Bereits am frühen Morgen war Sera losgefahren, nachdem sie eine ungemütliche Nacht in einem schäbigen Motel verbracht hatte. Sie hatte einen Scheck ausgeschrieben, nachdem sie all ihre Redegewandtheit dafür gebraucht hatte, den Besitzer zu überzeugen.
Müde und vor sich hin gähnend fuhr Sera die Straße entlang und freute sich, endlich nach Hause zu kommen. Wenigstens war Wochenende und sie konnte sich ausruhen.
Als sie das Radio anschaltete, berichtete der Nachrichtensprecher allerdings von einem Erdbeben in Los Angeles, das zahlreiche Häuser beschädigt hatte. Glücklicherweise waren keine Menschen ums Leben gekommen.
Ob es Astarot gut ging? Stand die Firma noch? Das waren alles Fragen, die ihr im Kopf herumgingen und sie entschied sich kurz zu parken und nachzufragen.
Fast schon ungeduldig wartete sie auf das Freizeichen und war froh, als ihr Chef endlich abhob.
„Diabolus", meldete er sich mit ruhiger Stimme. Ob er ihre Nummer nicht erkannt hatte?
Oder er war wütend, weil sie einfach die Veranstaltung verlassen hatte. Er hörte sich kühler als sonst an. „Guten Morgen, Astarot", grüßte Sera unsicher und informierte ihn, dass sie auf dem Weg zurück war.
„Geht es Ihnen gut?", fragte er. „Hier hat es ganz schön gebebt."
„Davon hat man in Phoenix nichts mitbekommen", erwiderte Sera erschöpft. „Ist Ihnen etwas passiert?", fragte sie sorgenvoll.
„Nein, hier ist alles in Ordnung", versicherte Astarot. „Sie klingen aber sehr erschöpft."
„Es war ... nicht die beste Nacht", wich Sera aus und meinte, dass sie einen Scheck ausgestellt hatte. „Ich hatte kein Geld mehr und ...", sprach sie und plötzlich war Funkstille. Verdutzt sah sie auf ihr Smartphone und fluchte. Das konnte doch nicht wahr sein! Ausgerechnet jetzt war ihr Akku leer!
Wütend startete Sera wieder ihr Auto und setzte ihren Weg fort. Weit kam sie jedoch nicht, denn das Auto gab seltsame Geräusche von sich und Sera schaffte es gerade noch, den Wagen an den Seitenrand zu fahren, bevor er den Geist aufgab.
Fluchend schlug Sera auf das Lenkrad ein. Musste denn alles schiefgehen?
Ihr traten vor Wut Tränen in die Augen, doch sie wusste, dass es ihr nichts brachte. Trotzig wischte sie sich diese weg und stieg aus. Es blieb ihr wohl nichts anderes übrig, als jemanden anzuhalten.
Zum Laufen war es zu weit und ohne etwas im Magen würde sie es sowieso nicht schaffen.
Minutenlang stand Sera am Straßenrand und wurde immer ungeduldiger. Warum kamen ausgerechnet jetzt keine Autos in die Richtung, in die sie musste? War denn wirklich alles verhext? Wenigstens regnete es nicht, aber es war heiß.
Schließlich hörte sie etwas und entdeckte tatsächlich ein Auto in ihre Richtung. Erleichtert winkte sie und hoffte sehr, dass das Auto hielt.
Es fuhr sehr schnell, wurde aber langsamer, als es näher kam. Das gab Sera Hoffnung und tatsächlich hielt es. Der Fahrer ließ das Fenster runter. „Was machen Sie denn hier?", fragte Belial überrascht.
Sprachlos, dass ausgerechnet der Anwalt ihr begegnete, verlor Sera für einen Moment ihre Redegewandtheit. Sie musste mehrmals blinzeln und räusperte sich dann. „Das Gleiche könnte ich Sie fragen. Ich bin hier, weil mein Auto den Geist aufgegeben hat", meinte sie mit einer bedeutungsvollen Handbewegung in die Richtung.
„Dann haben Sie aber Glück, dass ich gerade von einem Klienten zurückkomme", meinte er. „Soll ich Sie mitnehmen?"
Erfreut und erleichtert nickte Sera. „Das wäre sehr nett von Ihnen. Sie sind sozusagen mein Lebensretter, weil mein Handy ebenfalls den Geist aufgegeben hat", beteuerte sie und meinte, dass sie zuerst ihre Papiere und alles aus dem Auto holen würde. Sie würde sich darum kümmern müssen, es nach Los Angeles zu bringen. Irgendwie.
„Soll ich einen Abschleppdienst rufen?", fragte er und zückte sein Smartphone.
„Nehmen die auch Schecks?", fragte Sera unsicher, nachdem sie sowieso kein Geld mehr hatte.
Belial blickte sie fragend an. „Ich glaube nicht", sagte er zweifelnd. „Haben Sie Probleme?"
„Im Moment, ja", gestand sie verlegen und winkte dann ab. „Lassen Sie es stehen. Sobald ich kann, werde ich jemanden beauftragen", versicherte sie und stieg bei Belial ein.
Dieser musterte sie nachdenklich. „Wenn Sie das sagen", meinte er und schien nachzugeben. Wahrscheinlich ging er davon aus, dass sie fragte, wenn sie seine Hilfe wollte.
Sera versuchte zu lächeln, obwohl ihr eher zum Heulen zumute war. „Wie kann ich mich bei Ihnen erkenntlich zeigen, dass Sie mich mitnehmen?", fragte sie und hoffte, dass Belial nicht auf die Idee kam, sie weiterhin zu fragen, warum sie eigentlich hier war.
„Ich bin sowieso in diese Richtung unterwegs", winkte er ab und startete das Auto. „Aber Sie können gern das nächste Mal mit mir in einen Club gehen."
Seras Augen strahlten. Dass er sie einlud, war sehr nett und es würde ihr hoffentlich eine angenehme Abwechslung bringen. „An was für einen Club haben Sie gedacht? Tanzclub?", fragte sie neugierig und wandte ihre ganze Aufmerksamkeit auf Belial. Ihre Sorge um Astarot wollte sie damit vertuschen, denn obwohl dieser versichert hatte, dass alles in Ordnung war, hatte es ein Erdbeben gegeben und sie hatten nicht über die Schäden gesprochen.
Belial wirkte ausweichend. „Nicht so ganz", gestand er. „Aber auch das wäre für den Anfang nicht schlecht."
Damit weckte er Seras Neugier. „Erzählen Sie mir ein wenig mehr davon? Sie wissen doch, dass ich Los Angeles nur dank Ihnen ein bisschen besser kenne", bemerkte sie, während er in diese Richtung fuhr.
Sera bemerkte, dass Belial ein wenig nervös wurde. „Es ist ein ... besonderer Club", meinte er und dann begann er ein bisschen zu erzählen. Sera wurde nicht so ganz schlau daraus.
Nachdenklich legte Sera ihren Kopf schief und sah ihn von der Seite an. „Ich habe keine Ahnung, von was genau Sie sprechen, aber ich würde es mir sehr gerne ansehen", sagte sie lächelnd. Irgendwie fühlte sie sich schuldig und wollte ihm eine kleine Freude bereiten. Auch, wenn sie gar nicht wusste, ob das wirklich ein Club war.
Es klang alles so zweideutig und irgendwie auch zwielichtig. Ob das wirklich etwas für sie war, würde sich zeigen.
Sie sprachen noch ein wenig darüber, bevor sie sich über das Erdbeben unterhielten. Was dieses angerichtet hatte, würden sie erst sehen, wenn sie in der Stadt waren.
Als sie Los Angeles erreichten, war deutlich zu sehen, dass das Erdbeben an einigen Gebäuden teilweise größeren Schaden angerichtet hatte. Die Feuerwehr und die Stadtbewohner halfen dabei, das Chaos zu beseitigen und Sera hoffte, dass Astarots Wohnung nicht zu sehr in Mitleidenschaft gezogen worden war.
Sie nannte Belial die Straße und als dieser dort hineinfuhr, bekam Sera Angst. Hier sah es überhaupt nicht gut aus und als sie an ihrer Wohnung ankamen, ahnte sie schreckliches. Die Fenster waren teilweise kaputt und wahrscheinlich hatte es einige Dinge beschädigt.
Sogar das Tor war beschädigt und verbogen, als sie es öffnete.
Je näher sie kamen, desto unwohler fühlte sich Sera. Wie sollte sie das nur alles aufräumen? Ob die Angestellten bereits angefangen hatten? Oder hatten sie sich in Sicherheit gebracht?
Dann bemerkte sie Astarot, der mit schnellen Schritten auf sie zukam und sie sogar in den Arm nahm. „Ist mit Ihnen alles in Ordnung?", fragte er sichtlich besorgt.
Überwältigt von der ganzen Situation und Astarots plötzlicher Nähe nickte sie. „Ich glaube schon", murmelte sie und brachte es nicht fertig, sich von ihm zu befreien. Sie hatte nicht erwartet, dass ihr Chef hier sein würde, wenn sie nach Hause kam.
Erleichtert atmete Astarot aus. „Ich dachte schon, man hat Sie auf dem Weg weggefangen", seufzte er und hob dann den Kopf. Sie konnte spüren, wie er Belial fixierte. „Aber gut, dass dich jemand hergefahren hat."
Lächelnd sah sie in Belials Richtung. „Ja, es war gut, dass er zufällig auf dem Weg zurück war", gestand sie erleichtert. Ohne ihn wäre sie wahrscheinlich immer noch an der gleichen Stelle. Dass Astarot sie plötzlich duzte, ignorierte sie. Es kam vermutlich aus der Sorge heraus, was sie auch verstehen konnte.
„Du bist also ihr Chef. Na das hätte ich mir ja denken können", bemerkte Belial nüchtern, als er auf Astarot zutrat. Dieser ließ von Sera ab und beide Männer reichten sich in einer vertrauten Geste den Arm.
„Danke fürs herbringen, Belial", erwiderte Astarot, was ihm eine abwinkende Geste einbrachte.
„Ihr Auto ist liegengeblieben. Ich nehme an, du kümmerst dich darum?", fragte er und Seras Chef nickte.
Hatte sie es doch gewusst. Die beiden kannten sich. Stumm beobachtete sie die beiden und seufzte dann. „Danke für Ihre Hilfe. Schreiben Sie mir, wenn sie gedenken, in den Club zu gehen?", fragte sie hoffnungsvoll. Drinnen wartete viel Arbeit auf sie und ihr war noch gar nicht bewusst, was sie wirklich erwarten würde.
„Natürlich", antwortete Belial mit einem Lächeln. „Ich freue mich schon drauf."
Dankbar schüttelte Sera seine Hand und wandte sich dann dem Haus zu, bevor sie seufzte. Alles ging schief und es würde sie Tage kosten, das Haus wieder sauber zu bekommen.
Als sie die Tür öffnete, stellte sie fest, dass saubermachen nicht das größte Problem war.
Die Möbel waren umgefallen, einige Fenster kaputt und leider war auch eine Wand zu Bruch gegangen.
„Um Himmels Willen", entfuhr es ihr und sie musste sich am Türrahmen festhalten, um nicht umzukippen.
„Soll ich beim Aufräumen helfen?", fragte Astarot, der neben Sera trat.
Hoffnungsvoll sah sie ihn an. „Würden Sie das? Aber haben Sie nicht einen freien Tag?", fragte sie unsicher und wollte wissen, ob den Angestellten nichts passiert war.
„Den Angestellten geht es gut und morgen ist Wochenende. Also kann ich ruhig mithelfen", versicherte Asatarot. „Zudem wäre es besser, wenn Sie sich von den Glassplittern fernhalten."
Sera versuchte zu lächeln. Natürlich erinnerte er sich daran, schließlich war es gerade einmal einen Tag her, als sie sich geschnitten und in Ohnmacht gefallen war. „Kann ich versuchen. Wo wollen Sie anfangen?", fragte sie und krempelte ihre Ärmel nach oben.
„Ich räume die Scherben weg", erklärte er. „Halten Sie sich also erst einmal davon fern", meinte er und begann seine Manschetten zu öffnen und die Ärmel ebenfalls hochzukrempeln.
Es würde schwierig werden, denn die Glassplitter waren überall verteilt. Dennoch nickte Sera und begann im Flur mit den Aufräumarbeiten, da hier keine Splitter zu sehen waren. Während sie verbissen arbeiteten, entschuldigte sich Sera bei ihren Chef für das plötzliche Aufbrechen bei der Veranstaltung, aber auch wegen ihres leeren Akkus.
„Ich hoffe sehr, es war nicht all zu ernstes", meinte Astarot, während er die Splitter mit Schaufel und Besen bearbeitete.
„Leider doch", murmelte Sera, während sie die Erde der umgekippten Blumentöpfe auffegte.
„Möchten Sie darüber sprechen?", fragte er und holte einen Eimer für die Splitter.
Undeutlich nuschelte Sera, dass es sich um Familienprobleme handelte. Um davon abzulenken, informierte sie Astarot über den Scheck, den sie ausgestellt hatte. „Ich schwöre Ihnen, dass ich Ihnen das Geld zurückzahlen werde."
Ihr Chef musterte sie. „Das klingt nach sehr großen finanziellen Problemen", meinte er nachdenklich.
Sera hielt inne und sah ins Wohnzimmer, wo Astarot noch die Splitter entfernte. „Es war unvorhergesehen", gestand Sera niedergeschlagen.
„Sagen Sie, wenn Sie Hilfe brauchen", meinte Astarot und war ganz in seine Arbeit vertieft.
„Einen Vorschuss des halben Monats wäre in Ordnung", murmelte sie. So konnte sie wenigstens etwas zum Essen kaufen und das Geld zurückzahlen.
Astarot hob den Kopf und musterte sie. „Das lässt sich einrichten", meinte er, wirkte aber nachdenklich.
„Danke", sagte sie erleichtert und machte sich wieder im Flur zu schaffen.
Ein paar Minuten war es ruhig und Sera hing ihren Gedanken nach, während sie aufräumte. Ihre Hände waren voller Erde, als sie ein Brennen spürte. „Was?", fragte sie sich selbst und wollte den Schmutz wegmachen, als sie einen roten Fleck sah und sofort in Ohnmacht fiel.