Kapitel Vier
»Hallo nochmal«, dröhnt Phobetor durch Coltons riesige Kehle. »Gertrude und ich haben eine Abmachung getroffen. Ich befreite sie von ihren Schlafproblemen, und im Gegenzug schloss sie die Schlafzimmer eurer Freunde auf.« Coltons Mund wölbt sich mit einem makaberen Grinsen. »Wie wäre es, wenn ihr auch einen Deal mit mir macht? Übergebt mir die Traumwandlerin, und ich lasse euch gehen.«
Valerian antwortet mit einer unhöflichen Geste – hoffentlich für alle sprechend –, und ich verenge meine Augen auf Gertrude. Die Frau kam einmal zu mir, um ihr Schlafproblem zu lösen, und ich konnte ihr nicht helfen. Sie hat manchmal Menschen mit ihrer Kraft getötet, wenn sie schlafwandelte, aber trotzdem war es keine gute Lösung, mit Phobetor zu arbeiten.
Eigentlich ist es eine ziemlich dumme.
Valerians Gedanken müssen in die gleiche Richtung gehen. »Verräterin«, murmelt er und starrt sie an. »Du wirst deinen Ratssitz deswegen verlieren.«
Gertrude schmunzelt. »Wer wird es ihnen sagen, wenn du tot bist?«
Seine Augen verengen sich, und Valerian schießt einen Bogen pulsierender roter Energie in Gertrudes Kopf.
Die Pupillen der Wundbrandüberträgerin weiten sich, und ihr Kopf schwenkt von Seite zu Seite, ihr Gesicht eine Maske des Grauens. Was auch immer Valerian gerade für sie geschaffen hat, es muss schlimm sein, denn sie schreit, als ob sie Schmerzen hätte.
Ist es falsch, dass ich einen Anflug von Freude über Gertrudes Unglück empfinde – oder Schadenfreude, wie Fabian es nennen würde?
»Ich nehme an, ihr kennt diese kunterbunte Mannschaft?«, fragt Rowan, unsere Gegner beobachtend.
»Das tun wir, und das ist das Problem.« Ich hole meine Pistole heraus und prüfe, ob sie immer noch auf einer nicht-tödlichen Einstellung steht. »Wir wollen ihnen nicht schaden.«
»Ich nehme es mit Colton auf«, knurrt Fabian. »Ein Riese kann ein paar Schläge einstecken.« Er verwandelt sich in seine Wolfsform, und seine Kleidung zerreißt dabei zu Konfetti. Mit einem Heulen stürzt er sich auf Colton.
»Ich werde helfen«, sagt Ariel und springt Fabian hinterher.
Dylan sagt nichts, sie folgt einfach Ariel und Fabian mit stockenden Schritten.
Alles geschieht fast auf einmal.
Chester rennt in Rowan, während Kit sich in einen Geparden verwandelt und in Felix’ Richtung springt. Itzel schießt eine Lichtkugel auf Chester, verfehlt ihn aber. Ich schieße mit meiner Pistole auf ihn und verfehle ihn auch. Itzel wirft einen weiteren Lichtball. Und verfehlt ihn wieder.
Verdammter Mist.
Chesters Glückskräfte müssen im Spiel sein.
Gut. Felix braucht auch Hilfe.
Ich schieße auf Kit, aber meine Füße heben vom Boden ab, und ich verfehle auch sie.
Verdammter Mist. Es kann nur einen Grund geben, warum ich außerhalb der Traumwelt fliege.
Ninas Telekinese.
Ich kann nicht glauben, dass mir das schon wieder passiert.
Innerhalb von Sekunden schwebe ich eineinhalb Meter über dem Boden. Ich kämpfe gegen die Übelkeit und drehe mich in der Luft, bis ich auf dem Kopf stehe – und sehe Gepard-Kit in der Mitte an Felix’ Kehle springen.
Ohne zu zielen, schieße ich zweimal.
Hoppla. Sowohl Felix als auch Kit fallen – aber wenigstens hat sie es zu keinem Zeitpunkt bis zu seiner Kehle geschafft.
Nina hebt mich noch einen halben Meter höher, und ich schlage verzweifelt um mich, aber ohne viel zu erreichen. Meine Atemzüge werden schneller. Ich glaube, ein Teil von mir hofft, dass ich mich auf magische Weise in einen Heliumballon verwandele, der weiterschwebt, wenn Nina mich unweigerlich loslässt.
Unter mir greift Ariel Coltons rechtes Bein, und Dylan macht dasselbe mit seinem linken.
Mit einem weiteren Heulen schlägt Fabian eine Pfote in den Solarplexus des Riesen.
Colton fällt mit einem lauten Knall.
Meine Erleichterung vermischt sich mit Sorge. Ich hoffe, Fabian hatte recht, und Colton kann das verkraften.
Meine Sorge vertieft sich, als Chester Rowan erreicht und sie mit einem Schlag seiner Rückhand ausknockt.
Nina hebt mich noch ein paar Meter höher. Während ich fliege, versuche ich, meinen Unterleib anzuspannen und mich zu drehen.
Strike.
Ich schaue in die Richtung, die ich will.
Ich richte meine Waffe auf Nina und gebe mein Bestes, nicht darüber nachzudenken, dass ich, sobald ich den Abzug drücke, stürzen werde.
Ich bezahle für mein Zögern. Durch einen telekinetischen Zug wird mir die Waffe aus der Hand gerissen, und einen Moment später zielt Nina damit auf mich.
Gertrude schreit nicht mehr, und ich sehe, wie Valerian seine Waffe auf Ninas Kopf richtet.
Nina bricht zusammen.
Valerian verschwimmt in einer Bewegung.
Ich falle wie die Granitstatue eines fettleibigen Elefanten.