Kapitel Fünf
Sofias Perspektive
Ich erreichte den Palast mit Hilfe des unerwünschten Leibwächters, den mir mein erzwungener Ehemann zugeteilt hatte – etwas, das ich immer noch kaum glauben konnte.
Als ich mich umsah, war ich überwältigt von der atemberaubenden Schönheit des Anwesens. Ich fragte mich unwillkürlich, ob hier wirklich Menschen lebten oder vielleicht Engel.
Viele Arbeiter gingen geschäftig hin und her. Zwei Dienstmädchen kamen auf mich zu, lächelnd wie Hunde, die einen Knochen entdeckt hatten.
„Willkommen, unsere Luna“, sagten sie und senkten den Kopf. Ich öffnete den Mund und sah mich um, um sicherzugehen, dass sie mich nicht mit jemand anderem verwechselten.
Das große Mädchen, offenbar die Anführerin, nahm meine Hand, ohne mir die Gelegenheit zu geben, etwas zu sagen. „Ma’am, lassen Sie uns heute Abend Ihren Körper pflegen“, sagte sie mit einem strahlenden Lächeln, als wäre sie eine frisch verheiratete Braut.
„Eine schöne Prinzessin wie ich – wenn ich nicht schön wäre, würde ich wohl kaum wie ein Engel aussehen, der den Alpha dazu brachte, um meine Hand anzuhalten.“ Langsam wurde ich verlegen. „Es geht mir so gut“, sagte ich lächelnd.
Sie starrten mich jedoch weiter an, was mich zunehmend unwohl fühlen ließ.
Ich verstand nicht, warum sie immer noch dort standen, nachdem ich doch gesagt hatte, dass es mir gut ginge. „Sie müssen baden, Ma’am, und sich umziehen. Das ist unser Auftrag“, sagte sie respektvoll.
Ich sah an mir herunter, um zu prüfen, ob ich wirklich ein Bad nötig hatte – und stellte entsetzt fest, dass ich aussah wie ein verlassener Mops. „Oh, verstehe. Aber ich kann das selbst machen“, erwiderte ich stolz.
Keine Sorge – ich brauchte einfach etwas Selbstvertrauen.
Doch der Schock saß tief. Mir war nicht klar gewesen, wie schmutzig ich tatsächlich war.
Es musste vom Rennen durch den Wald kommen. Sofort schoss mir der Moment in den Kopf, als Evelyn und ich geflohen waren.
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Rückblende
Wir waren etwa eine Stunde durch den Wald gelaufen.
Schließlich erreichten wir eine Stelle und hielten an, um uns auszuruhen.
Ich war so erschöpft, dass ich zu Boden sank.
Evelyn eilte herbei, um mir aufzuhelfen, doch zu unserem Erstaunen fiel auch sie hin. „Alles in Ordnung mit dir?“ fragte sie besorgt.
Ich sagte nichts, starrte nur in ihr Gesicht. Trotz ihrer Erschöpfung wollte sie es nicht zeigen, um nicht schwach zu wirken. „Alles in Ordnung mit dir?“ fragte ich zurück, meinen Blick noch immer auf sie gerichtet.
„Mir geht es gut, wenn es dir gut geht“, erwiderte sie und nickte.
Ich stand auf, ließ sie am Boden zurück und wandte mich zum Gehen. „Aaah!“ rief ich plötzlich, als hätte ich mich verletzt.
Sofort sprang sie auf und kam zu mir gelaufen.
„Hab dich!“ sagte ich lachend.
Sie blieb einfach stehen und sah mich wortlos an – überrascht, dass ich lachte.
Aber was hätte ich sonst tun sollen?
Wir machten uns wieder auf den Weg, als wir plötzlich eine Stimme hörten.
Je näher sie kam, desto lauter wurde sie.
„Hast du das gehört?“ fragte Evelyn und sah sich kampfbereit um.
Der Boden begann zu beben, als würde er gleich aufbrechen.
„Hab keine Angst, ich beschütze dich“, sagte Evelyn.
Sie begann sich zu verwandeln, obwohl wir noch nicht wussten, was uns erwartete.
Wie aus dem Nichts erschien ein kleiner Junge vor uns. Er hatte nur ein großes Auge.
„Was macht ihr in meinem Königreich?“ fragte er wütend.
Evelyn und ich sahen uns an – und brachen in schallendes Gelächter aus.
Nicht seine Stimme, die klang, als würden tausend Menschen gleichzeitig sprechen, machte uns Angst, sondern seine geringe Größe – wie eine Ratte.
„Junger Mann, hast du dich verlaufen?“ fragte ich und legte ihm die Hand auf die Schulter.
„Aaaaaah!“ schrie ich plötzlich, als mein Rücken gegen einen gewaltigen Baum krachte. Ich fiel zu Boden, hielt mir den schmerzenden Rücken, während mir Blut aus dem Mund lief.
Plötzlich verwandelte sich der Junge in einen riesigen Giganten.
Selbst wenn alle Krieger des Rudels versammelt wären, hätten sie keine Chance gegen ihn.
„Wie kannst du es wagen, meine Freundin anzufassen!“ rief Evelyn wütend. Ich fragte mich, ob sie es tatsächlich noch mit ihm aufnehmen wollte, nachdem er sich verwandelt hatte.
Sie rannte auf ihn zu und verwandelte sich schließlich in ihre Wolfsform.
„Aaah!“ schrie sie, als das Monster sie traf und wie ein Stück Papier zu Boden schleuderte.
Doch sie gab nicht auf und kämpfte weiter.
Ich wünschte, ich könnte ihr helfen – vielleicht könnten wir ihn gemeinsam besiegen.
„Lauf, Sofia, lauf!“ rief Evelyn.
Das waren die letzten Worte, die ich von ihr hörte:
„Lauf! Er ist hier, um dich zu töten! Lauf einfach weiter und sieh dich nicht um!“
Also rannte ich, so schnell mich meine Beine tragen konnten.
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Ende der Rückblende
„Kommen Sie, Ma’am“, sagte das Dienstmädchen und ging voran.
Wie es sich gehörte, folgte ich ihr wie eine Prinzessin.
Nach ein paar Minuten sagte sie: „Gehen Sie hinein, Ma’am, Ihr Kleid liegt schon bereit.“ Sie öffnete die Tür.
„Danke, ihr könnt jetzt gehen“, sagte ich.
Nachdem ich mich umgezogen hatte, betrachtete ich mich im Spiegel – eine schöne, engelsgleiche Frau, die von ihrem Gefährten verstoßen worden war.
Immer wieder lief der Moment unserer Hochzeit in meinem Kopf ab. Wie konnte mein eigener Gefährte mich verraten?
Ich wusste nicht, warum er mich an unserem Hochzeitstag zurückgewiesen hatte oder weshalb jemand mir nach dem Leben trachtete.
Ich versuchte, mein Kleid zu schließen, doch meine Hand reichte nicht weit genug.
„Lassen Sie mich helfen“, sagte Adam, als er hereinkam.
Er hatte es geschafft, weil ich dummerweise vergessen hatte, die Tür abzuschließen. „Nicht nötig“, erwiderte ich.
Doch er trat einfach zu mir und half mir, meine Antwort ignorierend.
Anscheinend war er zu unhöflich, um zu begreifen, dass eine Frau manchmal Ruhe braucht. „Morgen wird ein großartiger Tag, wenn Sie meine Luna werden“, sagte er fröhlich – und löste damit nur Ekel in mir aus.
Ich schlug ihm ins Gesicht, und er fiel aufs Bett. Als ich hinausgehen wollte, trat ich auf mein Kleid und stürzte direkt auf seine Brust.