Ich war erst ein paar Schritte vorwärts gegangen, als ich langsame, bedächtige Schritte hinter mir hörte – und ich wusste instinktiv, wer es war.
„Serene.“
Sie war der Schatten, der immer wieder in den Ecken meines Lebens auftauchte, durch die Ritzen schlüpfte wie Gift, das in eine offene Wunde sickert. Ich konnte mir schon ihren selbstgefälligen Gesichtsausdruck vorstellen – immer so stolz, so sicher, dass sie unantastbar sei.
Und im Moment hatte ich nicht die Energie, mich darum zu kümmern.
„Na, ist das nicht interessant?“ Ihre Stimme, seidig und grausam, hallte in der leeren Halle wider. Ich blieb auf halbem Weg stehen, atmete leise und verärgert aus, bevor ich mich umdrehte, um ihrem Blick zu begegnen. Dylan, der immer noch wie erstarrt an der Stelle stand, an der ich ihn zurückgelassen hatte, stellte sich zwischen uns – sein Blick war scharf auf Serene gerichtet.
Sie trat aus der Dunkelheit hervor, ihr Kleid glatt und makellos, die Arme vor der Brust verschränkt, während sie langsam auf uns zuschritt. „Ich hätte nicht erwartet, euch beide hier zu sehen“, fügte sie hinzu, ihr Lächeln triefte vor Bosheit. „Fast wie in alten Zeiten.“
Ich unterdrückte die scharfe Erwiderung, die mir auf der Zunge lag, und legte den Kopf mit einem falschen Lächeln schief.
„Serene. Immer wieder ein Vergnügen.“
Ihre Augen verengten sich kurz, doch sie fing sich rasch und ließ ihren Blick mit unverhohlener Verachtung über mich gleiten, bevor sie sich an Dylan wandte.
„Ich bin überrascht, dass du hier immer noch deine Zeit vergeudest, Dylan“, sagte sie süßlich. „Du siehst doch, wie sie dich blamiert… uns blamiert… und alles, was du aufgebaut hast.“
Auch wenn ihre Worte beiläufig klangen, schmeckten sie wie Gift – und Dylans Schweigen schmerzte mehr, als ich zugeben wollte. Sein Gesichtsausdruck verhärtete sich, und die subtile Weichheit – der kleinste Riss, den ich zu sehen geglaubt hatte – verschwand, als hätte es sie nie gegeben.
Serene lächelte siegessicher, als hätte sie mir gerade ein Messer an die Kehle gesetzt.
„Man muss sie aber bewundern“, fügte sie mit gespielter Bewunderung hinzu. „Sie kommt hierher, spielt Verkleiden und stolziert herum, als gehöre sie ins Schloss der Könige. Ist das nicht entzückend?“
Ich ballte meine Fäuste, meine Nägel gruben sich in meine Handflächen – doch ich lächelte trotzdem. Sie wollte, dass ich reagiere. Dass ich mich verteidige. Dass ich mich erniedrige, wie ich es früher getan hatte. Aber dieses Spiel würde ich nicht mehr spielen.
„Vorsicht, Serene“, sagte ich sanft und begegnete ihrem Blick ohne zu zögern. „Eifersucht steht dir gar nicht.“
Ihre selbstgefällige Maske verrutschte für den Bruchteil einer Sekunde – doch dann mischte sich Dylan ein, seine Stimme ein leises Knurren, als er sich mir zuwandte.
„Hört auf damit. Ihr beide.“ Seine Augen bohrten sich in meine – dunkler, wütender und kälter als je zuvor.
„Ist es wahr?“ fragte er plötzlich.
Ich blinzelte. „Was soll wahr sein?“
„Alles“, sagte er. Seine Hände ballten sich zu Fäusten, seine Frustration flackerte um ihn wie ein Sturm.
„Du stehst hier und lässt dir von ihr Anschuldigungen an den Kopf werfen, als wäre es nichts. Du streitest es nicht einmal ab!“
Ich lachte leise, ohne jede Emotion, und sah ihn fast mitleidig an.
„Warum sollte ich etwas abstreiten, Dylan? Spielt es überhaupt eine Rolle, was ich sage? Du hast dein Urteil doch längst gefällt.“
In seinem Gesicht flackerte etwas auf – Frustration, vielleicht auch Verwirrung –, aber Serene stieß gleich darauf die Klinge tiefer.
„Natürlich wird sie es nicht leugnen. Sie kann es gar nicht, Dylan. Aber sie war schon immer gut darin, sich zu verstellen – wie ein Blutegel hinter einem hübschen Lächeln.“
„Vorsicht, Serene.“ Meine Stimme war schärfer geworden, die Kontrolle begann zu schwanken. Ich wandte meinen Blick zurück zu Dylan, mein Stolz ließ mich nicht wegsehen.
„Du bist ein Narr, wenn du ihr noch immer glaubst.“
Dylans Blick brannte sich in meine Haut – unerbittlich, voller Abscheu.
„Was machst du wirklich hier, Chloe?“ fragte er hart. „Bist du hier, um dir einzureden, dass du hierhergehörst? Um dich selbst, deine Familie – mein Rudel – in den Dreck zu ziehen?“
Ich hielt inne. Mein Kopf zuckte leicht zurück, als hätte er mir eine Ohrfeige verpasst.
Mein Rudel.
Die Art, wie er das sagte – als wäre ich etwas, das man von seinen Schuhen abkratzen müsste –, schmerzte mehr, als ich je zugeben würde.
Er trat näher, seine hoch aufragende Gestalt umhüllte meine, wie früher – aber diesmal wich ich nicht zurück.
„Du solltest nicht hier sein“, sagte er mit zusammengebissenen Zähnen. „Du machst dich lächerlich. Komm mit – sofort.“
Ich starrte ihn an, für einen Moment sprachlos, schockiert von seiner Dreistigkeit.
Dann lachte ich – langsam, spöttisch, ein Lachen, das durch die Halle hallte.
„Ist das dein Ernst?“ fragte ich ungläubig und schüttelte den Kopf.
„Du glaubst, du kannst mir Befehle erteilen? Glaubst, du hast noch irgendwelche Rechte an mir?“
Ich trat einen Schritt zurück, voller gespielter Bewunderung.
„Armer Dylan. Ist dein Ego so zerbrechlich, oder hast du dir eingeredet, du würdest mir noch etwas bedeuten?“
„Treib es nicht zu weit, Chloe“, knurrte er, seine Stimme kalt wie Eis, seine Wut kaum gezügelt.
„Oder was?“ schnappte ich zurück, meine Wut spiegelte seine. „Was willst du tun, Alpha? Mich zurück in dein Rudel zerren? Mich wieder an dich ketten – wie all die Jahre davor? Mich einsperren, während du dein Herz an sie verschenkst?“
Dylans Augen loderten, sein Gesicht war eine Mischung aus Wut und Enttäuschung. Aber es kümmerte mich nicht mehr.
Ich richtete mich auf, hob das Kinn und sammelte all meine Kraft.
„Du bedeutest mir nichts, Dylan“, sagte ich klar. „Nichts als ein bitterer Fehler und eine schmerzhafte Lektion, die ich nie wiederholen werde.“
Serene ließ ein belustigtes Schnauben hören, sagte aber nichts.
Dylans Schultern waren steif, seine Hände zitterten.
Ohne ihn noch einmal anzusehen, drehte ich mich um und ging.
Meine Absätze hallten auf dem Boden, als ich den Gang verließ – erhobenen Hauptes.
Sie konnten ersticken an ihren Anschuldigungen.
Sie konnten sich suhlen in ihrer Selbstgerechtigkeit.
Aber ich würde mich nicht mehr beugen – nicht jetzt, nicht jemals.
Die schwere Stille lag wie Blei in der Luft, als ich das Ende des Flurs erreichte.
Doch bevor ich ganz in der Dunkelheit verschwand, hörte ich Dylans Stimme – leise, wütend, rau.
„Es ist noch nicht vorbei, Chloe.“
„Das werden wir ja sehen.“ sagte ich, ohne mich umzudrehen, und zwang mich, nicht zu zittern, als seine Worte in der Halle nachhallten.