KAPITEL DREI

2020 Words
KAPITEL DREI Duncan fühlte die Luft an sich vorbeiströmen, als er bei Sonnenuntergang am Seil die majestätischen Gipfel von Kos hinabglitt. Er hielt sich gut an dem Strick und an seinem lieben Leben fest, als er schneller als er es jemals für möglich gehalten hatte, das Seil hinabrutschte. Um ihn herum glitten auch all die anderen Männer hinab– Anvin und Arthfael, Seavig, Kavos, Bramthos und Tausende andere. Duncans, Seavigs und Kavos Männer hatten sich zu einer Armee vereint. Sie alle glitten gemeinsam das Eis in Reihen hinunter, eine gut disziplinierte Armee übereinander hinwegspringend, um so schnell wie möglich den langersehnten Boden zu erreichen, ohne vorher entdeckt zu werden. Immer wenn Duncans Füße das Eis berührten, stoß er sich direkt wieder ab, immer weiter hinabgleitend und nur die dicken Handschuhe, die Kavos ihm geschenkt hatte, schützten seine Hände davor zerfetzt zu werden. Duncan staunte, wie schnell sich seine Armee bewegte, alle stürzten sich in fast freiem Fall die Klippe hinunter. Als er oben auf Kos stand, hatte er keine Idee gehabt, wie Kavos es schaffen wollte, eine Armee in dieser Größe so schnell und ohne Verluste den Berg hinunterzubringen; er hatte nicht gewusst, dass sie über ein so großes Repertoire an Seilen und Eispickeln verfügten, die sie so sanft den Berg hinunterbringen würden. Diese Männer waren fürs Eis gemacht und dieses blitzschnelle Abseilen war wie eine normale Wanderung für sie. Er verstand nun endlich was sie damit meinten, als sie sagten, dass nicht die Männer von Kos hier oben gefangen waren– sondern die Pandesier, diejenigen waren, die unten eingekesselt waren. Kavos landete mit beiden Füßen auf einem breiten und ausgedehnten Plateau, welches aus dem Berg hervorstand und blieb auf einmal abrupt Stehen. Auch Duncan stoppte neben ihm, die anderen Männer taten es ihm gleich und alle legten eine kurze Pause auf der Hälfte des Berges ein. Kavos ging zum Rand des Plateaus und Duncan folgte ihm, über die Klippe lehnend sah er die vielen Seile unter ihnen baumeln, und durch den Nebel und die letzten Strahlen der Sonne hindurch konnte Duncan sehen wie sich am Fuß des Berges eine pandesische Garnison mit Tausenden von Soldaten ausdehnte. Duncan sah zu Kavos hinüber und Kavos schaute zurück. Es lag Freude in seinen Augen. Es war eine Begeisterung, die Duncan bereits viele Male im Leben gesehen hatte: Die Ekstase eines wahren Krieges der in den Krieg zog. Es war das, wofür Männer wie Kavos lebten. Duncan musste zugeben, dass auch er selbst es spürte, dieses Kribbeln in den Venen und die Enge in der Magengegend. Beim Anblick dieser Pandesier freute auch er sich, so wie sein Nebenmann, auf die Aufregung des kommenden Kampfes. „Du hättest überall hinuntergehen können“, sagte Duncan die Landschaft unter ihnen betrachtend. „Der Großteil ist nicht bevölkert. Wir hätten die Konfrontation vermeiden und direkt in die Hauptstadt ziehen können. Dennoch hast du den Ort ausgesucht, wo die Pandesier am stärksten sind.“ Kavos lächelte breit. „Ja, das habe ich”, antwortete er. „Kavos Männer vermeiden die Konfrontation nicht – wir suchen sie.“ Und er grinste noch weiter. „Außerdem“, fügte er hinzu, „ein früher Kampf wird uns für den Marsch zur Hauptstadt aufwärmen. Und ich möchte, dass die Pandesier beim nächsten Mal zweimal darüber nachdenken, wenn sie sich dafür entscheiden den Fuß unseres Berges zu umzingeln.“ Kavos drehte sich um und nickte seinem Kommandanten, Brahmtos, zu. Brahmtos versammelte alle Männer und folgte Kavos und alle zusammen machten sich an die Arbeit einen riesigen Eisbrocken an die Ecke der Klippe zu schieben. Alle zusammen, wie ein einziger Mann, lehnten sie ihre Schultern dagegen. Duncan erkannte, was sie taten und nickte Anvin und Arthfael zu, die auch ihre Männer versammelten. Und auch Seavig und seine Männer kamen zur Hilfe und wie eine einzige Kraft, schoben sie gemeinsam. Duncan grub seine Füße in das Eis und drückte, angestrengt unter dem Gewicht, auf dem Eis rutschend, drückte er mit aller Kraft, so fest er konnte. Alle ächzten und langsam fing der massive Eisbrocken an zu rollen. „Ein Willkommens-Geschenk?“ fragte Duncan lächelnd und grunzend neben Kavos. Kavos grinste zurück. „Nur ein kleines Etwas um unsere Ankunft zu verkünden.“ Einen kurzen Moment später fühlte er Erleichterung als der Stein nachgab, er hörte das Eis krachen und schaute ehrfürchtig zu, als der Brocken über den Rand des Plateaus rollte. Er trat schnell mit den anderen zurück, als der Felsbrocken mit Vollgeschwindigkeit, immer schneller rollend über die Eiswand geschleudert wurde, und weiter an Geschwindigkeit gewann. Der riesige Eisbrocken hatte einen Durchmesser von neun Metern und stürzte gerade, wie ein Engel des Todes, auf die pandesische Festung hinab. Duncan bereitete sich auf die Explosion vor, all diese Soldaten da unten waren unwissende, wartende Ziele. Der Eisbrocken schlug in der Mitte der Steinfestung ein und der Aufprall war stärker als alles, was Duncan bisher in seinem Leben gehört hatte. Es war, als ob ein Komet in Escalon eingeschlagen wäre, das Echo des Donners war so laut, dass er sich die Ohren zuhalten musste, der Boden bebte unter ihm und ließ ihn straucheln. Eine riesige Staub- und Eiswolke erhob sich mehrere Meter hoch und die Luft wurde sogar hier oben von den erschrockenen Schreien der Männer erfüllt. Die Hälfte der Garnison war durch den Aufprall zerstört worden und der Eisbrocken rollte weiter, zerquetschte Männer, planierte Häuser und hinterließ eine Spur der Zerstörung und des Chaos. „MÄNNER VON KOS!” rief Kavos. „Wer hat es gewagt sich unserem Berg anzunähern? Es ertönte ein lautes Rufen, als sich seine tausend Krieger auf einmal nach vorne bewegten und über den Rand der Klippe sprangen, Kavos folgend, ergriffen sie alle die Seile und seilten sich so schnell ab, so dass sie praktisch im freien Fall den Berg hinunter fielen. Duncan folgte mit seinen Männern, auch sie sprangen alle, die Seile ergreifend und ließen sich so schnell herab, dass er kaum atmen konnte; er war davon überzeugt sich den Hals bei diesem Stoß zu brechen. Sekunden später landete er hart am Fuß des Berges, hunderte von Metern weiter unten, in einer riesigen Wolke aus Eis und Staub, das Grollen hallte immer noch von dem rollenden Felsbrocken nach. Alle Männer drehten sich um, stellten sich vor die Festung und ließen ein riesiges Kampf Geschrei ertönen als sie ihre Schwerter zogen und sich kopfüber in das Chaos des pandesischen Lagers stürzten. Die immer noch von der Explosion benommenen pandesischen Soldaten, sahen mit geschockten Gesichtern auf die Armee, die sich formierte; damit hatten sie definitiv nicht gerechnet. Betäubt, ohne Schutz und mit ihren, vom Brocken zerquetschten, toten Kommandanten, vor ihnen liegend, erschienen sie zu verwirrt um auch nur einen klaren Gedanken fassen zu können. Als Duncan und Kavos und ihre Männer sich ihnen annäherten, drehten sich einige um und liefen weg. Andere versuchten ihre Schwerter zu ziehen, doch Duncan und seine Männer fielen wie Heuschrecken über sie her und erstachen sie, bevor sie auch nur eine Chance hatten zu zustechen. Duncan und seine Männer stürzten durch das Lager, niemals zögerten sie, denn sie wussten das Zeit die Essenz des ganzen Angriffs war und so schlugen sie die sich erholenden Soldaten auf jeder Seite nieder, der Spur der Zerstörung, die vom Felsbrocken zurückgelassen wurde, folgend. Duncan schlug in jede Richtung, er stach einem Soldaten in die Brust, einem anderen schmetterte er den Griff seines Schwertes ins Gesicht, einen weiteren trat er um, und sofort duckte er sich und stoß mit seiner Schulter gegen den Nächsten als dieser seinen Kopf mit einer Axt einschlagen wollte. Duncan hielt nicht inne, er schlug jeden nieder, der sich in seinen Weg stellte, schwer atmend, wusste er, dass die anderen immer noch in der Überzahl waren und dass er so viele so schnell wie möglich töten musste. Neben ihm schlossen sich Anvin, Arthfael und seine Männer an, jeder von ihnen deckte den Rücken des anderen, jeder von ihnen kämpfte sich vorwärts und stieß und verteidigte in jede Richtung während das Kriegsgeräusch die Garnison erfüllte. In diesem unübersichtlichen Kampf verwickelt, wusste Duncan, dass es schlauer gewesen wäre die Kraft seiner Männer zu sparen und diese Konfrontation zu vermeiden und direkt nach Andros zu ziehen. Aber er wusste auch das es Ehre war, die die Männer von Kos zwang diesen Kampf zu kämpfen und er verstand wie sie fühlten; die klügste Vorgehensweise war nicht immer die, die die Herzen der Männer bewegte. Sie bewegten sich mit Geschwindigkeit und Disziplin durch das Lager, die Pandesier waren so verwirrt, dass sie kaum in der Lage waren eine organisierte Verteidigung aufzubauen. Jedes Mal wenn ein Kommandant auftauchte oder sich eine Formation bildete, zerschlugen Duncan und seine Männer diese. Duncan und seine Männer rauschten wie ein Sturm durch die Garnison und nachdem gerade erst eine Stunde vergangen war, stand Duncan endlich dort am Ende des Forts in jede Richtung blickend, realisierend, blutüberströmt, dass niemand mehr zum Töten da war. Er stand dort, schwer atmend, als die Dämmerung einfiel und der Nebel über die Berge zog. Alles war unheimlich still. Die Garnison war ihre. Als die Männer sich dessen bewusst wurden, stießen sie einen spontanen Freudenruf aus, und Duncan stand dort, Anvin, Arthfael, Seavig, Kavos und Bramthos kamen zu ihm rüber, wischten das Blut von seiner Klinge und seiner Rüstung und nahmen alles um sich herum auf. Er nahm eine Wunde auf Kavos Arm wahr, Blut sickerte durch. „Du bist verwundet“, er zeigte auf Kavos, der es nicht zu merken schien. Kavos schaute nach unten und zuckte mit den Schultern. Dann lächelte er. „Ein Schönheitskratzer“, antwortete er. Duncan betrachtete das Schlachtfeld, so viele tote Männer, die meisten waren Pandesier, aber es waren auch einige seiner Männer. Dann schaute er nach oben, auf die eisigen Berge von Kos, die über ihnen aufragten und in den Wolken verschwanden, verblüfft darüber wie hoch sie geklettert waren und wie schnell sie hinuntergekommen waren. Es war ein Blitzangriff gewesen – wie der Tod, der vom Himmel regnet – und es hatte funktioniert. Die pandesische Garnison, die Stunden zuvor noch so unverwundbar erschien, war nun ihre, nichts als eine besiegte Ruine, mit all ihren Männern in Blutlachen, tot in der Abenddämmerung liegend. Es war surreal. Die Krieger von Kos verschonten niemanden, hatten keine Gnade walten lassen und waren eine unaufhaltsame Kraft gewesen. Duncan fühlte neuerlangten Respekt für sie. Sie würden entscheidende Partner bei der Befreiung Escalons sein. Kavos ebenfalls schwer atmend, betrachtete die Leichen. „Das ist es, was ich einen Ausstiegsplan nenne”, antwortete er. Duncan sah ihn grinsen als er die feindlichen Körper betrachtete und ihre Männer den Tod von ihren Waffen abstreiften. Duncan nickte. „Und ein guter Ausgang war es“, antwortete er. Duncan drehte sich um und schaute nach Westen, vorbei an der Garnison, in Richtung der untergehenden Sonne und eine Bewegung verfing sich in seinem Auge. Er blinzelte und sah etwas, dass sein Herz mit Wärme erfüllte, einen Anblick, den er irgendwie erwartet hatte zu sehen. Dort, am Horizont stand sein Schlachtross. Es stand stolz vor seiner Herde, mit hunderten von Schlachtrössern hinter sich. Es hatte wie immer gespürt, wo Duncan war und hier stand es, treu auf ihn wartend. Duncans Herz machte einen Sprung, wissend das sein alter Freund seine Armee das letzte Stück des Weges bis in die Hauptstadt bringen würde. Duncan pfiff und als er dies tat, drehte sich sein Pferd um und lief in seine Richtung. Die anderen Pferde folgten, es ertönte ein lautes Dröhnen in der Dämmerung, als die Herde durch die schneebedeckte Ebene galoppierte und zu ihnen liefen. Kavos nickte bewundernd neben ihm. „Pferde”, bemerkte Kavos, ihr Näherkommen beobachtend. „Ich wäre nach Andros gelaufen.“ Duncan grinste. „Ich bin sicher, das wärst du, mein Freund.“ Duncan trat nach vorne als sich sein Pferd ihm näherte und streichelte die Mähne seines alten Freundes. Er bestieg ihn und als er dies tat, stiegen all seine Männer mit ihm auf, Tausende von ihnen, eine berittene Armee. Sie saßen dort, voll bewaffnet und starrten in die Dämmerung, nichts vor ihnen als schneebedeckte Ebenen, die in die Hauptstadt führten. Ein Sturm der Aufregung durchfuhr ihn als er spürte dass sie an der Schwelle standen. Er konnte es fühlen, konnte den Sieg in der Luft riechen. Kavos hatte sie den Berg hinuntergebracht; jetzt war er dran. Duncan erhob sein Schwert und fühlte die Augen all seiner Männer, aller Armeen, auf ihn gerichtet. „MÄNNER!“, rief er. „Nach Andros!“ Sie alle ließen einen lautes Kampfgebrüll ertönen und folgten ihm in die Nacht, über das verschneite Flachland, darauf vorbereitet nicht anzuhalten bis sie die Hauptstadt erreicht und den größten Kampf ihres Lebens gefochten hatten.
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