4
Sara
Als wir fünf frühstücken, komme ich nicht umhin, die Spannung am Tisch zu bemerken. Ich weiß nicht, ob etwas passiert ist, bevor ich herunterkam, oder ob jeder so mit dem Jetlag zu kämpfen hat wie ich, aber die lockere Kameradschaft, die ich immer zwischen Peter und seinen Männern wahrgenommen habe, scheint heute Morgen nicht da zu sein.
Statt miteinander zu scherzen und mich mit Anekdoten über Russland zu unterhalten, verschlingen Peters Teamkollegen schweigend und schnell ihre Omeletts, bevor Anton den Hubschrauber für eine Versorgungsfahrt nimmt und die Zwillinge zu einer Trainingseinheit im Wald aufbrechen.
»Was ist los?«, frage ich Peter, als wir die Einzigen in der Küche sind. »Habt ihr euch gestritten?«
»So ähnlich.« Er steht auf, um die leeren Teller wegzuräumen. »Sagen wir einfach, dass nicht jeder mit meinen Plänen einverstanden ist.«
»Welche Pläne?«
»Ich denke darüber nach, ein weiteres Jobangebot anzunehmen – ein besonders lukratives.«
Ich runzele die Stirn und stehe auf, um ihm zu helfen, das Geschirr in die Spülmaschine einzuräumen. »Ist es gefährlich?«
Seinem Lächeln fehlt jede Spur von Humor. »Unser Leben ist gefährlich, Ptichka. Unsere Arbeit ist nur ein Teil davon.«
»Warum sind die Jungs dann dagegen?« Ich lege den Teller hin, den ich ausgespült habe, und wische mir die Hände an einem Geschirrtuch ab. »Ist es irgendwie schlimmer als deine üblichen Mission-Impossible-Aufträge?«
Sein stählerner Blick erwärmt sich bei meinem besorgten Ton. »Es ist nichts, worüber du dir Gedanken machen musst, mein Liebling – zumindest nicht für eine Weile. Wir werden den potenziellen Kunden nicht vor Mitte Dezember treffen, und dieses Treffen wird überhaupt erst entscheiden, ob wir diesen Job annehmen oder nicht.«
»Oh.« Meine Sorge nimmt leicht ab, da sie von wachsender Neugier verdrängt wird. »Triffst du diesen Kunden persönlich?« Als Peter nickt, frage ich: »Warum? Das machst du doch normalerweise nicht, oder?«
»Nein, aber diesmal machen wir eine Ausnahme.« Er scheint nicht vorzuhaben, das näher zu erklären, also beschließe ich, das Thema für den Moment fallenzulassen. Mitte Dezember ist Wochen entfernt, und er wird es mir sagen, wenn er bereit dazu ist – wahrscheinlich, wenn er sich nicht gerade mit seinen Teamkollegen gestritten hat.
Wir beenden das Aufräumen in geselliger Stille, und ich wundere mich, wie natürlich sich das alles anfühlt: mit Peter und seinen Männern frühstücken, abwaschen, über seine Arbeit reden. Es ist egal, dass wir uns auf einem unzugänglichen Berggipfel in Japan befinden, wo bereits einige Zentimeter Schnee den Boden bedecken, oder dass es sich bei der Arbeit um blutige Morde handelt. Meine Abwesenheit von hier – die Tage, die ich mit den Kents in Zypern verbracht habe, gefolgt von dem zweiwöchigen Aufenthalt in der Schweizer Klinik – beginnt schon, zu einer schlechten Erinnerung zu verblassen, ein beängstigendes Zwischenspiel in meinem neuen Leben.
Ein Leben, das mit jedem Tag, der hier vergeht, angenehmer und realer wird, an diesem fremden Ort, der sich wie zu Hause anfühlt.
Ich warte auf das schmerzhafte Gefühl von Selbsthass und Schuld, aber alles, was ich fühle, ist eine Art müde Resignation. Ich habe es satt, mich selbst und diese verwirrenden Gefühle zu bekämpfen, mich zu wehren und vorzugeben, dass der Mann, der mich mit diesen metallischen Augen betrachtet, nichts anderes als mein Entführer ist – dass ich mich in der Klinik nicht an ihn wie ein Babykoala an seine Mutter geklammert habe. Als ich heute Morgen allein in einem leeren Bett aufgewacht bin, wollte ich weinen – und das hatte nichts damit zu tun, dass ich meine Periode noch nicht bekommen habe.
Ich habe diesen Gedanken verdrängt, bevor ich wieder ausflippen konnte. Ja, ich bin jetzt einige Tage zu spät dran, aber es gibt andere mögliche Erklärungen für die Verzögerung. Stress, zum Beispiel, sowohl körperlich als auch emotional. Ohne Schwangerschaftstest und ohne andere Symptome kann ich zu diesem frühen Zeitpunkt nicht wissen, ob es sich um die Folgen des Unfalls oder des ungeschützten s*x handelt. Da ich also noch nicht bereit bin, dieses Thema bei Peter anzusprechen, muss ich es mir aus dem Kopf schlagen und auf das Beste hoffen.
Wenn ich schwanger bin, werden wir beide es früh genug wissen.
»Geht es dir gut?«, fragt Peter, wobei seine dunklen Augenbrauen sich besorgt zusammenziehen, und ich merke, dass ich versehentlich mein Gesicht so verzogen habe, als hätte ich Schmerzen.
»Ich habe nur Jetlag«, sage ich, und um seine Sorgen zu zerstreuen, setze ich ein strahlendes Lächeln auf. »Du weißt schon, langer Flug und so.«
»Ah.« Er hebt seine große Hand und berührt sanft die heilende Narbe auf meiner Stirn. »Du solltest dich die nächsten Tage schonen. Du bist noch nicht ganz gesund.« Sein Stirnrunzeln vertieft sich. »Vielleicht hätten wir länger in der Klinik bleiben sollen.«
Ich lache und schüttele den Kopf. »Oh, nein. Wir sind schon so eine Woche zu lange geblieben. Ich bin nur etwas müde, das ist alles.«
»In Ordnung.« Er sieht nicht überzeugt aus, und spontan stelle ich mich auf die Zehenspitzen und küsse die harte Linie dieses sinnlichen Mundes.
Es ist nur ein kurzer, verspielter Kuss, aber wir beide sind davon getroffen wie von einem Schlag. Ich weiß nicht, warum ich das getan habe, warum es sich so natürlich angefühlt hat, ihn so zu beruhigen. Es war nicht, weil ich s*x möchte, obwohl ich es will – er hat mich seit Zypern nicht mehr genommen, und mein Körper sehnt sich nach seiner Berührung. Nein, es war nur etwas, was ich tun wollte, etwas, was sich richtig anfühlte.
Er erholt sich zuerst, und ein langsames, verführerisches Lächeln erscheint auf seinen gemeißelten Lippen, als er nach mir greift, wobei ein Arm um meine Taille gleitet, um mich näher an sich zu ziehen, während die andere Hand sich sanft um mein Kinn legt und sein schwieliger Daumen über meine Wange streicht. »Sara …« Seine Stimme ist leise und heiser, so warm wie das Leuchten in seinem Blick. »Meine schöne Ptichka … Ich liebe dich so sehr.«
Meine Brust verengt sich und drückt die Luft in meiner Lunge zusammen. Er hat mir schon vorher gesagt, dass er mich liebt, aber nie so … nie mit dieser Tiefe des Gefühls. Es erschüttert mich bis auf die Knochen, denn zum ersten Mal glaube ich ihm.
Ich glaube ihm, und ich will es erwidern.
Diese Erkenntnis trifft mich wie ein Hammerschlag. Ich habe so hart dagegen angekämpft, alles getan, um zu verhindern, dass ich mich in diesen Mann verliebe, um ihm zu entkommen. Doch schon als ich vor ihm weglief, wusste ich, dass ich auch vor mir selbst flüchtete, vor dem dunklen Teil in mir, der den Mörder meines Mannes umarmen will, um der Fantasie eines glücklichen Lebens mit dem Mörder nachzugeben, der mich von jedem, den ich liebe, gestohlen hat. Ich kämpfte, rannte, und irgendwo auf dem Weg ist es trotzdem passiert.
Ich habe mich in ihn verliebt.
Ich verliebte mich in den Mann, den ich hassen sollte, ein Monster, dessen Kind ich vielleicht in mir trage.
Er blickt mir in die Augen, und in seinen Augen sehe ich dieselbe heftige Sehnsucht, die ich so unbedingt zerstören wollte. Er braucht mich, mein tödlicher Entführer, braucht mich so sehr, dass er bereit ist, alles zu tun, um mich zu haben. Und aus irgendeinem Grund erschreckt mich dieses Wissen nicht mehr so sehr wie früher.
Ich weiß nicht, ob ich meine Gedanken irgendwie telegrafiere oder ob die Abstinenz der letzten zweieinhalb Wochen für Peter genauso schwer war wie für mich, aber das konzentrierte Feuer in seinem Blick brennt heller und der mächtige Arm um meine Taille spannt sich an und zieht mich gegen seinen Körper.
Seinen harten, voll erregten Körper.
Mein eigener Körper spannt sich an, zieht sich plötzlich vor Verlangen zusammen, während sich meine Hände heben, um gegen seine breite Brust zu drücken. Ich will ihn, so wie ich ihn die ganzen Nächte in der Klinik wollte, als ich platonisch in seiner Umarmung schlief. Er weigerte sich damals, mich anzufassen, aus Sorge um meine Verletzungen, aber ich habe keine Schmerzen mehr – zumindest nicht von dem Unfall.
Sein Kopf beugt sich nach unten, und ich begrüße seinen harten, verschlingenden Kuss. Das ist genau das, was ich will: von ihm in Besitz genommen werden, die Gewalt seiner Leidenschaft spüren. Er ist nicht mehr sanft, aber ich will auch nicht, dass er es ist. Ich will ihn genau so: rau und fast außer Kontrolle, dass er mich mit seinem Verlangen verzehrt und mich mit seinem überwältigenden Hunger brennen lässt.
Meine Hände landen irgendwie in seinen dunklen Haaren und krallen sich in die dicken, seidigen Strähnen, während ich ihn mit der gleichen Wildheit zurückküsse und unsere Zungen sich duellieren, während sich unsere Körper, durch die Barriere der Kleidung getrennt, aneinanderdrängen. Ich atme jetzt schwer, und er auch, als er mich gegen den Rand des Tresens drückt, mich auf ihn hebt, und meine Yogahose und meinen Tanga mit einem rauen Ruck herunterzieht. Dann ist sein Reißverschluss offen, und sein dicker Schwanz spießt mich auf und lässt mich wegen der brutalen Dehnung aufschreien. Wenn ich nicht so nass wäre, hätte er mich zerrissen, aber ich bin mehr als feucht vor Verlangen, und als er anfängt, in mich zu stoßen, schlinge ich meine Beine um seine Hüften, nehme ihn auf und umarme alles, was er zu geben hat.
Es dauert nicht lange, bis sich mein Körper zusammenzieht, sich in einem schwindelerregenden Tempo dem Höhepunkt nähert und seine Stöße schneller werden, bis der wilde Rhythmus uns beide an den Rand der Vernunft treibt. »Oh, fuck«, stöhnt er und wirft seinen Kopf zurück, als der Orgasmus ihn überrollt, und ich schreie, erschaudere vor quälendem Vergnügen, während meine inneren Muskeln sich um seinen pulsierenden Schwanz zusammenziehen. Die heißen Ergüsse seines Samens überschwemmen meinen Unterleib, und mein Körper krampft immer wieder, da die Entladung eine Ewigkeit anhält.
Als sie irgendwann vorbei ist, bemerke ich den unnachgiebigen Stein der schmalen Quarz-Theke unter meinem Rücken bewusst, und ebenso Peters schweres Gewicht, das mich niederdrückt. Wir atmen beide abgehackt, und selbst durch den Stoff seines Hemdes spüre ich den Schweiß, der seinen Rücken bedeckt.
Wir haben gerade auf der Küchentheke gefickt, wo uns jeder hätte erwischen können.
Wir haben es wie Tiere getan, so als hätten wir schon seit Jahren keinen s*x mehr gehabt.
Ein manisches Kichern entweicht mir, während Peter leise wütend flucht und mich wegstößt. Der donnernde, dunkle Ausdruck auf seinem Gesicht, als er seine Jeans hochzieht, lässt mich noch mehr lachen. Ich keuche wegen meines hysterischen Gelächters, während ich auf wackeligen Beinen vom Tresen rutsche und meine Hose und meinen String unter dem Geschirrspüler entdecke.
Ich bin von der Taille abwärts nackt.
Mein nackter Hintern lag auf der Küchentheke, wie ein Truthahn, der darauf wartet, gestopft zu werden.
Meine Hysterie erreicht einen neuen Höhepunkt, und ich beuge mich mach vorn und lache so sehr, dass mir Tränen aus den Augen strömen. Peter starrt mich an, als sei ich verrückt geworden, und das macht es nur noch schlimmer, denn ich weiß, wie ich aussehen muss, so nackt mit einem irren Lachen.
Nach ein paar Minuten beruhige ich mich genug, um darüber nachzudenken, wie ich meine Kleider wiederfinden kann, aber Peter fängt meine Schultern ein, bevor ich auf allen vieren landen kann. Das besorgte Stirnrunzeln in seinem Gesicht treibt mich in erneute Hysterie. »Du … du wirst alles desinfizieren müssen«, keuche ich zwischen unkontrolliertem Gelächter. »Da du hier kochst und so …«
Ich lache jetzt zu viel, um zu reden, aber er muss meinen Wink verstehen, denn eine zögerliche Belustigung schimmert in seinen Augen und krümmt seine Lippen. Und dann lacht er auch, denn es gibt immer noch überall schmutziges Geschirr, und wir haben gerade dort gefickt, wo uns jeder sehen konnte, und sein Sperma tropft von meinen Schenkeln auf den sauberen Fliesenboden.
Schließlich beruhigen wir uns und holen mein Höschen und meine Unterwäsche unter dem Geschirrspüler hervor. Meine Kehle ist wund, und mein Bauch schmerzt vom Lachen, aber ich fühle mich irgendwie gereinigt, von all der Bitterkeit und Verstimmung befreit. Peters Gesichtsausdruck verdunkelt sich jedoch wieder, und als er mich nach oben zum Duschen führt, frage ich: »Was ist los?«
Er antwortet zunächst nicht, sondern beschäftigt sich nur damit, die Dusche einzuschalten und uns beide auszuziehen, als wir das Badezimmer erreichen. Ich warte geduldig, und als wir unter den Wasserstrahl treten und er mir den Rücken wäscht, murmelt er endlich: »Habe ich dir wehgetan?«
Ich blinzele und drehe mich um, um ihn anzusehen. Das macht ihm Sorgen? Dass er grob war? Meine linke Schulter ist immer noch wund vom Auskugeln beim Autounfall, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass unser leidenschaftlicher s*x ihr keinen Schaden zugefügt hat. »Nein, natürlich nicht. Ich habe dir doch gesagt, dass es mir gut geht.«
Er schaut mich nicht überzeugt an, seufzt dann und zieht mich in einer Umarmung an sich. Ich schließe die Augen, um das fließende Wasser fernzuhalten, und wickle meine Arme um seinen muskulösen Oberkörper. Wir stehen so da, halten uns ohne Worte, und es fühlt sich so richtig an, in all seiner Falschheit.
Es fühlt sich an, als ob wir zusammengehören, als ob wir dazu bestimmt wären.