»Bitte geh nicht, Papa.« Pashas Kinn zittert, als er versucht, nicht zu weinen. Tamila hat ihm vor einigen Wochen gesagt, dass große Jungs nicht weinen, und er hat alles versucht, um ein großer Junge zu sein. »Bitte, Papa. Kannst du nicht noch ein wenig bleiben?«
»Ich werde in ein paar Wochen wieder hier sein«, verspreche ich ihm und hocke mich hin, um auf Augenhöhe mit ihm zu sein. »Ich muss arbeiten, verstehst du das?«
»Du musst immer arbeiten.« Sein Kinn zittert stärker, und in seinen großen, braunen Augen fließen die Tränen über. »Warum kann ich nicht mit dir zur Arbeit kommen?«
Bilder der Terroristen, die ich letzte Woche gefoltert habe, steigen in meinem Kopf auf, und ich muss mich anstrengen, meine Stimme ruhig zu halten, als ich sage: »Es tut mir leid, Pashen’ka. Mein Arbeitsplatz ist kein Ort für Kinder.« Oder für Erwachsene, aber das sage ich nicht. Tamila weiß einige Dinge der Sachen, die ich als Teil der Speznas, der russischen Spezialeinheiten, tue, aber selbst sie kennt die dunkle Realität meiner Welt nicht.
»Aber ich würde mich gut benehmen.« Jetzt weint er richtig. »Ich verspreche es, Papa. Ich würde mich gut benehmen.«
»Ich weiß, dass du das würdest.« Ich ziehe ihn an mich und umarme ihn fest, während ich spüre, wie sein kleiner Körper von Schluchzern erschüttert wird. »Du bist mein guter Junge, und du musst dich bei Mama gut benehmen, während ich weg bin, okay? Du musst auf sie aufpassen, so wie das große Jungen wie du machen.«
Das scheinen die magischen Worte zu sein, weil er nur noch einmal schnieft und sich dann aufrichtet. »Das werde ich.« Der Rotz läuft aus seiner Nase, und seine Wangen sind nass, aber sein Kinn wirkt entschlossen, als er mir in die Augen blickt. »Ich werde auf Mama aufpassen, das verspreche ich dir.«
»Er ist so intelligent«, meint Tamila, die sich neben mir hinkniet, um Pasha zu umarmen. »So als sei er fast fünf und nicht erst fast drei.«
»Ich weiß.« Meine Brust schwillt voller Stolz an. »Er ist fantastisch.«
Sie lächelt mich an und blickt zu mir hoch, so dass ich wieder in ihre großen, braunen Augen schaue, die Pashas so sehr ähneln. »Pass auf dich auf und sei bald wieder zu Hause, okay?«
»Das werde ich.« Ich beuge mich nach vorn, um ihre Stirn zu küssen, und streiche danach über Pashas seidige Haare. »Ich werde zurück sein, bevor ihr bemerkt, dass ich weg bin.«
* * * *
Ich bin in Grosny, Tschetschenien, und verfolge gerade die Spur einer neuen radikalen aufständischen Gruppe, als ich die Nachricht bekomme. Derjenige, der mich anruft, ist mein Boss aus Moskau, Ivan Polonsky.
»Peter.« Seine Stimme ist ungewöhnlich ernst, als ich das Gespräch annehme. »Es gab einen Zwischenfall in Daryevo.«
Mein Innerstes vereist. »Was für ein Zwischenfall?«
»Es gab eine Operation, von der wir nichts wussten. Die NATO war daran beteiligt. Und es gab ... Opfer.«
Eiseskälte breitet sich in mir aus, zerfetzt mich innerlich, und ich kann kaum die Worte, die ich sagen muss, aus meinem Hals zwingen. »Tamila und Pasha?«
»Es tut mir leid, Peter. Einige der Dorfbewohner wurden während des Kreuzfeuers getötet, und ...«, er schluckt hörbar, »die Vorberichte sagen aus, dass Tamila unter ihnen war.«
Meine Finger zerquetschen fast das Telefon. »Was ist mit Pasha?«
»Das wissen wir noch nicht. Es gab einige Explosionen und ...«
»Ich bin auf dem Weg.«
»Peter, warte ...«
Ich beende das Gespräch und eile aus der Tür.