GIOVANNIS PERSPEKTIVE
Die Männer stürmten auf mich zu. Mitchell versuchte, sie abzuwehren, doch einer schlug sie mit dem Kolben einer Waffe nieder. Bewusstlos sackte sie zu Boden.
„Bitte, lasst mich!“ schrie ich, zerrte und schlug um mich, doch ihre Hände hielten mich wie eiserne Fesseln.
Sie schleiften mich fort, als plötzlich mehrere Autos mit aufheulenden Motoren in den Hof rasten, die Scheinwerfer durchbrachen die Dunkelheit
Die Türen flogen auf, und Gray stieg aus, seine Männer strömten hinter ihm hervor.
Im selben Moment, als sie ihn erblickten, ließen die Männer mich los, als hätten sie der Blitz getroffen.
Taumelnd stolperte ich vorwärts – direkt in Grays Arme, bebend und außer Atem.
„Geht es dir gut?“ fragte er hastig, seine Stimme angespannt vor Sorge.
Ich schüttelte den Kopf, Tränen liefen mir über mein Gesicht.
„Sie… sie wollten mich mitnehmen“,stammelte ich und klammerte mich an ihn, als hinge mein Leben daran.
Gray zog mich fester an sich, seine Arme wie ein schützender Schild um mich gelegt.
„Ich bin jetzt hier“, murmelte er, hart und zugleich sanft. „Solange ich lebe, wird dich niemand anfassen.“
Bevor ich wieder zu Atem kam, durchdrang Herr Lucas scharfe Stimme die Luft.
„Gray, was glaubst du eigentlich, was du da tust?“ fragte er, kalt und voller Autorität.
„Bring sie hinein, Andrew“,befahl er einem seiner Männer.
„Ja, Sir“,erwiderte Andrew und trat vor. Zögernd ging ich voran, doch ich spürte Lucas Blick wie Feuer in meinem Rücken brennen. Wenn Blicke töten könnten, wäre ich längst begraben.
Hinter mir hallte Grays wütende Stimme: „Was hast du vor?“
„Wenn du deine Verlobung mit Stephanie ihretwegen aufs Spiel setzt“,spie HerrBlackwood verächtlich, „dann sorge ich selbst für ihren Tod.“
Mein Herz setzte einen Schlag aus. Wegrennen? Mich verstecken? Oder einfach stillstehen?
„Versuch’s doch“,konterte Gray furchtlos. „Ich habe ihre Familie bereits informiert. Es wird keine Verlobung geben. Tu, was du willst.“
„Du wagst es, dich mir zu widersetzen, Gray?“ brüllte sein Vater.
Grays Stimme senkte sich tief, tödlich: „Du bist schon mit genug davongekommen. Versuch noch einmal etwas – und ich sorge dafür, dass du bezahlst. Für alles. Auch für den Tod meiner Mutter.“
Diese Worte hallten in meinem Kopf wider, während ich das Haus betrat. Mein Herz raste.
Also… sein Vater hatte seine Mutter getötet?
****
Ich saß auf dem Bett und wartete auf Gray. Ich brauchte Antworten. Wenigstens sollte er mir sagen, woher er mich kannte. Vielleicht würde ich dann endlich verstehen.
Die Tür öffnete sich. Er war es.
Hastig stand ich auf.
„Hab ich dich warten lassen?“ fragte er.
Ich nickte kaum merklich.
Leise lächelte er, als er näherkam. „Es tut mir leid“, sagte er sanft.
„Schon gut. Aber… bitte sag mir, was das alles bedeutet. Woher kennst du mich?“ Meine Stimme blieb ruhig, doch mein Herz nicht.
„Du erinnerst dich wirklich nicht?“ fragte er, noch immer lächelnd.
Ich schüttelte den Kopf. Nein – wenn ich ihm begegnet wäre, hätte ich es gewusst.
„Ich erinnere mich an nichts“,gab ich zu. „Ich glaube nicht, dass ich dich jemals gesehen habe.“
Er atmete tief durch, zog mich an sich und flüsterte: „Sonic Scope Music Production.“
Meine Augen rissen sich auf.
„Sagt dir das etwas?“
Natürlich. Sonic Scope. Die Firma, bei der ich vor sieben Jahren aufgetreten war. Die Nacht, in der ich meinen Preis gewann – jene Erinnerung, die Eric vor Tagen zu zerstören versucht hatte.
„Ich kenne Sonic Scope“,,“ sagte ich scharf. „Aber was hat das mit dir zu tun?“
„Der Mann, den du damals an der Küchentür gerettet hast“,,“ erklärte er leise, „der wie versteinert dastand, als das Gas leckte und Feuer ausbrach… das war ich.“
Ich schnappte nach Luft. Das Bild schoss mir klar vor Augen.
„Wirklich?“ rief ich ungläubig.
„Gut, dass du dich erinnerst“,,“ sagte er sanft. „Ich habe dich seitdem gesucht. Dann hörte ich, du seist gestorben. Ich war sogar auf der Beerdigung, aber ich konnte nicht bleiben. Dich jetzt lebend zu sehen… ist mehr, als ich je erwartet hätte.“
„Ich war es nicht, die gestorben ist. Es war meine Zwillingsschwester“,,“ sagte ich und sah ihm fest in die Augen. Da war etwas – ein Ziehen, das ich nicht benennen konnte.
„Du hattest eine Zwillingsschwester?“ Seine Stimme war überrascht, gedämpft. „Hätte ich das gewusst, hätte ich nie aufgehört zu suchen.“
Ich schluckte. „Also… bist du nur hier, um Danke zu sagen?“
Er schüttelte den Kopf. „Nicht nur. Ich will dich kennenlernen. Wirklich kennenlernen.“
Mein Atem blieb stockend stehenstockte. „Wie meinst du das?“
„Es gab immer eine Mauer um mich“,,“ gestand er. „Aber seit jener Nacht, als du mich gerettet hast, ist sie zerbrochen. Ich konnte dich nicht vergessen. Ich will es auch nicht. Ich will versuchen… der Liebe eine Chance zu geben.“
Seine Worte trafen mich tief, doch ich zwang mich, nicht sofort dahin zu schmelzen. Männer hatten mich schon gewollt – aber nie so. War es echt? Oder nur eine weitere Illusion?
Unschlüssig, mit klopfendem Herzen, wandte ich den Blick ab.
„Gray…“ flüsterte ich, hin- und hergerissen. Mein Brustkorb füllte sich mit einer Wärme, die ich seit Jahren nicht gespürt hatte – doch die Angst krallte sich genauso fest. Ich wollte mich zu ihm lehnen, wollte ihn die Distanz schließen lassen, aber die Erinnerung an Mark brannte noch immer wie eine alte Narbe.
Bevor es weitergehen konnte, legte ich sanft meine Hand auf seine Brust – mein stilles „Nein“. Noch nicht.
Seine Augen flackerten, Sturm und Sanftheit zugleich. Einen Moment lang dachte ich, er würde drängen, doch stattdessen atmete er leise und nickte kaum merklich, trat einen Schritt zurück.
„Ich warte“,,“ sagte er schlicht. Kein Druck. Keine Forderung. Nur Geduld.
Zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, wirklich gesehen zu werden – nicht nur als das, was jemand von mir wollte. Und genau das machte mir noch mehr Angst.