Szene 1

532 Words
~Gegenwart~ Tyson Gain ist schwul! Mit dieser Überschrift beginnt alles zu zerbrechen, was ich mir die ganzen Jahre über aufgebaut und verteidigt hatte: meine Karriere, meine Privatsphäre, meine Liebe und mein Leben. Mit einem Seufzen lasse ich das Magazin kurz zurück auf den Tisch sinken und starre auf die Tasse heißen Kaffees. Wie gerne würde ich jetzt die Zeit zurückdrehen und alles anders machen. Ich weiß, dass es nicht möglich ist, dennoch ist der Wunsch da und er treibt mir Tränen in die Augen. Alles in mir verzehrt sich nach einer einfachen Umarmung. Ich will seine starken Arme um mich spüren und seinen Duft einatmen. Er soll mir wieder mit seiner beruhigenden Stimme ins Ohr flüstern, dass alles gut wird und sich mein Traum erfüllt. Im Moment zerspringt er in tausend Scherben und ich weiß, dass ich noch einmal von vorne anfangen muss, wenn ich ihn nicht gänzlich aufgeben will. Es kostet mich mehr Kraft, als ich am Anfang annehme das Magazin wieder anzuheben und den Artikel zu lesen: Der weltberühmte Sänger Tyson Gain wurde letztens in Begleitung eines Mannes, mit dem er sich sehr intim verhalten hatte, gesehen. Diese Nachricht wird vielen seiner weiblichen Fans das Herz brechen, denn man konnte aufgrund seiner Schürzenjägergeschichten nicht damit rechnen, dass er sich zu Männern hingezogen fühlt. Jetzt tauchte aber dieses Foto auf, worauf Herr Gain die Hand eines Mannes hielt und diesen leidenschaftlich küssend an die nächste Wand drückte. So feurig hatten wir ihn zuvor noch mit keiner Frau erlebt. Sein Manager und Herr Gain selbst waren bis zum Redaktionsschluss für ein Interview nicht verfügbar. Auch ist keine Pressekonferenz bekannt, auf der man zu diesen Neuigkeiten Stellung beziehen will. Herr Gain selbst war seitdem nicht einmal auf der Straße sichtbar. Soll das bedeuten, dass es wahr ist? Der Frauenschwarm ist wirklich schwul? Ob das wohl das Ende seiner Karriere bedeutet, nachdem er vor allem Mädchen und junge Frauen zu seinen Fans zählt? Ich kann nicht mehr weiter lesen. Alles in mir verkrampft sich dabei, dass mein Traum wie eine Seifenblase zerplatzt. Ich habe schon die Mahnung der Plattenfirma auf dem Tisch, dass sie den Vertrag wegen Nichterfüllung kündigen wollen und sogar überlegen, ob sie eine Vertragsstrafe von mir verlangen. Das Alles soll so nicht enden. Nicht indem man mich dazu zwingt, dass ich mich zurückziehe, um wieder Ruhe zu haben. Schließlich weiß ich wie manche Menschen auf meine sexuelle Neigung reagieren. Kurz fällt mein Blick auf das Bild, das alles zerstört hat. Man erkennt den Mann nicht, weil mein Kopf den größten Teil seines Gesichtes verdeckt. Das ist wohl auch besser so und ich will mich gerade nicht daran erinnern, warum ich so unüberlegt gehandelt habe. Im Moment wäre dies eindeutig sinnlos. Lieber denke ich an den Anfang zurück. Daran, dass ich stolz darauf war, wen ich liebte und was ich tat. Natürlich hat der Artikel Recht und ich bin schwul. Der Mann, den ich küsste, ist mein Freund. Oder soll ich lieber Exfreund sagen? Ich muss kurz hart auflachen, als ich daran zurückdenke, wie naiv ich damals war. An diesem Tag, an dem sich mein Traum erfüllte und man mir diese eiserne Maske aufsetzte. Eine Maske, die nicht abgenommen werden durfte. Niemals.
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