Kapitel 1-2

1623 Words
Creja drehte sich zur Seite, als die gewaltigen, scharfen Klauen des Drachen, mit dem er kämpfte, versuchten, ihm den Bauch aufzuschlitzen. Entlang seines linken Oberschenkels klaffte bereits ein langer, tiefer Schnitt, von dem Blut auf den Boden tropfte. Sein Symbiont bemühte sich, den Blutfluss zu stoppen. Er stöhnte auf, als der riesige Drache mit seinem Schwanz durch die Luft peitschte und ihn um seinen Knöchel schlang. Ein Fluch entwich ihm, als er spürte, wie sich sein Körper vom Boden hob und gegen einen großen Baum prallte. Er schüttelte den Kopf und knurrte, während acht andere Drachen versuchten, den außer Rand und Band geratenen grün-weißen Drachen zu bändigen. Er drehte sich um und brüllte ein paar weiteren Männern zu, dass sie ihnen zu Hilfe kommen sollten. „Holt die Ketten“, befahl Creja. „Sorgt dafür, dass ihre Symbionten in Schach gehalten werden.“ Der grün-weiße Drache blies einen Feuerstrahl auf drei Männer, die versuchten, auszuweichen. Das Netz, das sie über ihn geworfen hatten, hielt zwar vorerst, würde den aufgebrachten Drachen jedoch nicht lange aufhalten. Creja blickte zu dem anderen grün-weißen Drachen hinüber, der leblos in den Trümmern der schwelenden Hütte lag. Eine klaffende Wunde zog sich quer über seinen Hals und aus seiner Brust ragten drei lange, abgebrochene Speerschäfte. „Creja, wir haben ihre Symbionten unter Kontrolle. Wir müssen sie wegbringen“, rief Bane von der anderen Seite. „Bringt sie weg“, befahl Creja. Er wollte nicht, dass Bane den Tod seines anderen Sohnes mit ansehen musste. „Eure Symbionten sollen sie zur Priesterin zurückbringen. Nur Lady Morian oder die Göttin selbst können sie jetzt kontrollieren.“ „Ihr habt ihn gehört, bringt sie von hier weg“, rief Bane heiser. Sein Blick fiel kurz auf seinen ältesten Sohn, bevor er zu seinem Zwillingsbruder ging. „Göttin, vergib ihnen und nimm sie in deine Obhut.“ Er drehte sich um und konzentrierte sich darauf, weitere Todesfälle zu verhindern. Creja warf einen kurzen Blick auf die Gruppe von Symbionten, die sich zusammengerottet hatten, um die beiden Symbionten aufzuhalten, die versuchten, zu ihren Zwillingsdrachen zurückzukehren. Sein Blick wanderte gerade noch rechtzeitig zurück, um zu sehen, wie Barrack in einem tödlichen Bogen auf einen der Männer zu schwang, die versuchten, ihn festzuhalten. Creja stürzte nach vorne und stieß den Mann zur Seite. Die Bewegung rettete dem anderen Krieger zwar das Leben, dafür hallte Crejas Schmerzensschrei über das Dorf, als sich die Stacheln des Drachenschwanzes die Sehnen und Muskeln seitlich an seinem Körper durchbohrten. Er wusste, dass sein Symbiont durch den Kampf und durch die Spaltung bereits geschwächt war. Er hatte die Hälfte von ihm zurückgelassen, um seine Gefährtin und seine Söhne zu schützen. „Creja!“, rief Mata heiser. Creja drehte sich auf den Rücken und starrte in den dunstigen, rauchverhangenen Himmel. Er spürte, wie seine Lebenskraft langsam schwand und sein Blut auf den Boden tropfte. Ein leiser Schrei hallte in seinem Kopf wider und Wärme hüllte ihn ein, als Lyla die Hand nach ihm ausstreckte. Kommt nicht zu mir. Es ist zu gefährlich, flüsterte er. Cree und Calo … Sie brauchen uns beide, erwiderte Lyla eindringlich. Ich kann ohne dich nicht überleben. Sie wären verloren, bevor sie erwachsen sind. Creja drehte den Kopf und starrte in die dunklen, wahnsinnigen Augen von Barrack, der sich in seine zweibeinige Gestalt zurückverwandelt hatte. Sein lauter Schrei nach seinem toten Zwillingsbruder jagte Creja eine Gänsehaut über den Rücken. „Das ist es, was dich erwartet, Creja“, schrie Barrack, als ein kurzer Moment der Vernunft seinen Kummer und Wahnsinn durchbrach. „Deine Söhne werden genauso enden wie Brogan und ich. Habt Erbarmen mit ihnen und töte sie jetzt. Töte Cree und Calo, bevor der Schmerz, die Qual, die ewige Finsternis, die das Leben aus ihren Körpern saugt, ihren Geist auffrisst.“ Barracks Stimme brach, als er seinen Blick von seinem toten Bruder wieder auf die Stelle richtete, wo Creja lag. „Weder unsere Symbionten noch wir konnten es kontrollieren. Der ständige Schmerz der Einsamkeit hat die Seele unserer Drachen zerstört. Sie brauchen eine Gefährtin. Es hat noch nie eine wahre Gefährtin für zwei Zwillingsdrachen gegeben. Wir leben nur, um zu kämpfen, und beten, im Kampf zu sterben, bevor die Dunkelheit uns verschlingt. Das habt ihr meinem Bruder und mir verwehrt. Verwehrt es nicht euren Söhnen. Wenn ihr das tut, verurteilt ihr sie dazu, demselben Wahnsinn zu verfallen. Zwillingsdrachen sind dazu bestimmt, eines gewaltsamen Todes zu sterben. Hab Erbarmen und verschone sie, Creja. Töte Cree und Calo lieber jetzt gleich, irgendwann musst du es sowieso tun. Tu, wozu unser Vater nicht in der Lage war.“ „Erlöse ihn von seinem Elend“, befahl Creja mit schwacher Stimme und drehte sich um, um wieder in den sich verdunkelnden Himmel zu blicken. Barracks lautes Brüllen wurde kurz unterbrochen. Creja blinzelte einige Male, um das Brennen in seinen Augen zu verdrängen. Tief im Inneren wusste er, dass Barrack die Wahrheit sagte. Ihm war bewusst, welche Zukunft seinen beiden Söhnen bevorstand. Und ihm war auch bewusst, dass er eines Tages möglicherweise den Befehl erteilen musste, um ihr Leben zu beenden. Aber noch nicht, flüsterte Lyla, die neben ihm kniete, mit sanfter Stimme. Vielleicht hat die Göttin Erbarmen mit ihnen und schenkt ihnen eine wahre Gefährtin. Creja seufzte und schmiegte seine Wange an die Handfläche seiner schönen Gefährtin. Der Symbiont, der wieder mit seiner anderen Hälfte vereint war, legte sich über die klaffende Wunde an seiner Seite und seinem Bein und begann ihn zu heilen. Er spürte die Wärme und die Energie, die ihn durchströmten. Außerdem spürte er, wie sich die Essenz seiner Gefährtin mit seiner eigenen verband, um ihn in dieser Welt zu halten, bis sein Körper geheilt war. „Cree, Calo?“, fragte Creja mit heiserer Stimme. „Sie putzen die Küche“, flüsterte Lyla. Sie beugte sich über ihren Gefährten und strich ihm zärtlich über die Stirn. „Calo lernt, dass Putzen keine Frauenarbeit ist.“ Creja schnitt eine Grimasse und gluckste leise. Er hatte seiner Gefährtin einmal dasselbe gesagt, kurz bevor sie ihn in dieser Sache zurechtgewiesen hatte. Sein Blick wurde weicher und er atmete tief durch. Selbst nach all den Jahren, die sie zusammen verbracht hatten, spürte er noch immer die Anziehungskraft zu seiner wahren Gefährtin. Es schmerzte ihn, dass seine Söhne dieses Gefühl des Ganzseins nie kennenlernen würden. „Das wissen wir nicht“, flüsterte Lyla. „Du hast gesehen …“, begann Creja, bevor er innehielt, als Lyla ihre Finger sanft auf seine Lippen legte. „Ich weiß tief in meinem Herzen, dass sie ihre wahre Gefährtin finden werden“, betonte Lyla. „Ich hoffe, du hast recht.“ Creja ließ sich wieder zurück auf den Boden sinken, während Lylas Wärme und die Berührung seines Symbionten ihm das Leben retteten. Er war schwach, und wenn seine Gefährtin und der Symbiont nicht gekommen wären, wäre er gestorben. Seine Gedanken wanderten zu den Zwillingsbrüdern, die nur wenige Meter von ihm entfernt leblos auf dem Boden lagen. Sie waren erst ein paar Jahrhunderte alt. Er war in der Nacht ihrer Geburt bei Bane gewesen. Er hatte versprochen, dass er Banes Platz einnehmen würde, falls so etwas passieren sollte. Bane hatte ihm dasselbe Versprechen gegeben, als seine Zwillingssöhne zur Welt gekommen waren. Beide fürchteten, sie würden nicht die Kraft haben, den Tod ihrer eigenen Kinder zu befehlen. Jetzt ließen ihn Barracks Worte nicht mehr los. Zwillingsdrachen waren im Kampf fast unaufhaltsam. Die Zerstörung, die die beiden im Kampf gegen die Dorfkrieger angerichtet hatten, war der Beweis dafür. Sie waren zahlenmäßig weit unterlegen gewesen. Trotzdem hatten alle Männer des Dorfes, die im kampffähigen Alter waren, zusammenarbeiten müssen, um sie aufzuhalten. Schuldgefühle plagten ihn. Er hatte gemerkt, dass die Brüder immer instabiler wurden. Der Dorfrat, den er leitete, hatte die Situation erörtert. Die Zwillinge hatten ihre Aufmerksamkeit in letzter Zeit auf Mula gerichtet, einem jungen Mädchen aus dem Dorf. Brogan hatte mit dem Vater des Mädchens gesprochen und darauf bestanden, dass sie seine und Barracks wahre Gefährtin wurde, obwohl ihre Symbionten nichts mit ihr zu tun haben wollten. Das Mädchen und ihre Eltern, die um ihre Sicherheit fürchteten, hatten um Schutz vor den Zwillingen gebeten. Creja hatte die Brüder zur Rede gestellt, als Brogan versucht hatte, sich Mula zu nähern und erklärt, dass sie um Schutz gebeten hatte. Danach war Brogan außer sich gewesen. Nur Barracks Eingreifen hatte an diesem Tag eine gewalttätige Auseinandersetzung verhindert. Dennoch hatte Creja die Spur des Wahnsinns in Brogans Augen gesehen. Heute war für Brogans hauchdünner Faden der Vernunft gerissen. Er hatte Mula angegriffen. Trauer durchströmte ihn, als er sich zu den ausgebrannten Überresten des Hauses des Mädchens umdrehte. Sie und ihre Mutter waren geflohen, während Mulas Vater den wütenden Drachen in Schach gehalten hatte. Barrack hatte keine andere Wahl gehabt, als seinen Bruder zu schützen, als die Männer des Dorfes zu Hilfe geeilt waren. Mehrere Männer waren verwundet und vier getötet worden, darunter auch Mulas Vater. Es würde nicht mehr lnge dauern, bis ihre Mutter in die nächste Welt ging, um sich ihrem Gefährten anzuschließen. Männer und Frauen und Frauen konnten weiterleben, wenn ihr wahrer Gefährte starb, nicht aber ihre Drachen. Drachen trauerten um ihre verlorenen Gefährten, bis der Tod dem Schmerz ein Ende setzte. Mulas Mutter hätte nur dann eine Chance zu überleben, wenn sie und Mulas Vater keine wahren Gefährten gewesen waren. Creja bezweifelte ernsthaft, dass dies der Fall war. Er drehte sich zu Lyla um, die seine Hand hielt. „Wir müssen die Jungen beschützen“, sagte er mit Nachdruck. „Die anderen werden sie jetzt töten wollen.“ Trotzig wandte sich Lyla an die Umstehenden, die sie beobachteten. „Dann werden wir gehen“, flüsterte sie. „Wir werden irgendwohin gehen, wo sie in Sicherheit sind.“
Free reading for new users
Scan code to download app
Facebookexpand_more
  • author-avatar
    Writer
  • chap_listContents
  • likeADD