KAPITEL DREIZEHN
Irinas Sicht
Mein ganzer Körper fühlte sich an wie aus Stein. Ich war so müde. Die Angst hatte mir alle Kraft geraubt. Aber ich weigerte mich, neben ihm zu schlafen.
So stand ich gefühlt ewig an der Glaswand und starrte auf das dunkle Wasser draußen. Meine Beine begannen zu schmerzen, aber das war mir egal. Es war besser, als in diesem Bett zu liegen.
Ich drehte mich um und sah ihn an. Im Dämmerlicht sah er Dimitri so ähnlich, und der Anblick schmerzte mich zutiefst.
Aber er war nicht Dimitri. Er war ein Monster.
Er schlief tief und fest. Ich beobachtete, wie sich sein Brustkorb gleichmäßig hob und senkte.
Und ein winziger Funke Hoffnung keimte in mir auf. Vielleicht konnte ich entkommen. Vielleicht fand ich ein anderes Zimmer zum Schlafen, einen Schrank, irgendetwas.
Langsam wandte ich mich vom Fenster ab. Der Teppich war weich unter meinen nackten Füßen. Ich machte einen Schritt. Dann noch einen. Ich gab keinen Laut von mir. Meine Augen waren auf die Schlafzimmertür gerichtet. Sie schien so weit weg.
Wenn ich es nur bis zur Tür schaffen könnte. Wenn ich nur hier rauskommen könnte.
Mein Herz raste so schnell, dass ich dachte, es würde mir aus der Brust springen. Endlich erreichte ich die Tür. Meine Hand zitterte, als ich nach dem Metallgriff griff. Er war kalt in meiner Handfläche.
Ich drehte den Griff leise. Ich war fast da.
Dann fiel ein Schatten auf mich.
Ich erstarrte. Mir stockte der Atem.
Langsam drehte ich den Kopf.
„Ah!“, schrie ich und taumelte gegen die Tür.
Alexei stand direkt hinter mir. Seine Brust war nackt. Seine grünen Augen waren weit aufgerissen und blickten mich direkt an. Er schlief kein bisschen. Er hatte mich die ganze Zeit beobachtet.
Er sagte kein Wort. Sein Gesicht war ausdruckslos. Er bückte sich einfach und hob mich hoch, als wäre ich eine Stoffpuppe.
„Nein! Lass mich los! Leg mich runter!“ Ich schrie. Ich strampelte mit den Beinen und schlug ihm mit den Fäusten gegen die Brust. „Du Tier! Lass mich runter!“
Es war sinnlos. Er war zu stark. Er trug mich zurück zum Bett, als wäre ich nichts. Er legte mich auf die weiche Matratze. Er war nicht grob, aber auch nicht sanft.
Ich starrte ihn wütend an, mein Atem ging stoßweise. Ich war so wütend und so verängstigt, dass ich kein Wort herausbrachte.
Er zog die Decke hoch und legte sie mir um die Schultern. Die Geste wirkte so normal, so fürsorglich, aber sie fühlte sich völlig falsch an.
„Schlaf“, sagte er. Seine Stimme war leise.
Diese sanfte Stimme ängstigte mich mehr als sein Geschrei es je hätte tun können.
„Monster“, flüsterte ich. Das Wort war schwach, aber es war alles, was ich sagen konnte.
Er sah mich nur an, und ein langsames, kaltes Lächeln erschien auf seinem Gesicht. Es war ein schreckliches Lächeln, das seine Augen nicht erreichte.
„Ich weiß“, sagte er mit tiefer Stimme.
Dann ging er auf die andere Seite des Bettes und legte sich hinein. Ich lag da, steif wie ein Brett. Ich spürte die Wärme seines Körpers neben meinem. Lange Zeit schloss ich die Augen nicht. Ich starrte einfach an die Decke und lauschte dem Rauschen der Wellen und seinem Atem.
Als ich die Augen öffnete, schien die Sonne. Einen Moment lang wusste ich nicht mehr, wo ich war. Dann erinnerte ich mich.
Ich drehte den Kopf. Die andere Seite des Bettes war leer. Das Kissen hatte noch immer die Delle von seinem Kopf.
Er war weg.
Eine Welle der Erleichterung überkam mich. Ich setzte mich schnell auf. Mein Körper war noch müde, aber mein Geist war hellwach. Das war meine Chance. Ich konnte nach einem Telefon suchen. Eine Möglichkeit, Dimitri anzurufen. Oder einen Weg zur Flucht finden.
Ich schwang die Beine aus dem Bett. Meine Füße berührten den weichen Teppich, und ich machte einen Schritt auf die Tür zu.
Die Schlafzimmertür öffnete sich.
Und ich erstarrte.
War er schon zurück?
Sechs Frauen traten schweigend ein, eine nach der anderen. Sie trugen alle die gleichen schlichten grauen Kleider. Vor mir blieben sie stehen und senkten gemeinsam die Köpfe.
Ich starrte sie an, Verwirrung spiegelte sich in meinem Gesicht.
Die Frau vor mir sprach: „Guten Morgen, gnädige Frau. Der Pakhan hat uns befohlen, uns um Sie zu kümmern.“
Ich starrte sie an, verständnislos. „Mich kümmern?“
„Ja, gnädige Frau“, sagte sie. „Wir werden Sie baden, anziehen und dafür sorgen, dass Sie es bequem haben. Wir werden uns um Sie kümmern, bis das Baby da ist.“
Ich sah in ihre ernsten Gesichter. Ich sah in das elegante Zimmer. Und plötzlich erschien mir alles so lächerlich und so verrückt.
Ich brach in schallendes Gelächter aus. Ich lachte und lachte, bis mir die Tränen über die Wangen liefen. Ich konnte nicht aufhören.
Die Frauen sahen sich verwirrt und besorgt an.
„Diese Unverschämtheit!“, brachte ich schließlich hervor und wischte mir die Augen. „Wer sagt denn, dass ich hier bleibe, bis ich entbinde? Wer sagt denn, dass ich eure Hilfe will? Geht und sagt eurem Pakhan, er soll sich den Arsch lecken!“
Meine Stimme war jetzt laut, voller Wut. „Raus! Alle! Verschwindet sofort!“
Die Frauen sahen verängstigt aus. Sie wichen zur Tür zurück.
Doch dann öffnete sich die Tür erneut.
Alexei stand da. Er trug einen schwarzen Anzug und sah gepflegt und makellos aus. Sein Blick wanderte von meinem wütenden, tränenüberströmten Gesicht zu den Frauen, die gehen wollten.
Seine Stimme war ruhig, aber hart wie Stahl. „Ich habe ihnen die Befehle gegeben.“ Er sah nur mich an. „Du wirst gehorchen“, sagte er.
Mein Mut schwand augenblicklich, und Angst trat an seine Stelle. „Oder was?“, flüsterte ich.
Er trat in den Raum. Seine grünen Augen waren dunkel und ernst.
„Oder ich bade dich selbst“, sagte er leise. „Und ich verspreche dir, Irina, was danach passiert, wird dir nicht gefallen.“
Mein Gesicht glühte vor Scham. Mir wurde eiskalt. Ich verstand seine Drohung vollkommen. Ich hatte keine Wahl. Absolut keine.
Ich senkte den Blick. Der Kampfgeist war wie weggeblasen.
„Psychopath“, zischte ich mit zitternder Stimme.
Er reagierte nicht. Er sah nur zu, wie ich mit gesenktem Kopf an ihm vorbeiging und den sechs Frauen ins Badezimmer folgte.
Ich sagte kein Wort, während sie mich badeten. Ich sagte kein Wort, als sie mich mit einer süß duftenden Lotion einrieben. Ich sagte kein Wort, als sie mir in ein wunderschönes, blaues Seidenkleid halfen. Es war teuer und fühlte sich weich auf meiner Haut an, aber es fühlte sich an wie eine Gefängnisuniform.
Als sie fertig waren, führten sie mich aus dem Zimmer. Wir gingen durch die hellen, weißen Flure. Das Haus war riesig und still. Alles war modern und teuer, aber es wirkte kalt und leer.
Sie brachten mich in einen großen Speisesaal. Die gesamte Wand bestand aus Fenstern und bot einen atemberaubend schönen Blick aufs Meer. Das Wasser war blau und schien endlos. Kein Land in Sicht. Kein Entkommen.
Alexei war schon da. Er saß am Kopfende eines langen, glänzenden Holztisches. Er trug einen schwarzen Anzug und las Zeitung. Neben ihm dampfte eine Tasse Kaffee.
Er sah auf, als ich hereinkam. Er lächelte nicht. Er musterte mich nur mit seinen kühlen grünen Augen.
Ich biss mir auf die Lippen, bis ich Blut schmeckte.
Wie soll ich mit diesem Mistkerl umgehen, ohne an Dmitri zu denken?
Das war Folter.
Er deutete auf den Stuhl neben sich.
„Komm, Irina“, sagte er. Seine Stimme war neutral, als spräche er über das Wetter. „Lass uns frühstücken.“