Kapitel 1

3189 Words
1 Emma »… und dann sagte der Tierarzt, dass Mr. Puffs nicht bereit dafür ist, und ich …« »Das reicht.« Kendall stellt ihr Glas Eistee mit einem solchen Schwung ab, dass die sechs Dollar teure Flüssigkeit über den Rand schwappt. Sie nimmt die Serviette, wischt das Verschüttete auf und starrt mich über ihren Teller mit dem halb gegessenen Buchweizencrêpe hinweg an. »Was?« Ich blinzele meine beste Freundin an. »Ist dir klar, dass du die letzte halbe Stunde über Mr. Puffs, Cottonball und Queen Elizabeth gesprochen hast?« Kendall beugt sich nach vorn, und ihre braunen Augen verengen sich. »Es ist Katze hin, Katze her, Tierarzt das.« »Oh.« Ich erröte und schaue auf die Uhr an der Wand des Brunchrestaurants, in das Kendall mich geschleppt hat. Tatsächlich ist es fast dreißig Minuten her, seit wir hier sind – und ich habe in dieser Zeit nicht ein einziges Mal die Klappe gehalten. Verlegen blicke ich zurück zu Kendall. »Tut mir leid. Ich wollte dich nicht langweilen.« »Nein, Emma.« Kendalls Tonfall ist übertrieben geduldig, als sie sich zurücklehnt und ihr glattes, dunkles Haar über die Schulter wirft. »Du hast mich nicht gelangweilt. Aber du hast mir etwas klargemacht.« »Was?« »Du, mein Liebling, bist offiziell eine Katzenlady.« Meine Kinnlade klappt nach unten. »Was?« »Ja. Eine echte Katzenlady.« »Das bin ich nicht!« »Nein?« Sie zieht eine perfekt geformte Augenbraue in die Höhe. »Dann lass uns die Fakten durchgehen. Wann war das letzte Mal, dass du dein Haar professionell gestylt hast?« »Ähm …« Verlegen spiele ich mit dem roten Lockenwirrwarr auf meinem Kopf. »Vielleicht vor einem Jahr oder so?« Es war tatsächlich für Kendalls Party zu ihrem fünfundzwanzigsten Geburtstag, was bedeutet, dass es mindestens achtzehn Monate her ist, seit etwas anderes als ein Kamm das krause Durcheinander berührt hat. »Richtig.« Kendall zerteilt den Crêpe mit der Anmut von Queen Elisabeth – meiner Katze, nicht der britischen Monarchin. Nachdem sie ihren Bissen gekaut hat, fragt sie: »Und dein letztes Date war wann?« Ich muss wirklich nachdenken, um eins zu finden. »Vor zwei Monaten«, sage ich triumphierend, als die Erinnerung endlich wiederkommt. Ich schneide ein Stück meines eigenen Crêpes ab, stecke es mir in den Mund und murmele: »Das ist noch nicht so lange her.« »Nein«, stimmt Kendall zu. »Aber ich rede von einem richtigen Date, nicht von einem Mitleidskaffee mit deinem 60-jährigen Nachbarn.« »Roger ist keine sechzig. Er ist höchstens 49 Jahre alt.« »Und du bist sechsundzwanzig. Ende der Geschichte. Weiche der Frage nicht aus. Wann hattest du das letzte Mal ein richtiges Date?« Ich hebe mein Glas Wasser an und schütte es hinunter, während ich versuche, mich zu erinnern. Ich muss zugeben, Kendall hat mich damit überrumpelt. »Vielleicht vor einem Jahr?«, versuche ich es, obwohl ich mir ziemlich sicher bin, dass das fragliche Date – ein wirklich nicht erinnerungswürdiges Ereignis – weit vor Kendalls Geburtstagsfeier stattgefunden hat. »Ein Jahr?« Kendall trommelt mit ihren taupefarbenen Nägeln auf dem Tisch. »Wirklich, Emma? Ein Jahr?« »Was?« Ich versuche, das Erröten, das meinen Hals überzieht, zu ignorieren, und konzentriere mich darauf, den Rest meines Zweiundzwanzig-Dollar-Crêpes zu konsumieren. »Ich bin beschäftigt.« »Mit deinen Katzen«, sagt sie spitz. »Allen dreien. Sieh es ein: Du bist eine Katzenlady.« Ich schaue von meinem Teller auf und rolle mit den Augen. »Gut. Wenn du darauf bestehst, dann ja, ich bin eine Katzenlady.« »Und das ist für dich in Ordnung?« Sie schaut mich ungläubig an. »Was, soll ich verzweifelt von der Brooklyn Bridge springen?« Ich schiebe mir den letzten Bissen meines Crêpes in den Mund. Ich bin immer noch hungrig, aber ich habe nicht vor, noch etwas von der überteuerten Speisekarte zu bestellen. »Katzen zu mögen ist kein Verbrechen.« »Nein, aber all seine freie Zeit damit zu verbringen, Katzenklos zu leeren, während man in New York City lebt, schon.« Kendall schiebt ihren eigenen leeren Teller weg. »Du bist im besten Alter, um dir einen Mann zu schnappen, und du verabredest dich überhaupt nicht.« Ich atme gereizt aus. »Weil ich einfach keine Zeit habe – und außerdem, wer sagt, dass ich mir jemanden schnappen will? Mir geht es hervorragend allein.« »Sagt sie – und macht das Gleiche, was jede andere Katzenlady über sich selbst sagt. Ehrlich, Emma, wann hattest du das letzte Mal s*x mit etwas anderem als deinem Vibrator?« Kendall macht sich nicht die Mühe, ihre Stimme zu senken, als sie das sagt, und ich fühle, wie mein Gesicht wieder rot wird, als ein schwules Paar am Tisch neben uns herüberblickt und kichert. Glücklicherweise vibriert Kendalls Prada-Täschchen, bevor ich antworten kann. »Oh.« Sie runzelt die Stirn, als sie ihr Handy herausfischt und liest, was auch immer das Display anzeigt. Sie schaut auf und winkt dem Kellner. »Ich muss los«, sagt sie entschuldigend. »Mein Chef hatte gerade einen Durchbruch mit dem Design des Kleides, mit dem er zu kämpfen hatte, und er braucht mich, um ihm ein paar Models zu besorgen, pronto.« »Kein Problem.« Ich bin an Kendalls unberechenbaren Job in der Modebranche gewöhnt. Ich ziehe meine EC-Karte hervor, sage: »Wir treffen uns bald wieder«, und nehme mein Handy heraus, um meinen Kontostand zu überprüfen. Die Außentemperatur ist etwas über dem Gefrierpunkt, und die U-Bahnstation, die ich brauche, ist etwa zehn Blocks vom Restaurant entfernt. Dennoch gehe ich, weil a) meine Hüften die Bewegung gut gebrauchen können und b) ich es mir nicht leisten kann, etwas anderes zu tun. Dieses Treffen hat mein Wochenendbudget so weit verkleinert, dass ich meinen Lebensmitteleinkauf auf Montag verschieben muss. Ich habe Kendall gesagt, dass sie aufhören soll, sich mit mir in teuren Cafés zu verabreden, aber ich hätte wissen müssen, dass sie einen Fünfundzwanzig-Dollar-Brunch nicht als teuer ansehen würde. In New York City ist das praktisch kostenlos. Ehrlich gesagt weiß Kendall nicht, wie angespannt meine Finanzen sind. Ich rede nicht gerne über mein Studentendarlehen. Sie denkt, dass ich in einer Kellerwohnung in Brooklyn lebe und Coupons ausschneide, weil ich einfach gerne Geld sparen möchte. Sie selbst verdient nicht gerade Millionen – als Assistentin eines aufstrebenden Modedesigners bekommt sie nicht viel mehr als ich mit meinem Job in der Buchhandlung und als Lektorin –, aber ihre Eltern zahlen den Großteil ihrer Rechnungen, so dass sie ihr ganzes Gehalt für Kleidung und anderen Luxus ausgibt. Wenn sie nicht so eine gute Freundin wäre, würde ich sie hassen. Als ich die U-Bahnstation betrete, stolpere ich fast über einen Obdachlosen, der auf der Treppe liegt. »Sorry«, murmele ich, und will schnell weitergehen, aber er grinst mich zahnlos an und hält mir eine braune Papiertüte hin. »Das ist okay, kleine Lady«, lallt er. »Willst du einen Schluck? Du siehst so aus, als könntest du einen Drink gebrauchen.« Erschrocken trete ich zurück. »Nein, danke. Ich möchte nichts.« Wie schrecklich sehe ich aus, dass mir Obdachlose Alkohol anbieten? Vielleicht ist wirklich etwas an Kendalls Katzenlady-Diagnose dran. Schulterzuckend nimmt der Mann einen Schluck aus der braunen Tüte, und ich stürze die Treppe hinunter, bevor er mir anbietet, weitere Sachen mit mir zu teilen – wie die Münzen im Hut neben ihm. Ich brauche dringend Geld, aber ich bin nicht so verzweifelt. Eine lange Zugfahrt später steige ich in Bay Ridge, meiner Haltestelle in Brooklyn, aus der U-Bahn. In dem Moment, in dem ich nach draußen trete, trifft mich eine Windböe ins Gesicht. Eine Windböe und etwas Nasses. Schneeregen. Großartig. Einfach großartig. Zähneknirschend halte ich den Kragen meines alten Wollmantels hoch und versuche, die beiden Ecken davon eng an meinem Hals zusammenzuhalten, während ich zu laufen beginne. Ich wohne nicht so weit von der U-Bahn entfernt – nur fünf Blocks –, aber es sind lange Blöcke, und ich verfluche jeden einzelnen von ihnen, als der eisige Regen zunimmt. »Vorsicht«, fährt mich eine schwergewichtige Frau an, als ich sie anrempele, und ich murmele automatisch eine Entschuldigung. Es ist nicht allein meine Schuld – man braucht zwei Leute, um gegeneinanderstoßen zu können –, aber es liegt nicht in meiner Natur, unhöflich zu sein. Meine Großeltern haben mich gut erzogen. Als ich endlich das Sandsteingebäude erreiche, in dem ich meine Kellerwohnung gemietet habe, fühle ich mich, als hätte ich den Mount Everest bestiegen. Mein Gesicht ist nass und gefroren, und trotz meiner Bemühungen, meinen Mantel geschlossen zu halten, ist der Eisregen eingedrungen und hat mich von innen heraus ausgekühlt. Ich bin eine dieser Personen, die die obere Hälfte ihres Körpers warm haben müssen. Ich kann eisige Füße vertragen – die habe ich auch, da meine Turnschuhe nicht wasserdicht sind – aber ich kann es nicht ertragen, wenn mir kaltes Wasser den Hals hinunterläuft. Wenn ich in dem Moment wütend auf Mr. Puffs war, als er meinen einzigen anständig aussehenden Schal zerrissen hat, ist das nichts im Vergleich zu dem, was ich jetzt fühle. Diese Katze wird jetzt einen ordentlichen Anschiss bekommen. »Puffs!«, brülle ich, drücke die Tür auf und betrete meine Einzimmerwohnung. »Komm her, du böse Kreatur!« Die Katze ist nirgendwo zu sehen. Stattdessen starrt mich Queen Elizabeth friedlich von meinem Bett aus an, leckt ihre Pfote und beginnt, sie sich zu säubern und jedes einzelne flauschige weiße Haar zu glätten. Cottonball liegt neben ihr und schläft auf meinem Kissen. Beide Katzen sehen warm, zufrieden und völlig sorgenfrei aus, und nicht zum ersten Mal verspüre ich irrationalen Neid auf meine Haustiere in mir aufsteigen. Ich würde gerne den ganzen Tag schlafen und mich von jemandem füttern lassen. Zitternd ziehe ich meinen nassen Mantel aus, hänge ihn an den Haken neben der Tür und schlüpfe aus meinen Turnschuhen. Dann gehe ich auf die Suche nach Mr. Puffs. Ich finde ihn an seinem neuen Lieblingsplatz: im obersten Regal meines Schranks. Dort bewahre ich Hüte, Handschuhe, Schals und Taschen auf – nicht, dass ich viele davon hätte, weshalb es eine Tragödie von epischen Ausmaßen ist, wenn der böse Kater beschließt, eines dieser Teile zu zerschreddern, um Platz für seinen pelzigen Körper zu schaffen. »Puffs, komm her.« Ich bin nicht gerade groß, also muss ich mich auf Zehenspitzen ausstrecken, um ihn zu ergreifen. Ich keuche von der Anstrengung und hebe ihn aus dem Regal. Der Kater wiegt solide fünfzehn Pfund, und wenn er mit seinen Pfoten in der Luft strampelt, fühlt er sich doppelt so schwer an. »Ich habe dir gesagt, dass du da nicht sitzen darfst.« Ich setze ihn auf den Boden, und er starrt mich mit zusammengekniffenen Augen an, was mir sagt, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis er sich den Rest meiner Accessoires vornimmt. Wie seine Geschwister ist Mr. Puffs weiß und flauschig und die perfekte Verkörperung seiner persischen Rasse, aber genau hier endet die Ähnlichkeit. Es gibt nichts Ruhiges und Entspanntes an ihm. Ich bin mir nicht sicher, ob dieser Kater überhaupt schläft. Jemals. Es ist möglich, dass er ein Vampir ist, der sich tagsüber in einen riesigen Perser verwandelt. Er ist mit Sicherheit böse genug dafür. Gerade als ich ihn wieder anschreien will, weil er den Schal zerrissen hat, reibt er seinen Kopf an meiner nassen Jeans und schnurrt laut. Dann schaut er zu mir auf, und seine großen grünen Augen blinzeln unschuldig. Ich schmelze. Oder vielleicht sind es die eisigen Tröpfchen, die an meiner Kleidung hängen, die schmelzen. Auf jeden Fall breitet sich ein warmes Gefühl in meiner Brust aus. »Schon gut, komm her, du Stinker«, murmele ich und knie mich hin, um den Kater zu streicheln. Er schnurrt lauter und reibt seinen Kopf an meiner Hand, als wäre ich seine Lieblingsperson. Ich bin mir fast sicher, dass er mich absichtlich manipuliert – dieser Kater ist beängstigend intelligent – aber ich kann nicht anders, als darauf hereinzufallen. Wenn es um meine Katzen geht, werde ich einfach schwach. Die Streicheleinheiten gehen weiter, bis Mr. Puffs sich sicher ist, dass ich ihn nicht anschreien werde. Dann geht er zu den anderen Katzen auf mein Bett und rollt sich auf meinem Kissen neben Cottonball zusammen. Ich seufze und schleppe mich ins Badezimmer, um heiß zu duschen. So sehr ich es auch hasse, das zuzugeben, Kendall hat recht. Irgendwie bin ich im Laufe der Zeit zu einer echten Katzenlady geworden. Während ich dusche, versuche ich, mich selbst davon zu überzeugen, dass das nichts Schlimmes ist. Okay, meine Kleidung ist alt und ein wenig schäbig, und ich mache nichts mit meinen Haaren, außer sie zu waschen und gelegentlich ein wenig Gel zu benutzen. Und ja, ich habe drei Katzen. Na und? Viele Menschen lieben Tiere. Das ist ein positiver Charakterzug. Ich habe noch nie jemandem vertraut, der keine Haustiere mag. Das ist so unnatürlich wie Schokolade oder Eis zu hassen. Ich kann verstehen, dass man bei Tieren unterschiedliche Vorlieben haben kann – einige leider irregeführte Individuen bevorzugen zum Beispiel Hunde gegenüber Katzen – aber überhaupt keine Haustiere mögen? Da könnte man genauso gut ein Serienmörder sein. Nichtsdestoweniger schmerzt etwas an dieser Katzenlady-Schublade ein wenig. Vielleicht liegt es daran, dass ich erst sechsundzwanzig bin. Wie Kendall schon sagte, sollte ich in meinen besten Jahren sein. Wenn ich jetzt schon als verschroben rüberkomme, was wird dann passieren, wenn ich fünfzig oder sechzig bin? Vielleicht verlängern sich meine datefreien Phasen von über einem Jahr auf ein Jahrzehnt, und ich wandere durch die Straßen, während ich Mützen aus Katzenhaar stricke und Selbstgespräche führe. Nein, das ist lächerlich. Außerdem will ich keinen Mann. Das will ich wirklich nicht. Okay, gut, vielleicht will ich einen für den s*x – ich bin eine normale, gesunde Frau –, aber ich brauche niemanden, der mein Leben bestimmt und meine Zeit dominiert. Das ist mit Janie passiert, meiner anderen besten Freundin vom College. Sie hat einen festen Freund, und jetzt sehe ich sie nicht mehr. Und sogar Kendall, die stolz darauf ist, unabhängig zu sein, verschwindet für Wochen, wenn sie jemanden datet. Meinen letzten ernsthaften Freund hatte ich in meinem Abschlussjahr am College, und ich wäre fast durchgefallen, weil er so viel Aufmerksamkeit brauchte – und das war, bevor ich die Katzen bekam. Nun, da Queen Elizabeth, Mr. Puffs und Cottonball in meinem Leben sind, kann ich mir nicht vorstellen, auch noch einen Mann hineinzuquetschen. Und trotzdem … als ich aus der Dusche komme und mein Telefon in die Hand nehme, lässt mich irgendein Teufel auf meiner Schulter – ein winziger, stilvoller, der verdächtig wie Kendall aussieht – die Dating-App öffnen, bei der ich mich vor Monaten auf Janies Drängen hin angemeldet habe. Es ist dieselbe, über die sie ihren jetzigen Freund traf, der sie aus meinem Leben verschwinden ließ. Vor dem besagten Verschwinden, nachdem sie mich quasi gezwungen hatte, mir dort ein Profil einzurichten, habe ich ein paar Tage lang mit der App gespielt, da ich den Hauch einer Hoffnung hatte, einen netten, entspannten Kerl zu finden, der Katzen und lange Spaziergänge im Park mag. Nach etwa einem Dutzend Schwanzbildern habe ich es allerdings aufgegeben und aufgehört, mich einzuloggen. »Du hast es nicht wirklich versucht«, hatte Janie frustriert gesagt, als ich ihr von den Bildern erzählt habe. »Ja, da sind ein paar Arschlöcher dabei, aber es gibt auch ein paar gute Jungs, wie meinen Landon.« »Stimmt«, hatte ich geantwortet und höflich genickt. Kendall und ich sind beide der Meinung, dass Landon – diese oberflächliche Tratschtante mit dem höhnischen Dauerlächeln – ein Arschloch ist, aber das wollte ich Janie nicht sagen. Im Nachhinein betrachtet hätte ich vielleicht etwas sagen sollen, denn kurz nachdem Janie mich dazu gebracht hatte, dieses Profil zu erstellen, wurde sie in das schwarze Loch ihrer Beziehung gesaugt, und Kendall und ich haben sie seitdem nicht mehr gesehen. Ich lege das Telefon auf das Bett und rücke meine Kissen zurecht, um eine Rückenlehne für mich zu schaffen – etwas, für das ich Cottonball und Mr. Puffs von einem Kissen scheuche und Queen Elizabeth zur Seite schiebe. Cottonball und Queen Elizabeth gehen recht freundschaftlich weg – Queen Elizabeth springt sogar vom Bett – aber Mr. Puffs wirft mir einen bösen Blick zu und schwingt seinen Schwanz bedrohlich von einer Seite zur anderen, bevor er sich neben meinen Füßen zusammenrollt. Ich weiß, dass er sich an diese Straftat erinnern und später Vergeltung suchen wird, aber im Moment habe ich einen bequemen Platz, um mir all die Schwanzbilder anzusehen, die zweifellos auf mich in der App warten. Ich kuschele mich zwischen die Kissen, logge mich in mein Profil ein und überprüfe den Posteingang. Tatsächlich gibt es etwa dreihundert Nachrichten, von denen mindestens hundert Anhänge mit Penisbildern haben. Nur zum Spaß klicke ich mich durch ein paar von ihnen – einige haben auch wirklich eine nette Größe und Form – aber dann langweile ich mich und beginne, sie systematisch zu löschen. Ich weiß nicht, wie Männer auf die Idee gekommen sind, dass Schwanzbilder heiß sind, weil sie es ehrlich gesagt nicht sind. Ich habe nichts gegen Penisse, aber sie machen mich nicht an, es sei denn, sie hängen an einem Kerl, den ich mag. Bonuspunkte gibt es dann, wenn dieser Kerl zufällig mit Waschbrettbauch und schönen Brustmuskeln kommt, aber die Persönlichkeit ist das, was mir am wichtigsten ist. Ich würde mich eher mit einem Hundertfünfzig-Kilo-Glatzkopf verabreden, der freundlich zu Tieren und alten Damen ist, als mit einem supermodelperfekten Arschloch mit einem riesigen Schwanz. Es dauert fast eine Stunde, bis ich die meisten Nachrichten durchgegangen bin. Und gerade als ich auf der Zielgeraden bin – und fest davon überzeugt, dass ich nie wieder eine Dating-App benutzen werde –, sehe ich sie. Eine einfache E-Mail ohne Anhang von einem Cartoon-Avatar eines Mannes mit einem rundem Gesicht und einem schüchternen Lächeln. Fasziniert klicke ich auf die Nachricht, die ich erst vor drei Tagen bekommen habe. Hallo, Emma, steht da. Ich bin mir sicher, dass du das oft liest, aber ich finde dich wirklich süß, und ich liebe die Katzen auf deinem Foto. Ich habe selbst zwei Perser. Sie sind fett und schrecklich verwöhnt, aber ich liebe sie, und ich bin überzeugt, dass sie mich trotz des Zerkratzens aller meiner Möbel auch lieben. Abgesehen davon, dass ich Zeit mit ihnen verbringe, sind meine Hobbys das Entdecken von schrulligen Cafés in Brooklyn, Lesen (meist historische Romane) und Inlineskaten im Park. Oh, und ich arbeite in einer Buchhandlung, während ich Tiermedizin studiere. Hast du Lust, dich mit mir für einen Kaffee oder ein Abendessen zu treffen? Ich kenne ein schönes kleines Bistro in Park Slope. Bitte lasse mich wissen, ob das für dich in Frage käme. Vielen Dank, Mark Mein Puls rast vor Aufregung, und ich lese die Mail noch einmal, bevor ich zu seinem Profil gehe. Es gibt dort zwei aktuelle Bilder von Mark, die jeweils einen Kerl zeigen, der genau mein Typ zu sein scheint. Obwohl die Bilder verschwommen sind, ähneln sie seinem Cartoon-Avatar sehr stark. Sein rundliches Gesicht sieht freundlich aus, sein schiefes Lächeln ist schüchtern und selbstironisch, und auf einem Bild trägt er eine Brille, die ihm eine angenehm intellektuelle Ausstrahlung verleiht. Dem Profil nach ist er siebenundzwanzig Jahre alt, hat braune Haare und blaue Augen und lebt in Carroll Gardens, Brooklyn. Er ist so perfekt, dass ich ihn von meiner geheimen Wunschliste streichen könnte. Mit einem Grinsen im Gesicht antworte ich ihm, dass ich mich gerne mit ihm treffen würde, und springe dann vom Bett, um einen Freudentanz aufzuführen. Mein Haar fällt in krausen roten Locken in mein Gesicht, und meine Katzen sehen mich an, als wäre ich verrückt, aber das ist mir egal. Kendall kann sich ihre Katzenlady-Schublade in ihren dürren kleinen Arsch schieben. Ich habe ein echtes Date.
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