Am nächsten Morgen besteht mein Frühstück aus einem Muffin und einem Kaffee to go. Ich richte meinen Beanie zurecht und warte geduldig vor dem kleinen Secondhand Laden für elektronische Geräte. Um halb neun wird das Geschlossen Schildchen an der Glastür umgedreht. Ein junger Mann, wahrscheinlich ein Student, steht hinter der Kasse und sieht mich erwartungsvoll an. Dass er mich von oben bis unten mustert, ist mir nicht entgangen, jedoch ist er zwei oder wenn nicht drei Jahre jünger als ich.
"Ist Elias da?", frage ich ihn und er nickt. Er verschwindet kurz durch die Tür hinter der Theke, bevor er dann wiederkommt und sich gelassen über die Theke lehnt.
"Er kommt sofort. Darf ich Ihnen etwas sagen?"
Seine grünen Augen erinnern mich an Jack und zum Teufel, warum muss ich gerade an ihn denken? Er hat mich betrogen. Er war verrückt. Er musste dafür zahlen.
"Ja?"
"Sie haben da Krümel an ihren Lippen."
Ach deswegen starrt der Knabe so dreist auf meine Lippen. Ich wische mir mit einem Taschentuch kurz über die Lippen.
"So besser. Ich bin übrigens Benjamin."
"Nora! Schön dich zusehen!"
Elias kommt hinter Benjamin hervor, der seine Hand, die er mir entgegenstreckte, fallen lässt.
"Hey! Ich müsste dich um etwas bitten."
Ich hebe meine Stofftasche hoch und deute auf meinen Laptop. Er macht eine Handbewegung, dass ich ihm folgen soll und ohne Benjamin noch einmal anzusehen, folge ich Elias hinter die Theke. Wir steigen die enge Metalltreppe hinunter und er macht das Licht an.
Es liegen ein paar alte Smartphones, so wie ein Laptop auf dem Metalltisch mitten im Raum herum. Sie warten nur darauf in den OP-Saal geführt zu werden. An dem Laptop stehen schon Kabel heraus. Wahrscheinlich hantierte er daran herum. Elias setzt sich an den kleinen holzfarbenen Schreibtisch.
"So wie kann ich helfen?"
"Ich möchte, dass du für mich ein Profil auf f*******: hackst."
Er nickt und schaltet seinen alten PC an und ich muss lächeln. Niemand da draußen würde auf die Idee kommen, dass dieser Mann, mit einem Ziegenbart und einer Kippa auf dem Kopf, in Wirklichkeit ein talentierter Hacker ist. Als ich das letzte Mal hier war, hat er mir sogar anvertraut, dass ihm Hacken genauso viel Freude bereitet, wie die Synagoge.
Ich nenne Henry's Namen und im Nu habe ich Zugriff auf seine ganzen Bilder und Nachrichten. Perfekt.
"Vielen Dank!"
Ich händige ihm den 6000$ Scheck aus und er nickt zustimmend. Wenn man schon Tochter eines riesigen Holdingbesitzers ist, kann man dies gut nutzen. Und ich muss großzügig sein, ansonsten würde er vielleicht nicht seinen Mund halten. Denn ich vertraue keinem.
Ich setze mich auf den kleinen Hocker neben dem Schreibtisch. Als er diesen Benjamin nach sich rufen hört, entschuldigt er sich kurz und geht nach oben. So bin ich allein und kann nun ungestört in Henry's Nachrichten schnüffeln. Und dann sehe ich diesen Namen. Und ich klicke auf den Chat. Dieses verlogene Miststück!
Valery Golden: Hey, freut mich, dass du meine Freundschaftseinladung angenommen hast. Leider kann ich wegen der Arbeit nicht viel vom Büro heraus und beim Arbeiten kann man ja kaum quatschen. Dafür können wir uns hier gerne unterhalten.
Du: Ja, da hast du vollkommen Recht. Hier können wir uns gerne schreiben.
Valery Golden: Das ist super! Denn ich finde dich echt sympathisch. Du kannst gut zuhören und ich finde wir könnten ja auch mal an einem Wochenende etwas trinken gehen. Natürlich könnte ich dir vorher noch etwas von New York zeigen. Wenn du möchtest?
Du: Geht klar. Ich melde mich wenn ich Zeit finde.
Valery Gold: Lass nicht zu lange auf dich warten ;)
Ich klappe wütend meinen Laptop zu. Dieses kleine Muschi Miststück! Wie kann sie es wagen? Dir so zu schreiben? Mein armer Henry. Hast ihr noch ganz höflich geantwortet. Mein charmanter Liebling. Dir gebe ich nicht die Schuld. Sie will dich. Macht sich an dich ran. Und gibt mir vor, dass du nicht ihrer Klasse entsprichst. Sie ist böse, Henry. Sie will nur mit dir spielen. An eine gemeinsame Zukunft denkt sie erst gar nicht. Aber ich schon.
Ich blicke auf die Uhr. Ich sollte längst im Laden sein und dich sehen, darling. Dies wird ihre letzte Nachricht an dich sein. Ab heute Nacht wird sie dich nicht mehr belästigen können.
Ich mache mich auf den Weg zur Fifth Avenue. Nachdem ich mich von Elias und seinem Knaben Benjamin verabschiedet habe. Der mich übrigens gefragt hat, wann ich wiederkomme. Ich meinte, ich hoffe nicht sehr bald. Denn Profile hacken, um meine Geliebten zu schützen, ist echt anstrengend. Aber es ist es wert, Henry.
Dave war so lieb und hat meinen Wagen aus dem Parkplatz zu mir nach Hause gefahren. Bevor ich aussteige, trage ich noch mal meinen nudefarbigen Lippenstift auf. Ich ziehe mir den Beanie vom Kopf und fahre mir durch die dunkelblonden Haare. Unter meinem Neckholder Pullover trage ich einen Push-Up-BH. Sogar mit Spitze. Auch wenn wir noch nicht so weit sind. Doch ich weiß, der Moment wird bald kommen, indem du die Träger meines BH's mir mit deinen Zähnen von den Schultern streifst.
Als ich durch den Eingang des Ladens laufe, sehe ich dich. Und du siehst gut aus. Zu gut. Du lachst gerade über etwas, was Steve sagt. Und am Liebsten würde ich diesen Moment festhalten. Angy ist an der Kasse und bedient die einzigen Kunden im Laden. Sonst scheint es heute ruhig zu zugehen. Steve bemerkt mich als Erstes und nickt mir zu. Und dann ist der Moment gekommen. Du drehst dich zu mir um. Wirkst erst überrascht, dann erfreut. Ich lächele und winke dir. Mit schnellen Schritten kommst du auf mich zu.
"Nora! Schön dich zu sehen! Wo hast du gesteckt?"
Du strahlst mich an und ich merke und weiß es einfach. Wir gehören zusammen, Henry!
"Ich habe mich versteckt", scherze ich und du fährst dir durch die Haare, bevor du mich in eine kurze freundschaftliche Umarmung schließt. Danach siehst du mich mit einem schiefen Lächeln an und du weißt gar nicht, wie heiß du gerade aussiehst. Ich wünschte, du würdest mich gerade in der Garderobe vögeln. So scharf bin ich auf dich.
"Und ich habe dich nicht gefunden. Aber du hast kein f*******: und ich hatte deine Nummer nicht-"
"Hast du mich etwa auf f*******: gesucht?", frage ich frech dazwischen und erhalte ein verlegenes Grinsen. "Erfolgreich war ich nicht."
"Ich erleichtere dir deine Aufgabe." Wie immer, darling.
Ich strecke meine Hand aus und du verstehst sofort. Du gibst mir mein Handy und ich tippe meine Nummer ein. Dass du mir dabei unbemerkt versuchst auf mein Dekolletee zu blicken, entgeht mir natürlich nicht. Ich merke wie meine Nippel steif werden. Du auch?
"Super."
Du steckst dein Handy wieder in deine Tasche und siehst mich neugierig an.
"Ich habe gehört, dass es Probleme bei den Entwürfen gab. Diese Valery-"
"Ach, das haben wir geklärt. Und wie ich sehe, gibt es heute im Laden auch nicht viel zu tun. Ich habe Dave versprochen, eine Rolle Canvas Stoff zu kaufen. Gegenüber des Square Parks gibt es eine kleine Schneiderei. Die machen ihre Arbeit gut. Und ich denke, ich könnte Hilfe gebrauchen."
Ich unterbreche ihn, weil ich nicht möchte, dass er weitere Gedanken an diese Fotze Valery verschwendet. Natürlich hat mich Dave nicht darum gebeten. Doch ich wage den ersten Schritt, darling. Ich zeige dir, was es so schönes in New York gibt. Denn Valery wird es nach heute Nacht nicht mehr zeigen können.