulierten wild, dass sie springen sollten. „Scheiße“, murmelte Keela. Sie schloss die Augen und sprang. Amber landete mit einem leisen „Au! f**k!“ neben ihr. „Kommt!“, drängte Lory zur Eile und lief mit Charly die schmale Gasse entlang, in der sie gelandet waren. Keela und Amber rappelten sich auf und folgten ihnen. Sie rannten, ohne sich umzusehen. Der Adrenalinschub gab ihnen Kraft und sie achteten weder auf Seitenstiche noch auf die sengende Hitze. Sie wollten nur weg. Weg von diesen fiesen Aliens und weg von dem verdammten Planeten. Letzteres dürfte sich als äußerst schwierig erweisen, doch darüber konnten sie sich zu einem späteren Zeitpunkt den Kopf zerbrechen, wenn sie in Sicherheit vor ihren Verfolgern waren.
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