Chapter 3

1276 Worte
Mirabellas Sicht Ich starrte auf die Reihen der Designerkleider, die mir viel zu extravagant erschienen. Rosa folgte mir mit einer Kaffeetasse in der Hand und murmelte ihre Meinung zu jedem Outfit, das ich probierte. „Zu schlicht. Zu auffällig. Zu pink.“ Sie grinste über meinen Blick nach ihrem letzten Kommentar. „Ich sage nur, Bella, du heiratest einen Mafiaboss und gibst keine Teeparty.“ „Ich habe nicht darum gebeten“, blaffte ich und hielt ein elegantes Satinkleid in Hellblau hoch. Es war wunderschön, aber nicht das Richtige für heute Abend. „Ich will ihn nicht beeindrucken.“ „Vielleicht nicht“, sagte sie und lehnte sich mit einem schelmischen Grinsen an den Spiegel, „aber du solltest trotzdem aussehen, als würdest du an seinen Arm gehören.“ Ich wollte widersprechen und sagen, dass es mir egal sei, an Alessandro Rossis Arm zu gehören. Aber das wäre gelogen gewesen. Ich machte mir zu viele Gedanken darüber, wie ich aussah, wie ich rüberkam. Nicht, weil ich seine Anerkennung wollte, sondern weil ich nicht als schwach gelten wollte. Ich hielt mir das Kleid vors Spiegelbild und betrachtete, wie der Stoff schimmerte. Könnte das die Rüstung sein, die ich heute Abend brauchte? „Weißt du“, begann Rosa, und ihr Ton wurde sanfter, als sie näher kam, „es ist okay, Angst zu haben.“ „Ich habe keine Angst“, log ich und wich ihrem Blick aus. Sie legte mir eine Hand auf den Arm und zwang mich, sie anzusehen. „Du musst mir gegenüber nichts vormachen, Bella. Du bist meine beste Freundin, und ich kann dich wie ein Buch lesen. Ich weiß, das ist nicht leicht. Aber du bist stark, und du hast schon Schlimmeres durchgemacht.“ Ihre Worte trafen mich etwas zu sehr, und ich schluckte den Kloß in meinem Hals hinunter. Rosa hatte recht, ich hatte schon Schlimmeres durchgemacht. Aber das hier war anders. Das war nichts, wovor ich weglaufen oder mich herauskämpfen konnte. Ich holte tief Luft und verdrängte die Angst so weit wie möglich. „Lass uns einfach das Kleid suchen und es hinter uns bringen.“ Sie nickte, und gemeinsam durchsuchten wir die Kleiderständer, bis ich es fand: ein langes, rosa Satinkleid, das meine Figur an den richtigen Stellen betonte. Es war elegant, ohne übertrieben zu wirken, und als ich es anzog, erkannte ich mich im Spiegel fast nicht wieder. „Perfekt“, sagte sie, und ihr Grinsen kehrte zurück. „Jetzt brauchst du nur noch diesen ‚Leg dich nicht mit mir an‘-Look, und schon bist du fertig.“ Ich brachte ein kleines Lächeln zustande, das allerdings nicht ganz bis in meine Augen reichte. An diesem Abend, als der Wagen vor dem Restaurant anhielt, wo ich Alessandro Rossi zum ersten Mal treffen sollte, waren meine Nerven blank. Ich hatte die ganze Fahrt damit verbracht, zu üben, was ich sagen und wie ich mich verhalten könnte, aber nichts davon fühlte sich real an. Mein Vater hatte auf dem neutralen Ambiente bestanden, einem gehobenen Restaurant, das von Männern wie ihm und Alessandro frequentiert wurde. „Du siehst wunderschön aus“, sagte Rosa neben mir und drückte mir beruhigend die Hand. Ich ärgerte mich, dass sie nicht mitkam, aber ich war dankbar, dass sie mir bis hierher gefolgt war. Ich nickte: „Danke.“ Als sich die Autotür öffnete, stieg ich aus und ballte die Faust. Es war Showtime. Drinnen begrüßte mich der Maître d’ mit einem Lächeln: „Miss De Luca, genau hier entlang.“ Ich folgte ihm durch das Restaurant und war mir jedes Augenpaar bewusst, das sich mir zuwandte. Dies war die Mafiawelt, eine Welt, in der der Schein mehr zählte als alles andere. Und heute Abend stand ich unter Beobachtung. Der Maître d’ blieb an einem privaten Tisch im hinteren Teil des Restaurants stehen, wo mein zukünftiger Ehemann wartete. Mein erster Gedanke war, dass die Fotos ihm nicht gerecht wurden. Er war … beeindruckend. Dunkelbraunes, zurückgekämmtes Haar, ein Kinn, das scharf genug war, um Glas zu schneiden, und whiskyfarbene Augen. Er trug einen maßgeschneiderten schwarzen Anzug, der wie eine zweite Haut saß und Macht und Selbstbeherrschung ausstrahlte. Aber es war nicht sein Aussehen, das mir den Atem stocken ließ. Es war seine Art zu gehen. Alessandro Rossi saß nicht nur am Tisch, er beherrschte ihn, als ob sich die Luft seinem Willen beugte. „Miss De Luca“, sagte er und stand auf, als ich näher kam. Seine Stimme war sanft, mit gerade genug Schärfe, um mich an die Gefahr zu erinnern, die er darstellte. „Mr. Rossi“, erwiderte ich und zwang mich, ihm in die Augen zu sehen. Er lächelte, doch sein Blick erreichte seine Augen nicht. „Alessandro“, korrigierte er. Ich nickte und setzte mich ihm gegenüber. Der Maître d’ verschwand und ließ uns allein. Einen Moment lang sprach keiner von uns. Er musterte mich, sein Blick intensiv und unverwandt, und ich widerstand dem Drang, unter seinem prüfenden Blick unruhig zu werden. „Du bist nervös“, sagte er schließlich, sein Tonfall fast belustigt. „Nein“, log ich und hob das Kinn. „Ich bin nur … am Verarbeiten.“ „Was verarbeiten?“ „Den Mann kennenzulernen, den ich anscheinend heiraten werde.“ Sein Lächeln wurde breiter, aber es war nicht freundlich. „Ach ja. Der Deal.“ Die Art, wie er es sagte, ließ mich kribbeln, als würde er sich über die bloße Idee unserer Vereinbarung lustig machen. „Ist das alles für dich?“, fragte ich. „Ein Deal?“ Sein Gesichtsausdruck blieb unverändert. „Was sollte es denn sonst sein?“ Ich wollte gerade antworten, hielt mich aber zurück. Was sollte es denn sonst sein? Liebe? Partnerschaft? Nein, das waren Märchen, und Alessandro Rossi schien nicht der Typ zu sein, der daran glaubte. „Schon gut“, sagte ich leise und griff nach dem Wasserglas vor mir. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück, ohne mich aus den Augen zu lassen. „Ich habe viel über dich gehört, Mirabella. Dein Vater spricht in den höchsten Tönen von dir.“ „Das ist überraschend“, sagte ich, bevor ich mich zurückhalten konnte. Er hob eine Augenbraue, sein Interesse war geweckt. „Ach ja?“ Ich zögerte, als mir klar wurde, dass ich schon zu viel gesagt hatte. „Sagen wir einfach, mein Vater und ich sind nicht immer einer Meinung.“ Er grinste, als fände er meinen Trotz unterhaltsam. „Du wirst feststellen, dass das ein weit verbreitetes Thema in dieser Welt ist.“ Ich wollte fragen, was er meinte, aber etwas in seinem Tonfall riet mir davon ab. Stattdessen nahm ich noch einen Schluck Wasser, um meine Nerven zu beruhigen. „Du bist nicht, was ich erwartet habe“, sagte er nach einem Moment. „Und was hast du erwartet?“ Seine Augen verengten sich, und zum ersten Mal verschwand sein Lächeln. „Jemand, der … nachgiebiger ist.“ Ich sträubte mich gegen das Wort, behielt aber meinen neutralen Gesichtsausdruck. „Tut mir leid, dich zu enttäuschen.“ Sein Lächeln kehrte zurück, diesmal kälter. „Oh, du hast mich nicht enttäuscht, Mirabella. Noch nicht.“ Die Art, wie er es sagte, jagte mir einen Schauer über den Rücken. Dieser Mann war gefährlich, nicht nur wegen seiner Person, sondern auch wegen der Art, wie er mir mit wenigen Worten unter die Haut gehen konnte. „Das freut mich“, sagte ich kühl. Er kicherte. „Ich habe gehört, du bist ein Läufer, aber jetzt, wo wir uns kennengelernt haben, gibt es keinen Ort, an dem du nicht fliehen könntest.“ Ich versteifte mich.
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