Szene 19

1446 Worte
Er starrte an die Wand. Sie war weiß und rein. Wie sehr wollte er sie beschmieren und ihr so diese Absolutheit nehmen. Er wusste seit Tagen nicht mehr, wie er sich fühlen sollte. Seit dem Moment, als man ihm den Tod seines Zellengenossen mitgeteilt hatte, war dort nichts mehr. Nur eine große Leere, die alles andere verschlang. Jeden Gedanken und jede Emotion, die auch nur wagten empor zu kommen. Er wurde saß jetzt in einer Einzelzelle. Mit der Verlegung hatte man ihm auch einen Brandstempel verpasst, um zu signalisieren, dass er andere zum Ausbruch anstiftete. Die Zelle war so klein, dass er sich kaum bewegen konnte. Seine Toilette stand direkt neben seinem Bett und er wusste, dass er nun viel weiter im Inneren des Gebäudekomplexes war. Als würde man verhindern wollen, dass er befreit wurde oder gar selber den Versuch startete. Aber er hatte schon lange aufgegeben dies selbst zu wagen. Er hoffte auf die vereinzelten Frauen, die dort draußen waren und vielleicht für sie kämpften. So wie die Familie von damals. Er versuchte sich an die Bilder ihrer Gesichter zu erinnern, doch sie verschwammen immer wieder. Egal, wie sehr er sich anstrengte, er konnte sie nicht erfassen und selbst bei dem Mädchen, das er so sehr geliebt hatte, existierten nur noch die braunen Haare. Verzweifelt ließ er seinen Kopf zurück in den Nacken fallen und lehnte ihn so gegen die kalte Wand, während er weiter seine Augen geschlossen hielt. Diese Stille machte ihn wahnsinnig. Er musste mit jemanden reden, doch hier war niemand. Zumindest glaubte er das, aber sicher war er sich da nicht. Vielleicht war er ja doch nicht der Einzige hier, doch er wagte es nicht seine Stimme zu erheben. Aus Angst vor der Strafe, die ihm dafür blühen konnte. Alleine bei dem Gedanken daran begannen seine Hände zu zittern. Plötzlich ging eine Tür auf und er hörte die Schritte von den schweren Stiefeln. Eine Wächterin kam. Vielleicht sogar zwei. Wahrscheinlich sogar zwei. War es schon wieder so weit? Warum? Wieso wollten so viele Frauen sein Sperma? Die Schritte stoppten vor seiner Zellentür, doch er öffnete die Augen nicht. Klammerte sich so an die Hoffnung, dass er sich vertan hatte und sie woanders standen. Bei einem anderen Erzeuger, doch sie wurde fast im gleichen Atemzug zerschlagen. „6360! Aufstehen und stell dich mit dem Gesicht an die Wand. Hände auf den Rücken. Es ist Zeit zum Melken.“ Er atmete schwer aus und erhob sich dann. Sein Hintern schmerzte immer noch unter dem Brandzeichen, doch anstatt zu brennen, war es nur noch ein leichtes Ziehen. Etwas, was ihm zeigte, dass es dabei war zu einer Narbe zu werden. Niemals wieder würde er diesen Makel loswerden. Sie würde ihn immer an diese Zeit erinnern und er würde sie niemals vergessen können. Dieser kleine Schnitt an seiner Leiste konnte übersehen werden, doch diese hier. Unmöglich! Ruhig tat er, was man von ihm verlangte, als dann schon das Gitter geöffnet wurde und man ihm nur einen Moment später schon die Handschellen anlegte. Grob wurde er am Oberarm nach draußen gezerrt. Er versuchte den Anweisungen so schnell wie möglich Folge zu leisten, dennoch kam er leicht ins Straucheln, als sie ihn rücksichtslos aus der Zelle beförderten. Dann begann der Marsch zu diesem winzigen Zimmer. Er sah nicht nach rechts oder links, sondern auf seine Füße. Zählte die Fliesen, doch er kam nicht weiter als zwanzig, weil er dann immer wieder einen Stoß in den Rücken bekam. Scheinbar lief er zu langsam, aber vielleicht ließ diese Frau gerade auch nur irgendeinen Frust an ihm aus. Es war ihm an sich egal. Schließlich war es fast immer das Gleiche und daher wollte er den Grund gar nicht mehr wissen. Abbiegen. Weiterlaufen. Noch einmal abbiegen. Er hörte die leisen Stimmen der anderen Erzeuger, die sich miteinander unterhielten. Jetzt war es nicht mehr weit oder doch? Erneut ein Stoß in seinen Rücken und er taumelte kurz, doch konnte er sich gerade noch abfangen. Er hob nicht einmal den Blick. Warum sollte er auch? Das wäre doch nur ein Grund für einen weiteren Stoß. Er musste bei der Erinnerung an seine Anfangszeit hier kurz lächeln. Wie sehr hatte er versucht sich zu wehren. Irgendetwas an der Situation zu ändern, doch sie schlugen dann immer nur auf ihn ein. 6357 musste ihn so oft verarzten, dass er gar nicht mehr wusste, wie er ihm dafür dankbar sein sollte. Und jetzt war er wegen ihm gestorben. Zwar in Freiheit, aber dennoch tot. Es hätte nicht sein müssen. Definitiv nicht. Abbiegen. Nur kurz geradeaus. Abbiegen und noch fünf Schritte. Stehen bleiben. Warten. Eine Wächterin war voraus gegangen. Er hörte die schweren Schlüssel. Ihr Klimpern hatte den Klang von Freiheit und Leid zugleich. Wenn er doch nur... Nein, es war hoffnungslos. Er war gefesselt und so gut wie nackt. Niemals könnte er sich gegen sie wehren. Der Schlüssel wurde umgedreht und die Tür ging mit einem lauten Quietschen auf. Er roch die Sterilisation und spürte, wie ihm kurz übel wurde, als man ihn schon hinein stieß. Nur noch drei Schritte, dann tauchte vor seinen Augen diese Bank auf. Er wollte sich nicht darauflegen, weil er wusste, was dann passierte. Kurz zögerte er und schon verpasste man ihm einen Schlag zwischen die Schulterblätter, der ihn nach unten zwang. Stöhnend ging er auf die Knie und sein Oberkörper kam dort zu liegen, wo er sollte. Sofort wurde sein Hals mit einem Metallriemen fixiert und er spürte, wie man ihm etwas über den eingesperrten p***s streifte. Wie hatte es sein Zellengenosse nur geschafft hier heraus zukommen? Das war doch nicht möglich. Sein Körper zitterte und es wurde nicht besser, als sich jemand über ihn beugte. Er spürte den warmen Atem am Ohr und wünschte sich nur noch weit weg. „Entspann dich, 6360. Du weißt ja, dann geht es viel besser.“ Die Frau verschwand nicht über ihn und schon spürte er, wie man etwas in ihn einführte. Er hasste dieses Gefühl, doch auch wenn er versuchte davor zu fliehen. Es ging nicht. Egal, wie sehr er mit seinem Hintern wackelte. Der Gegenstand verschwand nicht. Im Gegenteil, plötzlich explodierte ein gewaltiger Schmerz in seiner Brandwunde und er konnte den Schrei nicht unterdrücken. Auch die Tränen nicht, die ihm über die Wangen liefen. Wieso? Das Teil war in Position und schon war dort wieder das Gefühl. Es war anders als der Vibrator, der ihn nur stimulieren sollte. Jetzt wurde sein Innerstes regelrecht massiert. Es war ein seltsames Gefühl, als er Sperma verlor ohne einen Orgasmus oder gar eine Erregung zu haben. Fast so als würde er eher auf Toilette gehen, doch zähflüssiger irgendwie. „Du musst dich fallen lassen. Andere Erzeuger genießen diesen Moment richtig. Schade, dass du nicht das Beste aus der Situation machst. So begehrt wie du bist.“ Er hasste diese Sätze. Immer wieder hörte er sie und er verabscheute auch sein Aussehen dafür. Warum konnte er nicht seine Ruhe haben? Als kein Tropfen mehr kam, wurde der Stimulator wieder aus ihm genommen und er traute sich richtig durchzuatmen. Er konnte dieses Gefühl nicht leiden und es wurde mit jedem Mal schlimmer. Diese Demütigung nichts dagegen tun zu können. Ihnen so ausgeliefert zu sein. Wie gerne würde er sie dafür bestrafen, doch als sich der Riemen um seinen Hals löste, wurde er nur grob in die Höhe gezogen und er folgte den Frauen aus dem Raum heraus. Wie konnte sein Kamerad fliehen? Was musste dafür passieren? Doch er fand keine Lücke und so folgte er den Frauen zurück in seine Zelle. Wissend, dass er sie die nächste Zeit nur noch sehen würde, wenn er seine Mahlzeiten bekam und auch wenn es lächerlich klang. Irgendwie beruhigte ihn dieser Gedanke. Er wollte mit diesen Frauen so wenig wie möglich zu tun haben. Am Liebsten würde er sie nie wieder sehen. Sie mit ihrer schwarzen Kleidung und den roten Baskenmützen unter denen sie ihre Haare verbargen. Er wusste nie, wer von ihnen wer war. Am Anfang hatte er es noch versucht, doch mittlerweile war es ihm auch egal. Es sollte nur noch aufhören. Dieser Alptraum musste ein Ende finden. Irgendwann... irgendwann musste er doch daraus erwachen. Oder schlief er vielleicht nicht? War das Alles Wirklichkeit? Früher hatte er es als Schauermärchen abgestempelt. Das Verstecken war nur ein Spiel für ihn. Umso älter er wurde, desto stärker wurde es ihm bewusst. Dies Alles war Wirklichkeit und auch wenn er es sich in solchen Situation für ein paar Herzschläge anders wünschte. So wusste er ganz genau: Er würde niemals daraus erwachen. Auch nicht, als man ihm die Handschellen wegnahm und er hörte, wie man das Gitter zuschob. Er war wieder alleine. Alleine in diesem Alptraum, der alles verschlang. Denn er war wahr...
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