Kapitel 1

1160 Words
Cassandras POV Der Regen strömte stärker, trommelte unerbittlich gegen den Bürgersteig und durchnässte die Ränder meiner Jeans, als ich durch die enge Gasse neben dem luxuriösen Silver Claw Hotel eilte. Mein Regenschirm wackelte im Wind und hielt mich kaum trocken. Aber ich habe nicht langsamer gemacht. Ich konnte nicht. Nicht mit der Art und Weise, wie mein Herz laut und hektisch pochte, als ob es versuchte, mich zu warnen. Nicht von der Kälte. Aber von dem nagenden Gefühl der Angst, das sich seit dem Morgen um meine Brust gewickelt hatte und sich weigerte, loszulassen. Irgendetwas stimmte nicht. Ich hatte Evan heute viermal eine SMS geschickt. Keine Antwort. Ich hatte ihn zweimal angerufen. Direkt zur Voicemail. Er hatte mich noch nie ignoriert. Nicht so. Evan war der Typ, der sogar während Meetings zurückgeschrieben hat, um mir kleine Sprachnotizen zu schicken, nur um zu sagen, dass er meine Stimme vermisst hat. Er hinterließ schläfrige Emojis mitten in der Nacht, und einmal überraschte er mich mit Kaffee bei der Arbeit, nur weil ich sagte, ich sei müde. Das war Evan. Süß. Aufmerksam. Vorhersehbar auf die Art und Weise, die mir das Gefühl gab, sicher zu sein. Aber die letzte Woche war anders. Es begann damit, dass er unser Abendessen absagte, keine Erklärung, nur ein "Entschuldigung, etwas ist dazwischen gekommen." Dann hörte er auf, jede Nacht anzurufen. Und wenn wir sprachen, war es immer überstürzt. Abgelenkt. Als ob er woanders sein müsste. Irgendwo wichtiger als ich. Ich hatte versucht, es abzuwischen. Ich sagte mir, dass er beschäftigt war, dass Stress jeden dazu bringen könnte, sich distanziert zu verhalten. Aber sogar seine Stimme hatte sich verändert, kalt, abgeschnitten, als ob die Wärme, die ich einst schätzte, hinter einer Mauer gefroren war, die ich nicht erreichen konnte. Jetzt, als ich vor dem Silver Claw Hotel stand, durchnässt und schmerzend, konnte ich mich nicht mehr vortun. Sein Auto war direkt vor der Tür geparkt. Die schlanke schwarze Limousine liebte er mehr als Sushi und Sonntagsschläfchen. Er war hier. Er wollte nur nicht, dass ich es weiß. Eine Rezeptionistin versuchte, mich in dem Moment abzufangen, als ich die glitternde Marmorlobby betrat. "Ma'am, Sie können nicht nach oben gehen ohne..." "Ich werde nicht lange dauern", sagte ich, umarmte meinen Regenschirm fester, meine Stimme war leise, aber fest. Ich habe nicht auf Erlaubnis gewartet. Ich brauchte es nicht. Ich drückte den Aufzugsknopf mit einem zitternden Finger und trat allein hinein. Die Fahrt zum Penthouse war unheimlich ruhig. Keine anderen Gäste. Keine Ablenkungen. Nur das leise Brummen des Aufzugs und der Sturm in meinem Kopf. Vielleicht ist er krank. Vielleicht braucht er nur Freiraum. Vielleicht gibt es eine Erklärung. Etwas, irgendetwas, das Sinn macht. Ich schloss meine Augen und holte tief Luft, um die schreienden Gedanken zum Schweigen zu bringen. Aber als die Türen mit einem sanften Ding aufrutschten, brach diese Hoffnung. Der Flur, der zur Penthouse-Suite führte, war dünz beleuchtet und mit einem weichen grauen Teppich ausgekleidet, der meine Schritte dämpfte. Ich brauchte keine Wegbeschreibung. Ich wusste, wohin ich gehen konnte. Suite 501. Der Raum, mit dem Evan immer prahlte. Die, die er buchte, wann immer er brauchte, um dem Lärm der Stadt zu "entfliehen". Er hatte mich einmal zu unserem einjährigen Jubiläum hierher gebracht. Rosenblätter. Kerzen. Mit Schokolade überzogene Erdbeeren. Wir hatten bis zum Sonnenaufgang Liebe gemacht. Damals hatte ich gedacht: So sieht die Ewigkeit aus. Jetzt zitterten meine Hände, als ich eine hob und sie sanft gegen die Tür drückte. Ich sagte mir, ich würde klopfen. Ich sagte mir, ich würde warten. Aber gerade als meine Fingerknöchel über dem Holz hobten, hielt mich ein Geräusch kalt. Ein leises Stöhnen. Mein Atem schluckte in meinem Hals. Ein weiteres Stöhnen. Lauter. Ausgezogen. Gefolgt von einer vertrauten Stimme, leise, atemlos, fast gebrochen vor Vergnügen. Evan. Mein Herz drehte sich. Nein. Nein. Nein. Nein. Nicht er. Nicht so. Meine Finger bewegten sich von selbst und drehten den Türgriff langsam. Ich hoffte halb, dass es verschlossen sein würde. Das war es nicht. Die Tür knarrte auf. Sie hatten es noch nicht einmal abgeschlossen. Was ich als nächstes sah, zerschmetterte etwas in mir, das nie wieder ganz sein würde. Da war er. Evan. Mein Evan. Ohne Hemd. Sein Körper krümmte sich über den eines anderen. Im Bett. Unser Bett, das gleiche Zimmer, in dem er einmal flüsterte, dass er mich mehr liebte als das Leben selbst. Ich habe nicht geatmet. Meine Füße waren auf den Boden geklebt. Mein Herz raste nicht mehr. Es fiel. Zerschmetternd. Implodieren in Zeitlupe. Ich blinzelte, in der Hoffnung, dass es ein Trick des Lichts war. Ein Albtraum. Etwas, von dem ich aufwachen könnte. Aber die Frau unter ihm drehte sich um und es war kein Traum. Blass. Schön auf eine kalte, scharfe Art. Langes silbriges Haar, das über das Kissen verschüttet wurde. Ihre Augen glänzten wie goldenes Feuer. Sie sah aus wie eine Göttin. Und sie sah selbstgefällig aus. Evans Augen weiteten sich, als er mich sah. Sein Atem fing in seiner Kehle fest, als ich dort stand, durchnässt vom Regen, meine dunklen Locken klammerten sich an meine Wangen und meine Augen weit vor Unglauben und Schmerz. Der Regenschirm glitt mir aus der Hand und stürzte schalllos auf den Boden. Er schaffte es kaum, die Bettdecke über seinen nackten Körper zu ziehen, stolperte aus dem Bett mit der Panik eines Mannes, der gerade mitten im Verbrechen erwischt worden war. "Cass.... Cassandra....“ stammte er, aber die Worte verschluckten sich in seiner Kehle. Die silberhaarige Frau im Bett machte sich nicht einmal die Mühe, sich zu bedecken. Sie grinste und stützete sich auf die Ellbogen, als würde sie einen besonders unterhaltsamen Film sehen. Ihre Augen, Gold und glitzernd vor grausamer Amüse, waren auf meine fixiert. Evan eilte nach vorne und packte meinen Arm. „Komm mit mir. Du solltest nicht hier sein.“ "Fass mich nicht an!" Ich zischte und versuchte, meinen Arm frei zu verschränken, aber sein Griff wurde fester. Panik schnürte seinen Gesichtsausdruck, als er mich so gut wie aus der Suite in den Flur zog, die Tür schlug hinter uns mit einem dummen Schlag zu. Die Luft draußen war kalt und steril, aber meine Haut brannte. Ich riss meinen Arm von ihm weg, meine Brust hob vor Schmerz und Verrat. "Was zum Teufel machst du hier?" Evan schnappte, zog eine Hand über sein Gesicht, die Bettdecke umklammerte sich unbeholfen um seine Hüften. „Du solltest nicht hier sein.“ Ich starrte ihn an. Meine Ohren klingelten, mein Verstand verwischte sich. Du solltest nicht hier sein? Das hatte er zu sagen? Nach allem? Das dachte ich nicht. Hat nicht gezögert. Meine Hand bewegte sich instinktiv. SCHLAGEN. Das Geräusch knackte durch den ruhigen Flur wie ein Donner. Evan taumelte leicht, ein roter Fleck blühte über seine Wange. Tränen strömten jetzt über mein Gesicht, das volle Gewicht dessen, was ich gesehen hatte, was er getan hatte, stürzte in erstickenden Wellen über mich. "Du Bastard", flüsterte ich, meine Stimme zitterte. "Wie konntest du mir das antun? Wie konntest du Evan?“
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