Man hörte die Stimmen der vielen Fans, die vor der Bühne auf den Start der Show warteten. Ich selbst war noch im Backstagebereich und meine Finger begannen zu zittern. Dieses leichte, nervöse Ziehen in meinem Bauch und das elektrisierende Kribbeln in meinem Nacken waren mir bekannt und genau das liebte ich daran. Diesen Kick bevor man auf die Bühne stieg und das Hochgefühl, wenn man in dem Jubel und der Ekstase der Meute badete.
Aber jetzt war dort auch ein anderes Gefühl: Diese Unsicherheit, ob ich wirklich zu den Fans der anderen Band passte und wie sie auf mich reagierten. Empfingen sie mich mit offenen Armen oder jagten sie mich von der Bühne? Dies war meine Feuertaufe und die Angst zu verbrennen schlängelte sich durch meine Brust und legte sich um mein Herz.
Bei den Soundchecks hatte ich durchaus bemerkt, dass wir uns im gleichen Genre bewegten, aber sie waren dennoch ein wenig anders. Sie taten auf Boygroup, die ihren Fans die große Liebe versprach, aber ich erkannte, dass sie noch nie wirklich geliebt hatten. Dabei kam mir sogar kurz der Gedanke, dass sie ihre Texte gar nicht selbst schrieben, sondern nur Marionetten des Konzerns waren.
Ein Seufzer stahl sich über meine Lippen. Man nahm mich plötzlich an der Hand und stoppte so mein unruhiges Umherwandern. Überrascht sah ich in Chris‘ sanften Augen, der kurz über meinen Handrücken strich und sich dann langsam vom Stuhl erhob, um einen Schritt auf mich zu zugehen.
Seine dunklen Augen fingen mich ein und das schiefe Lächeln löste den nervösen Knoten in meinem Magen auf. Die Last auf meinen Schultern wich ein Stück zurück und das Glück kehrte zurück in meine Brust. Vorfreude, die mich dem Auftritt entgegenfiebern ließ.
Ein Kribbeln ging durch meinen Körper, als ich mir seiner Präsenz bewusst wurde und für eine Sekunde erwachte in mir der Wunsch, mir einen Glückskuss von ihm zu holen, doch wir näherten uns nicht weiter. Die Gefahr, dass man uns sah, war zu hoch. Seine Finger entglitten meiner Hand und holten die Leere, die sogar die Nervosität in meinem Herzen überrannt hatte, in mir zurück.
„Kopf hoch. Du bist super. Niemand kann dir das Wasser reichen, Tyson. Auch wenn es dein erster Auftritt vor diesen Fans ist. Du bist gut. Die Leute werden dich lieben. Vertrau mir. Ich bin bei dir und wir schaffen das gemeinsam.“ Seine Worte nahmen mir nun auch den Rest der Nervosität und ich nickte.
Ich atmete tief durch, als ich noch einmal kurz seine Hand drückte und dann auch schon auf die Bühne trat. Es war so weit. Ich würde endlich wieder live singen und Leuten zeigen, dass ich hierher gehörte. Sie würden mich lieben. Chris hatte Recht. Ich konnte nur gewinnen.
Meine Bandmitglieder gingen nun ebenfalls auf Position. Ich lächelte jeden von ihnen an und trat dann langsam an das Mikro in der Mitte der Bühne. Die Spannung im Raum war greifbar. Die Fans warteten darauf, dass ich ihnen zeigte, was ich konnte. Ich wollte sie von mir überzeugen und sie aufheizen. Sie sollten auch an mich denken, wenn sie heute Abend nach Hause gingen. An jeden einzelnen Ton von mir, damit sie mich nie wieder vergaßen.
Meine Finger strichen sanft über das Mikro, das wie eine Geliebte sehnsüchtig auf mich wartete. Das kalte Metall fühlte sich so gut an und ein sanftes Lächeln trat auf meine Lippen, als ich es fester umschloss und mit geschlossenen Augen zu singen begann.
Es ist nur eine sanfte Berührung.
Ein flüchtiger Hauch.
Das Keyboard stieg mit sanften Klängen ein und unterstrich meine Stimme angenehm.
Deine Stimme flüstert mir zu,
dass ich nicht alleine bin.
Es kamen auch die Gitarren hinzu und erfüllten den Raum weiter mit einer umarmenden Melodie, die einen tief im Herzen berührte.
Wir werden gemeinsam gehen.
In dieser einen Nacht.
In der wir einander versprachen.
Mit einem gewaltigen Beckenschlag stieg nun auch das Schlagzeug ein, als ich meinen Blick hob und auch mehr Energie in meine Stimme legte. Die Atmosphäre schwang um und aus dem sanften Liebesgeflüster wurde ein energischer Tanz.
Du wirst nie wieder gehen!
Das habe ich gesehen!
Wir werden tanzen!
In dieser einen Nacht!
Nur sie kennt unser Geheimnis!
Niemand wird uns sehen!
Keiner wird es jemals verstehen!
Wir sind eins für immer!
Die Fans jubelten und stiegen sofort ein. Sie nahmen mir damit auch noch den letzten Funken Nervosität und Zweifel und ich konzentrierte mich nur noch auf meine Lieder. Es gefiel ihnen, was ich tat, und so machte es gleich noch viel mehr Spaß auf dieser Bühne zu stehen und für sie zu singen.
Meine Lieder nahmen sie mit auf eine Reise, die sie begeisterte und obwohl ich in ihren Augen unbekannt war, feierten sie mich. Ich rockte die Halle und heizte die Meute auf. Das war mein Job und ich meisterte ihn mit Bravour…