Es war ein angenehmer Raum. Große Fenster, Möbel in warmen Holztönen und dennoch wollte sich kein wohliges Gefühl in mir ausbreiten. Ich betrat mit Chris zusammen das Zimmer. Er war hinter mir und seine Anwesenheit gab mir Mut, den ich jetzt gut brauchen konnte.
Die Sekretärin lächelte sanft, als sie uns die Tür geöffnet hatte, bevor sie dann auch schon wieder verschwand. Uns gegenüber war ein großer Tisch, an dem drei Männer saßen. Sie unterhielten sich gedämpft und sahen immer wieder zu uns. Es war ein seltsames Gefühl, ihnen so ausgeliefert zu sein, vor allem nachdem sie auf mich wirkten, als wären sie Drillinge oder zumindest Brüder. Sie hatten alle eine Glatze und sahen mich aus tiefen, grünen Augen an. Nur ihre Statur unterschied sich ein wenig. Von schmal bis zu kräftig war es gleichmäßig auf die Drei verteilt.
Unsicher suchten meine Finger nach Chris’ Hand, die ich dann kurz sanft drückte. Ich bemerkte ihren Blick auf meine Handlung, doch ich konnte es nicht verhindern und wünschte mir nichts mehr, als ihn weiter hinter mir zu spüren. Er sollte mir die Angst von den Schultern nehmen und das geschah auch, als sein Daumen sanft über meinen Handrücken glitt, bevor sich unsere Hände wieder trennten.
Ein Schauer erfasste mich, als ich ihren kühlen Blick bemerkte, doch dann lächelten sie mich schon an. Ein Lächeln, das direkt aus der Hölle kam. Schmierig, berechnend und einlullend. Es ließ mich trocken schlucken und ich näherte mich langsam mit Chris dem großen Tisch, an dem man uns einen Platz anbot.
„Schön, dass sie es hierher geschafft haben, Tyson Gain.“ Die Stimme des mittleren Mannes war süß wie Honig und seine schmale Statur nahm ihm etwas von der Gefahr, die von den anderen beiden ausgestrahlt wurde.
„Wir haben Ihr Demotape gehört und waren sofort davon begeistert. Aus Ihnen könnte ein großer Star werden“, sprach er enthusiastisch weiter und wühlte dabei in ein paar Akten, bevor er uns dann eine davon zuschob. Ich sah auf sie und bevor ich nach ihr greifen konnte, hatte Chris sie sich schon geschnappt. Nur das Bild konnte ich mir merken: Eine Band, die offenbar ohne Instrumente auskam. Es war eine Boygroup. An sich etwas, was ich selbst nicht wirklich mochte, doch meine Musik ging mit hoher Wahrscheinlichkeit in die gleiche Richtung.
„Eine interessante Band. Lassen Sie mich raten, dass Tyson sie bei ihrem Konzert begleiten soll.“ Chris war gänzlich in seinen Geschäftsmodus übergegangen. Ich liebte ihn für seine Sachlichkeit und vertraute auf sein Fachwissen. Er war jetzt nicht hier als mein Geliebter, sondern als der Manager, der mich bei meinem Traum unterstützte.
„Ja, sie sind im Moment sehr beliebt bei der Jugend und beginnen nächsten Monat mit ihrer Tournee. Wir haben bis jetzt noch keine passende Vorband gefunden und da fiel uns das Demotape von Herrn Gain in die Hand. Er passt sehr gut zu ihnen. Sie haben in etwa den gleichen Stil und bestimmt wird er auch von den Fans ins Herz geschlossen.“ Erneut sprach nur der Mittlere. Die anderen beiden musterten uns mit einem stechenden Blick.
„Wie stellen Sie sich das vor: Transport und Bezahlung?“ Chris ließ nicht locker und blätterte dabei weiter in der Akte herum. Ich selbst kam ihm ein wenig näher, um mir ebenfalls einen ersten Eindruck von den Jungs zu machen, die ich wohl eine Weile begleitete. Sie wirkten alle jünger als ich, doch ihre Ausstrahlung war freundlich und nett. Zumindest auf den vielen Fotos, die man sah.
„Er wird einen eigenen, kleinen Bus bekommen, der ihn herumfährt. Die Jungs möchten ihre Privatsphäre behalten. Daher wird er auch in Hotels in ein eigenes Zimmer untergebracht. Bezahlung hatten wir uns zehn Prozent vom Gewinn durch den Kartenverkauf vorgestellt.“ Der Mann blieb ruhig und sachlich.
So ein gutes Angebot hatte ich bisher noch nie bekommen und ich musste den Impuls unterdrücken sofort zu zustimmen. Ich wusste, dass Chris es hasste, wenn ich zu vorschnell zusagte, bevor er die Rahmenbedingungen für mich ausgehandelt hatte. Wie oft hatte ich deswegen schon kaum einen Verdienst, obwohl ich die ganze Zeit unterwegs war?
Chris sah noch einmal in die Akte und blätterte weiter. In mir selbst staute sich die Aufregung. Das Alles klang doch super. Er musste zusagen. Das war unsere Chance, meinen Traum wahr werden zu lassen.
Sehnsüchtig und flehend sah ich ihn an. Er musste endlich zustimmen. Dieses Angebot konnte meinen Durchbruch bedeuten. Chris müsste das doch auch spüren. Er wusste, dass es ein gutes Angebot war. Beziehungsweise das Beste, das wir bis jetzt erhalten hatten.
„Das klingt alles sehr gut. Wir werden annehmen.“ Er schloss die Akte und legte sie auf den Tisch. Ich konnte mir einen zufriedenen Laut nicht verkneifen. Sofort wandte ich mich zu den drei Männern, die uns kurz anlächelten und im nächsten Moment schon den Vertrag zur Hand hatten. Erneut nahm ihn Chris entgegen und ging ihn durch. Ruhig las er jeden Absatz einzeln. Vor Freude begann sich alles in mir zu drehen. Ich war meinem Traum heute einen gewaltigen Schritt näher gekommen.
Nach einer kleinen Ewigkeit nickte mein Geliebter und schob mir die Papiere zur Unterschrift hin, doch bevor ich mein Zeichen darunter setzen konnte, schaltete sich der breiteste der Männer mit eiskalter Stimme in das Gespräch ein. „Bevor Sie unterschreiben, hätten wir noch eine Bedingung an Sie. Schließlich sind Sie beide zusammen, habe ich Recht?“
Kurz wechselte ich einen irritierten Blick mit Chris, bevor ich dann nickte und mein Herz sich nur noch langsam und schmerzhaft zusammenzog. Es schien schweres Blei durch meine Adern zu pumpen und ich musste trocken schlucken, als ich auf die letzte Bedingung wartete.
„Diese Beziehung darf niemals in die Öffentlichkeit geraten. Unsere Zielgruppe sind in erster Linie Mädchen und junge Frauen, die sich gerne in die Musiker verlieben. Wenn herauskommt, dass ihr Idol schwul ist und somit unerreichbar für sie, werden sie kein Fan mehr von ihm sein. Daher können wir Sie nur vertreten, wenn Sie bereit sind, diese Beziehung hinter verschlossenen Türen zu lassen. Für die Öffentlichkeit werden Sie ein Single sein, Herr Gain. Ein heterosexueller Single. Wenn Sie dem zustimmen, dann können Sie den Vertrag gerne unterzeichnen. Ansonsten bitte ich Sie zu gehen.“
Mein Blick glitt zu Chris und er sah mich an. Alles in mir sträubte sich bei dem Gedanken, Chris zu verleugnen, doch es war mein Traum. Ich wollte Musik machen und wer weiß, wenn ich es einmal geschafft hatte, dann wäre meine Sexualität vielleicht auch egal.
„Lass uns kurz reden, Tys.“ Er griff nach meiner Hand und zog mich in Richtung Tür. „Ich weiß, dass dies deine Möglichkeit ist, aber wir können auch eine andere Plattenfirma finden. Jemanden, der dich nimmt, obwohl wir zusammen sind. Willst du das wirklich so versuchen?“
„Aber was ist, wenn das die einzige Möglichkeit sein wird? Wenn keine andere Firma kommt? Ich will diese Chance nicht sausen lassen und wenn ich Erfolg habe, dann können wir es öffentlich machen. Es sollte ja nicht lange dauern, oder? Das schaffen wir.“
Kurz lächelte ich meinem Geliebten zu und küsste ihn. Er nickte nur, doch der Zweifel blieb in seinen Augen bestehen. Ich ging zurück zum Tisch und griff nach dem Vertrag, um diesen zu unterschreiben. Mit dem letzten Strich meines Namens schnappte die Maske endgültig zu.